Uni Zürich gibt den Namen und Philip Morris hat das letzte Wort
Sogar wenn Sponsoring-Verträge, die Konzerne mit Universitäten abschliessen, offengelegt werden, bleibt oft im Dunkeln, wie sich die Sponsoren ihren Einfluss auf das Studien-Design und die veröffentlichten Forschungsresultate gesichert haben. Denn dies wird oft in Anhängen zu den Verträgen festgehalten, die unter Verschluss bleiben. Dank des Öffentlichkeitsgesetzes musste die Universität Zürich den Anhang zu einem Sponsoring-Vertrag freigeben, den die Universität mit dem Tabakkonzern Philip Morris abgeschlossen hatte.
Es ging um eine im Jahr 2014 von der Uni Zürich veröffentlichte Studie von Wirtschaftsprofessor Michael Wolf. Sie kam zum Schluss, dass die Umstellung auf neutrale Zigaretten-Verpackungen ohne Markenwerbung keinen Einfluss auf den Kauf von Zigaretten habe:
Vorher hatten mehrere Studien gezeigt, dass neutrale Verpackungen dazu beitragen, dass weniger Zigaretten gekauft und geraucht werden. Das erklärte Ruediger Krech, Tabakverantwortlicher der WHO.
Doch dank der Studie der Universität Zürich konnten Tabakkonzerne weiter behaupten, die Wissenschaft sei sich uneinig und die Wirkung neutraler Verpackungen sei umstritten und nicht klar bewiesen.
Mit dieser Studie, an der Professor Wolf federführend als korrespondierender Autor beteiligt war, gibt es allerdings zwei Probleme:
In der Studie geben die Autoren an, dass sie von Philip Morris bezahlt wurde. Laut Sponsoring-Vertrag von 2013 bezahlte der Zigarettenkonzern Philip Morris International PMI der Universität über 100’000 Franken dafür. «Die Universität Zürich hat für diese Studie von Philip Morris einfach ihren Namen und ihre Reputation gegeben; das war keine unabhängige Forschung», kritisiert Pascal Diethelm, Präsident der Antitabak-Organisation OxySuisse.
Was bisher nicht bekannt war, ist ein Anhang zum Sponsoring-Vertrag. Dieser ist jetzt dank des Öffentlichkeitsgesetzes publik geworden. Die Sendung «Temps présent» hat darüber berichtet. Der Anhang enthüllt, dass Philip Morris über die Realisierung der Studie das volle Sagen hatte. Philip Morris hatte Einsicht in jede Phase der Studie und konnte mitreden. Die Ausrichtung der Studie sollte sich nach den Interessen von Philip Morris richten («persuing from a PMI point of view»):
Wirtschaftsprofessor Michael Wolf, Co-Autor der Studie, sagte gegenüber RTS: «PMI hat unsere Forschung nicht beeinflusst. Unsere Unabhängigkeit wurde überhaupt nicht tangiert.» Und Wolf behauptete, seine Studie hätte «selbstverständlich auch veröffentlicht werden können, wenn das Resultat anders ausgefallen wäre».
«Ob und wie die Studie veröffentlicht wird, entscheidet Philip Morris»
Das war glatt gelogen. Denn PMI hätte die Publikation einer Studie, die bestätigt hätte, dass neutrale Packungen nützlich sind, verhindern können. Die letzte Klausel des Vertragsanhangs hat es in sich: «Ob und wie die Studie veröffentlicht wird, entscheidet PMI» («Whether the document will eventually be published and in which form shall be decided by PMI»).
Dazu erklärte Professor Dominique Sprumont, Präsident der kantonalen Ethikkommission für Forschung im Kanton Waadt: «Solche Vertragsklauseln sind unhaltbar.» Der Zweck solcher Studien sei es, «Zweifel zu säen – mit dramatischen Folgen».
Seit Ende der 1950er-Jahre war es das Ziel der Tabakindustrie, Zweifel zu säen und eine Kontroverse darüber zu entfachen, ob Rauchen Krebs verursacht. Das zeigen Dokumente, welche die US-Justiz 1969 veröffentlicht hatte.
Später ging es der Tabaklobby darum, Zweifel darüber zu säen, ob Rauchen auch Nichtraucher gefährdet. Heute sät sie Zweifel darüber, ob E-Zigaretten eine Einstiegsdroge zum Rauchen ist.
Die jahrzehntelange Strategie der Tabaklobby hat dazu geführt, dass die Parlamente und die Behörden Massnahmen gegen das Rauchen erst mit grosser Verzögerung einführten und noch heute – wie bei Werbeverboten – den Schalmeienklängen der Tabaklobby erliegen. Opfer dieser Strategie sind weltweit Millionen von Menschen, die süchtig wurden und an Folgen des Rauchens gestorben sind.
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Grosse Medien in der Deutschschweiz – ausser Zeitungen von CH-Media – haben über diese öffentlich gewordenen Vertragsklauseln zwischen Philip Morris und der Universität Zürich bisher nicht informiert. Die SDA ebenfalls nicht.
Ende 2014 hatte der Beobachter als einzige Zeitung darüber informiert, dass der Tabakkonzern eine vertragliche Mitsprache erhalten habe. Dass Philip Morris International PMI nicht nur mitreden, sondern sogar entscheiden konnte, ob und wie die Studie veröffentlicht wird, wusste der Beobachter damals noch nicht. Doch wies Thomas Angeli im Beobachter auf einen weiteren Punkt hin: «Bei Medienkontakten ging PMI jedoch auf Nummer sicher: Falls sich Journalisten an die Forscher wenden, sind diese vertraglich verpflichtet, Philip Morris darüber zu unterrichten, damit die Firma die Information ‹koordinieren› kann.»
Aus dem Infosperber-Archiv:
Mehrere Artikel zum tödlichen Treiben der Tabakkonzerne
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FDP-Ständerat Damian Müller blamiert sich im welschen Fernsehen. Obwohl er die Gesundheitskommission des Ständerats präsidiert, hilft er der Tabaklobby und gibt sich über die Risiken des Rauchens ahnungslos.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Auch die grossen Medienhäuser profitieren stark von der Tabakindustrie. Darum sind ihre Machenschaften und politischen Einflussnahmen kaum Thema.
Die Studie soll «keinen Unterschied» festgestellt haben. Mit geläufigen statistische Verfahren kann man die Nullhypothese prinzipiell (= logischerweise) nicht beweisen; nur die Abweichungshypothese lässt sich allenfalls bestätigen. Mit geeigneter Wahl von Alpha und der Stichprobengrösse kann man das Ergebnis sogar gezielt auf «Nichtunterschied» steuern. Diese Werte müsste man kennen und wenigstens die Power des statistischen Tests kennen resp. errechnen. Ich habe die Studie nicht gesehen. Könnte nicht der Leserschaft der Link zu dieser Studie mitgeteilt werden?
Die Studie ist im zweiten Absatz des Artikels verlinkt.
Danke für den Hinweis; hatte ich übersehen, sorry. Es handelt sich dabei leider nur um ein internes Working paper. Auf einen ersten Blick scheint die Studie statistisch sauber gemacht zu sein. Aber sie umfasste offensichtlich nur ein Jahr nach der Implementierung der neuen Verpackungsvorschrift. Da waren vielleicht noch viele alte Packungen in den Kiosks zum Verkauf. Überdies kann man zweifeln, ob in so kurzer Zeit ein signifikanter Effekt erwartet werden darf. Ist die Studie fortgesetzt worden? Und vor allem: Gibt es eine Publikation in einer peer-reviewten wissenschaftlichen Zeitschrift von einer Studie über eine längere Zeit hinweg?
Die Tabakkonzerne verbreiteten dieses 2014 veröffentlichte «Working Paper» als Studie, um nahezulegen, dass neutrale Packungen nichts bringen. Die Studie wurde nicht fortgesetzt und sollte auch nicht in einer Zeitschrift mit peer-review veröffentlicht werden. Sie hat ihrem Zweck gedient.
Danke, Herr Gasche! Dann kann ich nur sagen: Es bei dieser unveröffentlichten Mini-Studie zu belassen (und sie doch zu Handen der Politik zu streuen, halte ich für wissenschaftlich unseriös. Sorry für die Autoren Kaum und Wolf; ich kenne sie nicht.