Dr. Kurios: Eine mysteriöse Schwellung am Bauch
Die Schmerzen in der rechten Lendengegend begannen vor zwei Jahren. Immer, wenn die junge Frau mindestens 30 Minuten stand oder Sport trieb, verstärkten sie sich. Gleichzeitig kam es am rechten Unterbauch zu einer schmerzhaften Schwellung. Legte sich die 30-Jährige dann für einige Minuten hin, verschwand diese Schwellung, und die Schmerzen liessen nach.
Mittlerweile war das Problem so akut, dass es den Tagesablauf der Frau erheblich störte. Abgesehen davon fühlte sie sich aber gesund.
Das bestätigten auch die Untersuchungen an einem Spital in Madrid. Auffällig war nur der Urinbefund: Die Patientin hatte Eiweiss und Spuren von Blut im Urin. Auch ein paar harmlose Zysten an den Nieren waren auf den computertomografischen Aufnahmen und beim MRI erkennbar. Das erklärte jedoch ihre Beschwerden nicht.
Schliesslich spritzten die Ärztinnen der Frau ein Kontrastmittel, um die Nieren, die Harnleiter und die Harnblase auf den Röntgenbildern besser zu sehen. Während die Patientin stand, verfolgten die Medizinerinnen 30 Minuten lang, was in ihrem Bauch vor sich ging.
Kolumne «Dr. Kurios»
Choleraausbruch mitten in Paris, Explosion des Patienten bei der Darmspiegelung, Halluzinationen durch Hirsebällchen – in der Medizin passieren immer wieder unglaubliche Dinge. Glücklicherweise aber nur sehr selten. Seit über 20 Jahren sammelt die Autorin – sie ist Ärztin und Journalistin – solche höchst ungewöhnlichen Krankengeschichten. Aus ihren früheren Kolumnen sind bisher zwei Bücher hervorgegangen: «Das Mädchen mit den zwei Blutgruppen» und «Der Junge, der immer in Ohnmacht fiel».
Urographie hilft bei der Diagnose
Die rechte Niere, anfangs korrekt positioniert, begann langsam in Richtung Becken zu wandern. Dabei knickte der rechte Harnleiter ab. Normalerweise läuft der Urin von der Niere durch den Harnleiter in die Harnblase. Das funktionierte nun aber nicht mehr: Der Urin staute sich im Harnleiter und in der Niere, und die Patientin verspürte starke Schmerzen.
Die Schwellung im Bauch, die sie den Ärzten zuvor auf Fotos gezeigt hatte, entpuppte sich als Wanderniere. Nur zehn Prozent der Menschen mit einer Wanderniere – typischerweise junge, schlanke Frauen – würden davon Beschwerden bekommen, berichten die Ärztinnen in «The Lancet».
Weil die Symptome so heftig waren, entschied sich die Patientin für eine Operation. Mittels «Schlüssellochchirurgie» wurde ihre rechte Niere befestigt. Bei der Nachuntersuchung sechs Monate später war alles tipptopp. Die 30-Jährige konnte wieder arbeiten und trainieren – und ihre rechte Niere blieb dabei an ihrem Platz.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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