Laut NZZ herrscht in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg
Für Russland handle es sich um «ein von langer Hand vorbereitetes Drehbuch» seiner «neoimperialen Politik». Sein «Fixstern» sei die Ukraine.
Der Krieg dürfe auf keinen Fall «eingefroren» werden, «wie die Sozialdemokratie in ihrer Blauäugigkeit einen solchen Triumpf des Kreml nennt». Denn sonst, so fuhr Gujer fort, «bestimmt Moskau zum dritten Mal nach 1815 und 1945 das Schicksal Europas».
Es gehe darum, «das Kalkül Putins mit aller Macht zu durchkreuzen, damit er am Ende nicht als der grosse Stratege dasteht». In den Augen vieler seien autoritäre Regime den freien Gesellschaften sogar überlegen. Daraus schliesst Gujer: «Der Krieg ist auch ein Schaulaufen im grossen Konflikt der Systeme.»
Der «dämonische Zauber Putins» werde nur gebrochen, «wenn er eine unzweideutige Niederlage erleidet».
Laut Gujer herrscht in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg. Denn es gehe nicht nur um die Unabhängigkeit der Ukraine, sondern um die Verteidigung aller «freien Gesellschaften». Deshalb müssten diese die Ukraine logistisch und militärisch maximal untersützen und Russland mit kompletten Sanktionen destabilisieren. Bundeskanzler Scholz erwecke «mit seiner Zögerlichkeit den Eindruck, als fürchte er Putins Vergeltung. Und Präsident Macron ergehe sich in «Kraftmeiereien», denen keine Taten folgen würden. Es gehe jedoch darum zu zeigen, «dass der Westen stark ist und allen illiberalen oder autoritären Modellen überlegen ist».
NZZ am Sonntag: «Putins Marsch nach Westen – Evaluation eines Schreckensszenarios
Heute am 5. Mai doppelt die NZZ am Sonntag nach und verbreitet Angst. NZZ und NZZ am Sonntag haben beide bereits mehrmals kritisiert, europäische Staaten einschliesslich der Schweiz würden ihre Rüstungsausgaben zu wenig stark und schnell erhöhen.
Die Zwischentitel im Artikel lauten «Die Balten im Visier» und «Angriffsziel Polen». Es gäbe für Putin zwar «militärische Risiken», aber er könnte in Lettland und Estland «Aufstände orchestrieren». Kein Wort davon, dass es Russland im langen Krieg gegen die Ukraine nicht einmal gelungen ist, die einst russlandfreundliche Ostukraine ganz unter Kontrolle zu bringen. Der zweiseitige Artikel ist wie folgt illustriert:
Zwei Darstellungen
Putins Russland ist imperialistisch. Er wollte sich die Ukraine schon immer einverleiben. Als Nächstes wären die baltischen Staaten und Polen dran, wenn die NATO sie nicht verteidigen würde.
Das ist die verbreitete Darstellung der USA und der NATO. Über diese werden wir fast täglich informiert.
Und hier die andere Darstellung:
Die USA möchten Russland schon lange schwächen und von Westeuropa abkoppeln. Deshalb will sich die NATO an die Grenzen Russlands ausdehnen und dort Raketen stationieren. Seit dem russischen Angriff wollen die USA Russland lieber mit einem andauernden Krieg schwächen, als eine neutrale Ukraine zu akzeptieren.
Für welche Sichtweise die Fakten sprechen, wird kaum ernsthaft diskutiert. Wer Fakten für die zweite Sichtweise vorbringt, wird mit Etiketten wie «blauäugig» oder «russlandfreundlich» zum Schweigen gebracht:
- Als Putin gegen eine NATO mit Raketen an seiner langen Grenze mit der Ukraine wiederholt protestierte, wusste er die ganze Nation hinter sich. Denn das militärische Gleichgewicht würde ausgehebelt. Und die NATO/USA führten seit dem Zweiten Weltkrieg unter zweifelhaften Vorwänden mehrere Angriffskriege.
- Noch kurz vor seinem völkerrechtswidrigen Angriff liess Putin den USA und der NATO Vertragsentwürfe zukommen, die Sicherheitsgarantien auf beiden Seiten vorsahen. Zugunsten eines entmilitarisierten Korridors zwischen der NATO und Russland sollte die NATO auf militärische Aktivitäten auf dem Gebiet der Ukraine verzichten. (Links zu den Vertragsentwürfen wurden im Internet gelöscht.) Die NATO bezeichnete die Vorschläge als russisches «Ultimatum» und lehnte Verhandlungen ab.
- Einen Monat nach dem russischen Überfall einigten sich ranghohe Vertreter der Ukraine und Russlands in Istanbul auf die wichtigsten Bedingungen für einen Waffenstillstand. Nach Aussagen des ukrainischer Verhandlungsleiters ging es Russland in erster Linie darum, dass die Ukraine kein NATO-Land wird und militärisch neutral bleibt. Einen Beitritt zur EU lehnten die russischen Delegierten nicht ab (siehe Foreign Affairs: «The Talks That Could Have Ended the War in Ukraine»).
Die zweite Sichtweise rechtfertigt den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands nicht. Sie würde nur zeigen, dass der Krieg wahrscheinlich vermeidbar gewesen wäre.
Gegen diese Darstellung wenden sich die USA und die NATO mit geballter Propaganda. Geheimdienst und Think Tanks sorgen dafür, dass diese Sichtweise als unglaubwürdig dargestellt wird. Der «dämonische» und «imperialistische» Putin habe die Ukraine, die baltischen Staaten und Polen schon immer unter seine Herrschaft bringen wollen. Nur das Vordringen der NATO könne dies verhindern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Kaum zu glauben, das der Journalist der Zeitung eines neutralen Landes wie der Schweiz so etwas erzählen bzw. schreiben kann. Wie kann man die Tatsachen so verdrehen? Gibt es einen «Putins Marsch nach Westen» oder eine Ausdehnung der NATO nach Osten.? Hat 1815 oder 1945 Russland/Sowjetunion den Westen angegriffen oder haben sich Napoleon und Hitler eine blutige Nase geholt, als sie meinten, sich nach Osten ausdehnen zu müssen? Wer hat seitdem alle Verträge und Abmachungen gebrochen? Putin oder der Westen/NATO?. Was würden die USA machen, wenn Russland in Mexico Manöver stattfinden lassen würden und Raketen aufstellen würden, die in wenigen Minuten Washington erreichen könnten? Obwohl Putin schon oft erklärt hat, dass er einen Teufel tun wird und Polen oder die baltischen Staaten angreifen wird, weil er damit den NATO-Bündnisfall auslösen würde, glaubt man ihm nicht. Weil man damit die Angst der Leute schüren kann und Aktien der Rüstungsindustrie in die Höhe treiben kann.
Warum macht sich die NZZ zur radikalen Partei? Man kann nur rätseln, was die NZZ mit ihrem feingeistigen Chefredaktor antreibt, Denn Unausgewogen und ungenügend differenziert ist diese Art Kriegsbejahung auf jeden Fall.
Der Grund ist schon klar: Die NZZ ist vollständig in den Händen von freisinnigen Aktionären, und die FDP will in die EU und in die NATO.
Wenn es so weitergeht (Ukraine und Nahostkonflikt), droht der Westen zu implodieren. Tatsächlich konnte schon der 2. Welktrieg erst gewonnen als sich die freien demokratischen Gesellschaften mit ‹autoritärem› Notstands- und Kriegsrecht gegen die Nationalsozialisten und Faschisten zu wehren begonnen haben. Heute sind wir nur schon von der Diskussionen solcher Massnahmen weit entfernt. Statt dessen zerfleischen und spalten wir uns.
„Für welche Sichtweise die Fakten sprechen, wird kaum ernsthaft diskutiert“. Ja, dem kann ich zustimmen.
Welche Sichtweite hier nun stimmt, kann ich nicht wirklich erkennen. Auch hier werden Fakten mit Behauptungen zu Wahrheiten verwoben. Die Wahrheit liegt aber wohl, wie so oft, irgendwo dazwischen. Das wird hier nicht besprochen. Ob der Krieg wirklich hätte vermieden werden können, kann ich mit den vorliegenden Ausführungen somit wirklich nicht beurteilen, denn Fakten alleine sind ohne sorgfältige Diskussion in ihrem Kontext wenig aussagekräftig, und das ist auf wenigen Zeilen kaum/nicht machbar. Sie beweisen hier auf jeden Fall noch keine Ursache einer Kriegsverweigerung bzw. Kriegstreiberei. Warum haben die Protagonisten so gehandelt, wie sie es eben taten, wer hat warum, was, wann…..? ? ?
Die Aussage: „Die zweite Sichtweise rechtfertigt den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands nicht. Sie würde nur zeigen, dass der Krieg vermeidbar gewesen wäre“ verstehe ich deshalb nicht.
Die einseitige Berichterstattung überrascht immer wieder, mit keinem Wort nennt die NZZ, das Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj’s Präsidentsschaftsmandat abgelaufen ist und er sich nur dank dem Kriegsrecht, welches ebenfall am 14.5.2024 ablaufen wird, an die Macht hällt. Die treffenste Bezeichnung für so einen Herrscher dürfte wohl «Diktator» sein und hat nichts mit Demokratie zu tun.
Immerhin durften die Russen ihren Präsidenten wählen, egal ob es Stimmen gibt, welche behaupten es habe Wahlbetrug gegeben, denn niemand hat Beweise dafür erbracht.
Vielleicht waren die treffensten Worte die von Papsts Franziskus: „Frieden wird niemals mit Waffen geschaffen, sondern indem man die Hände ausstreckt und die Herzen öffnet“.
Danke für diese Klarstellung der beiden Sichtweisen auf diesen Konflikt. Sie zeigt auch, dass die NZZ von einer eigenwilligen Interpretation der geschichtlichen Tatsachen ausgeht. Hat Moskau 1918 und 1945 das Schicksal Europas bestimmt? 1918 in einem langen Bürgerkrieg? Nach 1945 durch Reparationmassnahmen in den damals besetzten Gebieten? Beide Male haben die USA das Schicksal Europas bestimmt, und sie tun es mit immer mehr Druck bis heute.
Die NZZ ist ein wichtiger Transmissionsriemen diese Druckes, auch für Deutschland. Nur die Gerichte stoppen dort noch die Kriegslust der Mainstream-Medien und einzelner Minister. Schon plant Deutschland den Durchmarsch der NATO-Truppen, um Russland «komplett zu destabilisieren». Sieht denn Herr Gujer nicht, dass diese aggressiven Vorbereitungen, die Sanktionen und andere isolierende Massnahmen Russland nur nützen und Europa schaden? Dieses Thema ist in Deutschland tabu, wird aber in den USA sehr wohl diskutiert. Ein Krieg um Europa nützt niemandem.
Es wird mir nie gelingen zu verstehen wie Menschen die einen intelligenten Eindruck machen, dazu kommen irrationale Szenarien zu verkünden. Bisher konnte noch niemand glaubwürdige Belege für angebliche Aussagen oder Handlungen Putins bezüglich Eroberung Europas liefern. Es scheint auch, dass diese Leute ihre Hausaufgabe, die Vorgeschichte des Ukraine Krieges realistisch zu analysieren, verpaßt haben, obwohl es genügend Expertenliteratur dazu gibt. Anstatt sich mit den tatsächlichen Aussagen Putins auf rationale Weise zu befaßen, sie in Relation zum wirklichen Geschehen zu stellen, wird er entweder lächerlich gemacht, oder verteufelt. Es wären nebst den Journlisten vor allem auch die Politiker, die wissen müssten dass ein Mann der ein grosses Land wie Russland regiert, ernst zu nehmen ist, nicht einfach als Lügner abgetan werden kann. Oder ist es vielleicht so, daß «unsere eigenen Leute» so selbstverstädlich unehrlich sind, daß sie davon ausgehen, dass ein Mann wie Putin gleich tickt?
Ignoriert man einmal, dass für viele hochgebildete, feinsinnige Bürgerliche wie Gujer der Feind genetisch stets im Osten steht, so bleibt eine monströse Fehleinschätzung dieses Redaktors, die die Fakten vollständig ignoriert und die Teufelsfratzenpropaganda der Gegenaufklärung betreibt: Russland ist nicht die UdSSR; es hat weder genug Truppen, noch genug Ressourcen, noch genug Wirtschaftskraft, um irgendwelche Länder zu erobern und nachher auch zu verwalten. Zu Gujers Geschichtsfälschung: der legendäre Suworow manövrierte 1799 waghalsig in der Schweiz und konnte erste so dringend benötigte Siege über die Franzosen erringen. 1815 gewann die Schweiz viele Vorteile: ihre Neutralität wurde bestätigt. Die großen Gewinner 1815 waren Preußen und Österreich, nicht Russland. Frei nach Bruno Kreisky: Lernen’s Geschichte, Herr Gujer!
Ich finde es hat unglaublich lange gedauert, bis auch die NZZ erkennt, bzw. zugibt, dass es sich um einen Stellvertreterkrieg handelt, bei dem die NATO bzw. die USA bis zum letzten Ukrainer kämpfen will. An der einseitigen Berichterstattung der NZZ hat sich dabei aber noch nichts geändert. Als langjähriger Abonnent der NZZ hätte ich eine sachlichere neutralere Berichterstattung erwartet. Nach vielen Jahren habe ich daher das Abonnenement nicht mehr verlängert.
Was kaum zur Sprache kommt: Russlands Führung hatte eine ziemlich falsche EInschätzung der militärischen und ideologischen Aufrüstung in der Ukraine und offenbar geglaubt, das Problem mit einem raschen (und möglichst unblutigen) Regime-Change in Kiew lösen zu können. Erst die «erfolgreiche» Gegenwehr hat aus der ursprünglich geplanten «militärischen Spezialoperation» einen grossen blutigen Krieg gemacht.
Es ist nicht nur ein Stellvertreterkrieg, auch ein Krieg ukrainischer Nationalisten gegen alles Russische, auch ein Versuch des russischen Regimes notfalls auch mit aller Gewalt möglichst viele Reste vom Zerfall der Sowjetunion die für Russlands Führung aus diesen oder jenen Gründen für wichtig erscheinen, für sich zu sichern.
Echter Frieden ist erst möglich, wenn bei ALLEN Kriegsbeteiligte ein Mindestmass an Einsicht in den eigenen Anteil dieses Irrsinns aufkeimt. Davon scheinen wir vorerst leider noch weit weg zu sein.
Welches Übel größer ist, ist da schon egal … 🙁
Möglicherweise mehren sich auch in der Ukraine selbst die Stimmen für Verhandlungen mit Russland. Reuters berichtet am 3.5.2024:
«General Skibitsky says he does not see a way for Ukraine to win the war on the battlefield alone. Even if it were able to push Russian forces back to the borders — an increasingly distant prospect—it wouldn’t end the war,» the magazine wrote.
«Such wars can only end with treaties, he says. Right now, both sides are jockeying for the ‹the most favourable position› ahead of potential talks. But meaningful negotiations can begin only in the second half of 2025 at the earliest, he guesses.»
Solche Nachrichten liest mensch in den deutschsprachigen Mainstreammedien erstaunlicherweise recht selten. Warum nur?
Für mich ist bezeichnend, dass der Redaktor der NZZ die Freiheit für sich in Anspruch nimmt. Er vertritt die «freie Welt» gegen das Böse. Das ist ein Fall von schwerer Schädigung der Wahrnehmung durch Ideologie. Es ist im Prinzip ein Glaubensbekenntnis, dem man mit Vernunft und Fakten nicht beikommt. Wir sehen einen Rückfall in die Zeiten der Glaubenskriege.