Inselspital: Nach gewissen Operationen zu viele Komplikationen
Im Berner Universitätsspital Insel kam es in den letzten Jahren bei bestimmten Eingriffen zu ungewöhnlich vielen Komplikationen wie Infektionen oder ungeplanten Nachoperationen. Etliche wären wohl zu vermieden gewesen, wenn die obersten Verantwortlichen rechtzeitig genügend harte Massnahmen ergriffen hätten.
In einer Stellungnahme verteidigte sich die Insel-Gruppe:
«Die Daten der Insel-Gruppe liegen jeweils im Normbereich oder sind etwas tiefer oder höher als der nationale Vergleichswert. Vergleicht man die Resultate mit anderen vergleichbaren Spitälern und Spitalgruppen (also insbesondere Universitätsspitäler), schneiden wir nicht schlechter ab.»
Die Statistiken des ANQ berücksichtigen grundsätzlich den unterschiedlichen Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Einlieferung ins Spital sowie die Schwere der Eingriffe («risikoadjustierte» Daten nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Infosperber lud das Insel-Spital deshalb ein, den Nachweis zu erbringen, dass das Berner Universitätsspital bei den erfassten Behandlungsresultaten ebenso gut abschneide wie andere Universitäts- oder grosse Kantonsspitäler.
Fazit: Bei vielen Behandlungen kam es im Inselspital zu einer ähnlichen Rate von Komplikationen wie in anderen Universitäts- und grossen Kantonsspitälern. Dies trifft insbesondere bei den Rehospitalisationsraten zu (wie häufig Patientinnen und Patienten bis 30 Tage nach irgendeiner Operation ungeplant wieder das Spital aufsuchen mussten).
Zu weniger Komplikationen als im Durchschnitt der vergleichbaren Spitäler kam es im Inselspital bei keinen der erfassten Eingriffe. Das Inselspital war nirgends Spitze.
Doch bei einigen wichtigen Operationen kam es im Inselspital signifikant häufiger zu Komplikationen als in anderen Universitäts- und grossen Kantonsspitälern.
Daraus kann man schliessen, dass die Behandlungsqualität im Inselspital insgesamt weniger gut ist als in anderen Universitäts- und grossen Kantonsspitälern. Entgegen den Aussagen des Inselspitals schneidet dieses also unter dem Strich schlechter ab.
Das zeigen die Daten des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern (ANQ). Wegen zu kleinen Fallzahlen sind die Unterschiede oft nicht signifikant. Doch das Inselspital glänzte nirgends.
Nachoperationen im Inselspital Bern nach dem Einsetzen von Hüft- und Knieprothesen*
Revisionsoperationen nach Hüft- und Knieersatz | Prozent mehr Revisionen als der Durchschnitt** | Absolute Prozent | Durchschnitt Schweizer Spitäler in absoluten Prozent |
CHUV Lausanne | +150% | 6,3 | 2,5 |
Unispital Insel Bern | +124% | 5,6 | 2,5 |
Unispital Basel | +52% | 3,8 | 2,5 |
Unispital Genf | -14% | 1,9 | 2,5 |
Kantonsspital St. Gallen | -28% | 1,8 | 2,5 |
**Gemeint ist die durchschnittliche Nachoperationssrate aller Schweizer Spitäler. Die ANQ-Statistik berücksichtigt den unterschiedlichen Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Ersteinlieferung ins Spital sowie die Schwere der Eingriffe («risikoadjustiert» nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Das Inselspital sagt dazu, es habe deutlich komplexere Fälle behandelt als die anderen Universitäts- und grossen Kantonsspitäler. Zudem habe das Inselspital bei über 90 Prozent ihrer betroffenen Patienten die nötigen Daten für die Adjustierung gar nicht erfasst.
Weil das Inselspital die Daten nicht erfasste, ist nicht ersichtlich, warum es weiss, dass es komplexere Fälle behandelte. Für die beanstandete «teilweise ungenügende Datenqualität für Risikoadjustierung» ist das Inselspital selber verantwortlich.
Infektionen nach der Implantation eines Hüftgelenks*
Die in der folgenden Tabelle nicht aufgeführten Universitäts- oder grossen Kantonsspitäler führen keine Hüftgelenk-Operationen durch oder haben die Infektionsraten dieser Operation nicht erfasst. Ausser bei den Dickdarm-Operationen darf ein Spital unter 13 chirurgischen Eingriffen drei Eingriffe frei bestimmen. Die postoperativen Infektionen der anderen Operationen – falls im Spital angeboten – muss es nicht erfassen.
Infektionen nach Hüftgelenk-Operationen | % mehr Infektionen als im Durchschnitt** | Absolute Prozent | ø Schweizer Spitäler in absoluten Prozent |
Unispital Insel Bern | +610% | 5,7 | 0.8 |
CHUV Lausanne | -100% | 0,0 | 0.8 |
**Gemeint ist die durchschnittliche Infektionsrate aller Schweizer Spitäler. Die ANQ-Statistik berücksichtigt den unterschiedlichen Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Ersteinlieferung ins Spital sowie die Schwere der Eingriffe («risikoadjustiert» nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Das Inselspital sagt dazu, es handle sich um «einen einjährigen Ausreisser bei sonst unterdurchschnittlichen Infektionszahlen bei diesem Eingriffstyp».
Infektionen nach Operationen des Dickdarms*
Infektionen nach Dickdarm-Operationen | % mehr Infektionen als im Durchschnitt** | Absolute Prozent | ø Schweizer Spitäler in absoluten Prozent |
Unispital Insel Bern | +160% | 31,2 | 11,7 |
CHUV Lausanne | +110% | 24,9 | 11,7 |
Unispital Genf | +31% | 15,3 | 11,7 |
Unispital Zürich | +31% | 15,3 | 11.7 |
Kantonsspital St. Gallen | -17% | 9,7 | 11,7 |
Unispital Basel | -60% | 4,7 | 11,7 |
**Gemeint ist die durchschnittliche Infektionsrate aller Schweizer Spitäler. Die ANQ-Statistik berücksichtigt den unterschiedlichen Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Ersteinlieferung ins Spital sowie die Schwere der Eingriffe («risikoadjustiert» nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Das Inselspital räumt ein, dass «die Rate dieser postoperativen Infektionen leicht über dem Benchmarking liegt». Vielleicht liege es an mehr Notfallpatientinnen und mehr überregionalen Zuweisungen komplexer Fälle als dies bei anderen Universitäts- und grossen Kantonsspitälern der Fall sei. Es würden «in diesem Rahmen kontinuierlich Massnahmen implementiert, um die Wundinfektionsrate zu senken (zum Beispiel Änderung der präoperativen Hautdesinfektion, orale antibiotische Prophylaxe vor der Operation oder universelle Dekolonisierung)».
Infektionen nach Operationen der Gebärmutter*
Die in der folgenden Tabelle nicht aufgeführten Universitäts- oder grossen Kantonsspitäler führen keine Gebärmutter-Operationen durch oder haben die Infektionsraten dieser Operation nicht erfasst. Ausser bei den Dickdarm-Operationen darf ein Spital unter 13 chirurgischen Eingriffen drei frei bestimmen. Bei den restlichen postoperativen Infektionen – falls im Spital angeboten – muss es die Häufigkeit der Infektionen nicht erfassen.
Infektionen nach Gebärmutter-Operationen | % mehr Infektionen als im Durchschnitt** | Absolute Prozent | ø Schweizer Spitäler in absoluten Prozent |
Unispital Insel Bern | +100% | 7,4 | 3,7 |
Unispital Basel | +54% | 5,7 | 3,7 |
**Gemeint ist die durchschnittliche Infektionsrate aller Schweizer Spitäler. Die ANQ-Statistik berücksichtigt den unterschiedlichen Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Ersteinlieferung ins Spital sowie die Schwere der Eingriffe («risikoadjustiert» nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Das Inselspital kritisiert dazu Swissnoso und ANQ, welche Tumoroperationen mit einfachen Hysterekomien vergleichen würden. Und weiter: «Ein sinnvolles Benchmarking ist im Rahmen der Swissnoso-Surveillance bei diesem Eingriffstyp derzeit nicht möglich, da nur ein weiteres Universitätsspital an der Surveillance teilnimmt und sonstige grosse Zentren auf eine Infektionssurveillance bei diesem Eingriff verzichten.»
Spitalweite ungeplante Reoperationen bis 30 Tage nach einer Operation*
Ungeplante Nachoperationen | % mehr ungeplante Nachoperationen | Absolute Prozent | ø Schweizer Spitäler in absoluten Prozent |
Unispital Zürich | +15% | 7,06 | 6,13 |
Unispital Basel | +11% | 6,78 | 6,13 |
CHUV Lausanne | +7% | 6,57 | 6,13 |
Unispital Insel Bern | +7% | 6,54 | 6,13 |
Kantonsspital St. Gallen | +4% | 6,37 | 6,13 |
Unispital Genf | -8% | 5,62 | 6,13 |
Die Aussage des Inselspitals, die erhöhten Komplikationsraten lägen «jeweils im Normbereich», ist nicht zutreffend.
Ungeplante Rehospitalisationen (Rehospitalisationsrate)
Darunter versteht man akute klinische Ereignisse, die eine umgehende Hospitalisation innerhalb von 30 Tagen nach dem Erstaufenthalt erfordern und nicht zwingend erwartet werden mussten.
Für die Statistik wurde der unterschiedliche Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Ersteinlieferung ins Spital berücksichtigt («risikoadjustiert» nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Ungeplante Folgeoperationen (Revisionsrate)
Die Raten weisen den Anteil an Folgeoperationen (Revisionen) innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Implantation aus und werden nach Operationen eines Hüftgelenks im Zeitraum von zwei Jahren nach der Erstoperations berechnet.
Für die Statistik wurde der unterschiedliche Gesundheitszustand der PatientInnen bei der Ersteinlieferung ins Spital berücksichtigt («risikoadjustiert» nach Alter, Geschlecht und Nebenerkrankungen).
Wundinfektionen nach Operation
Die Infektionen wurden während des Spitalaufenthaltes sowie 30 Tage nach Austritt erfasst (mit digitalem Fragebogen und telefonischer Nachbefragung). Bei Eingriffen mit Implantaten und bei allen gefässchirurgischen Eingriffen an Arterien der unteren Extremitäten wurde ein Follow-up nach 90 Tagen durchgeführt.
Für die Statistik wurde der unterschiedliche Gesundheitszustand der PatientInnen und die Schwere der Eingriffe berücksichtigt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Eine der Ursachen für die (zu) vielen Rückfälle dürften auch die alten Gebäude sein, von denen noch etliche stehen. Hoffentlich haben sie im neuen Bettentrakt von Anfang an ein Trennsystem à la Niederlande implementiert, sprich die saubere Klientel auf die eine Seite, die Käfer-Kundschaft auf die andere. In Holland haben sie Erfolg damit.