PFAS-Verbot, Recyclingpflicht und ein Ende der Rahmdeckeli
In sechs Jahren sollen alle Verpackungen in der EU recyclingfähig sein. Ketchup-Päckli und Rahmdeckeli wird es in der EU spätestens 2030 nicht mehr geben. Gemüse darf nicht mehr in Plastik verpackt werden, PFAS haben in Lebensmittelverpackungen nichts mehr zu suchen und die Hersteller müssen verpflichtende Mehrwegquoten erfüllen.
Das sieht die EU-Verpackungsverordnung vor, deren Entwurf im April vom EU-Parlament mit 476 zu 129 Stimmen deutlich angenommen wurde. Die Neuregelung der PPWR (Packaging & Packaging Waste Regulation) wird von vielen EU-Parlamentariern und Umweltverbänden als bahnbrechende Neuerung begrüsst. Während in der vierten Verhandlungsrunde zum UN-Plastikabkommen in Ottawa Ende April kaum etwas voranging, legt die EU damit einen detaillierten Gesetzesentwurf vor.
190 Kilogramm Plastikmüll pro Kopf
In Kraft treten wird die PPWR voraussichtlich Ende 2024 oder Anfang 2025. Noch muss der Europäische Rat zustimmen, was aber als Formalie gilt.
Das Ziel der Verordnung: weniger Plastikmüll und einheitliche Vorschriften in allen EU-Ländern. Wer in der EU wohnt, verursacht pro Jahr und Kopf rund 190 Kilogramm Verpackungsmüll – mit zunehmender Tendenz. In einzelnen Ländern wie Deutschland ist es noch mehr. Die Recyclingquote erhöhte sich in den vergangenen zehn Jahren aber kaum.
Kein Obst und Gemüse mehr in Plastik
Verpackungen sollen in Zukunft so klein und so wiederverwertbar wie möglich sein. Wenn das nicht möglich ist, dann wenigstens recycelbar. Die Europäische Union will Verpackungsmüll damit verbindlich reduzieren. Gegenüber 2018 um fünf Prozent bis 2030, um zehn Prozent bis 2035 und um 15 Prozent bis 2040.
Einiges darf ab 2030 gar nicht mehr in Plastik verpackt werden:
- Kunststoffverpackungen für frisches Gemüse und Obst bis 1,5 Kilogramm – also bei einem grossen Teil der Frischwaren im Supermarkt – wären spätestens 2030 nicht mehr erlaubt.
- Portionspäckli für Ketchup, Mayonnaise, Zucker, Butter oder Kaffeerahm, die nicht aus Papier bestehen, wären auch Vergangenheit.
- Dasselbe gilt für Einwegverpackungen, wie sie für Toilettenartikel wie Shampoo in Hotels üblich sind.
Ausnahmen gibt es für Medizinprodukte, Medikamente und für Verpackungen aus Holz, Wachs, Keramik und Gummi. Zum Beispiel für die Camembert-Holzschachtel, für die sich Frankreich eingesetzt hatte.
Weniger Gift in Dosen und Pizzaschachteln
Schädliche Chemikalien wie per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) oder Bisphenol A (BPA) sind ab 2030 in Lebensmittelverpackungen verboten. Diese Chemikalien werden heute verwendet, um Dosen zu beschichten oder Pizzaboxen wasser- und fettabweisend zu machen. Ausführliche Artikel zu PFAS und Bisphenol in Lebensmittelverpackungen finden Sie auf «Infosperber» hier, hier, hier und hier.
Weniger Luft im Päckli
Auch im EU-Versandhandel wird sich einiges ändern. Winzige Produkte, die in riesigen Paketen verpackt sind, sind ab 2030 nicht mehr zulässig. Das Päckli mit der Ware aus dem Internet muss dann mindestens halbvoll sein. Für die Recyclingfähigkeit der meisten Verpackungen gelten ebenfalls neue Anforderungen.
Mehr Abfalltrennung, Recycling und Dosenpfand
Um es Konsumentinnen und Konsumenten zu erleichtern, den Abfall zu trennen, müssen Hersteller in der EU Verpackungen bis spätestens 2030 einheitlich kennzeichnen. Wie genau, darüber wird noch diskutiert. Möglich wäre zum Beispiel ein QR-Code. Ein Pfandsystem für Einwegplastikflaschen und Aludosen, wie es in Deutschland gilt, soll schrittweise in der ganzen EU eingeführt werden.
Ab spätestens 2030 sollen Gastronomen Leitungswasser kostenlos oder günstig anbieten müssen. Mitgebrachte Behälter für Essensreste müssen sie dann auch akzeptieren. Wer Take-Away-Verpflegung verkauft, muss ein Zehntel davon in wiederverwertbaren Verpackungen anbieten.
Verpflichtend für alle EU-Mitglieder
Bisher gilt für Verpackungen in der EU eine Richtlinie. Die EU-Verpackungsverordnung ist – wie der Name sagt – eine Verordnung. Ihr Inhalt tritt in der ganzen EU einheitlich und gleichzeitig in Kraft, ohne dass die Länder noch Anpassungen machen können.
Formell ist das 18 Monate nach der Publikation im Amtsblatt der EU der Fall. Vorher muss der Rat der EU-Staaten, in dem die EU-Regierungschefs sitzen, den Entwurf noch billigen. Derzeit wird er in die Ländersprachen übersetzt. Verabschiedet wird die neue Verpackungsverordnung voraussichtlich nach der Europawahl, die Anfang Juni stattfindet, vom neuen EU-Parlament. Das formelle Gesetzgebungsverfahren der EU ist hier beschrieben – die PPWR ist in einem sogenannten Trilog entstanden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Mehr Aufmerksamkeit würde verdienen PFAS in der Landwirtschaft. Etwa via Pestizide und Klärschlamm (Dünger).
Kakaodrink mit einem Papiertrinkhalm, der in Plastikfolie verpackt ist, nervt jedes Mal, wenn ich einen kaufe. Schmeckt nach Karton, die Röhrchen kollabieren nach kurzer Zeit beim Ansaugen und was um Gotteswillen ist gewonnen, wenn aufwendig hergestelltes Papier beschichtet werden muss, um ein Trinkröhrchen darzustellen? Ich bin überzeugt, dass die Umweltbelastung weit höher ist bei vielen Karton- und Papierverpackungen für Lebensmittel. Der Gipfel des Unsinns: Karton laminiert mit Plastikfolie, darauf ein Stück Fleisch oder Käse, darüber eine Plastikfolie. Solche Verbundkartons kann und will keiner rezyklieren. Viel energieaufwendiger und umweltbelastender, als eine reine Kunststoffverpackung. Ein weiteres Beispiel für Symbolpolitik, die mehr schadet als nützt. Schafft endlich die dummen PET-Flaschen für kohlesäurehaltige Getränke ab, diese munden aus Glasflaschen weit besser. Auch Milch lässt sich bestens in braune Glasflaschen verpacken mit Lichtschutz, anstatt laminierter Bricks.