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Viele Schweizer Finanzhäuser sind vom Treuhänder Ernst & Young abhängig. © pixabay

Treuhänder: Neues Klumpenrisiko am Finanzplatz Schweiz

Rico Kutscher /  Die Schweiz hat sich neben der Monsterbank UBS ein weiteres Risiko eingehandelt: Die Prüfungsgesellschaften. So warnt nun die RAB.

Wirtschaftsprüfung – das klingt langweilig, ist aber wichtig. Schliesslich soll die Branche dafür sorgen, dass in wirtschaftlichen Belangen alles mit rechten Dingen zugeht. So schafft man Vertrauen. Wer aber überprüft die Revisoren? Das ist die Aufgabe der Eidgenössischen Revisionsaufsichtsbehörde RAB. Diese wacht normalerweise über die Qualität von Schweizer Jahresrechnungen sowie Treuhändern.

Doch nun hat die RAB in Zusammenhang mit der Notfusion der Credit Suisse (CS) mit der UBS ein beachtliches Risiko für den Finanzplatz Schweiz ausgemacht. Faktisch ist diese Transaktion zwar nur der Ausgangspunkt der kritischen Überlegungen, aber tatsächlich verschiebt sich mit ihr auch das Gefüge im Schweizer Markt für Revisionsgesellschaften gewaltig.

So hat sie in ihrem jüngst vorgelegten Jahresbericht für das vergangene Geschäftsjahr 2023 festgestellt, dass der bekannte Treuhänder Ernst & Young (EY) nach Abschluss des Übergangs der CS zur UBS künftig ausnahmslos alle Finanzinstitute der Finma-Aufsichtskategorien 1 und 2, also der wichtigsten Unternehmen in diesem Bereich, prüfen wird. Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Denn nicht nur die Monsterbank UBS, sondern auch systemrelevante Geldhäuser, wie die Zürcher Kantonalbank ZKB oder die Postfinance, setzen auf den Treuhänder EY.

«Das ist marktseitig ein Klumpenrisiko und aus Sicht der Wissenskonzentration nicht optimal», heisst es denn in dem Bericht der RAB.

Assekuranz auch betroffen

Laut der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma fallen in diese Kategorien 1 und 2 «äusserst grosse, bedeutende und komplexe Marktteilnehmer» und «sehr bedeutende, komplexe Finanzunternehmen» mit sehr hohem beziehungsweise hohem Risiko für die Stabilität des Finanzsystems.

Doch nicht nur in der Bankenwelt scheint EY ziemlich gut etabliert» zu sein, sondern auch bei Versicherungskonzernen. Tatsächlich sind die Wirtschaftsprüfer von EY sowohl bei der Zurich Insurance Group als auch bei der Baloise im Einsatz – und das ist nicht alles. Denn auch die Schweizer Börse SIX lässt ihre Jahresrechnungen von EY auditieren.

Woher kommt das viele Personal?

Die fünf grössten Revisionsunternehmen, die alle über mehr als 100 zugelassene Revisionsmitarbeitende verfügen, führten im Jahr 2022 über den Schweizer Gesamtmarkt der eingeschränkten und ordentlichen Revisionsmandate hinweg insgesamt ein Fünftel sämtlicher Revisionsdienstleistungen durch. So gesehen ist die Tatsache, das PwC das Mandat der Credit Suisse verloren und EY künftig die riesige UBS alleine betreuen wird, eine einschneidende Veränderung. Vorausschauend sei die RAB schon seit Monaten in engem Kontakt mit allen, die am Übergang der Revision der CS von PwC auf EY beteiligt seien, heisst es im jüngsten Jahresbericht.

«Zu denken ist insbesondere daran, wie die EY AG das notwendige Personal und die nötigen Spezialisten für das deutlich grössere Revisionsmandat rekrutiert, erklärt die Aufsichtsbehörde dort ihre Bedenken in Bezug auf die Profiteurin der Entwicklung. Auf der anderen Seite sorgt sie sich, «wie die PwC AG umgekehrt einen zu grossen Verlust an Fachwissen im Bankenbereich verhindert». Braucht EY rasch neue Prüfer, könnte nämlich die Qualität leiden.

Ansteckungsgefahr für Finanzplatz

Dabei ist das Personalproblem wohl im Vergleich mit dem angeschlagenen Image nur das geringere Problem. Immerhin hat EY in Deutschland den börsenkotierten, inzwischen untergegangenen Zahlungskonzern Wirecard als Kunden betreut und dabei klar gegen Standesregeln verstossen. Immerhin hat das Revisionsunternehmen dabei Milliarden an Geld testiert, dessen Existenz inzwischen erheblich angezweifelt wird. Inzwischen kann in Deutschland kaum noch ein Unternehmen seinen Jahresabschluss von EY testieren lassen, ohne schief angesehen zu werden oder ohne in Erklärungsnot zu geraten.

Sollte dieses Phänomen auf die Schweiz überschwappen, geriete unter Umständen das Image des gesamten Finanzplatzes unter Druck. Tatsächlich machte das amerikanische Public Company Accounting Oversight Board noch im Jahr 2022 beachtliche Defizite bei Schweizer Treuhändern aus. Damals stand EY in Basel im Zentrum der Betrachtungen, wobei sie die gewünschten Qualitätsstandards vermissten bzw. beachtliche Schwachstellen ausmachten. Dies dürfte das Ansehen hierzulande nicht gerade beflügeln.

Auf dieser Basis sollten sich die Schweizer Finanzkonzerne wohl überlegen, ob sie aus Risikogesichtspunkten nicht umgehend zu einem anderen Treuhänder wie PwC, Deloitte, KPMG oder BDO wechseln sollten, statt sich auf EY zu verlassen.

Keine Entzerrung geplant

Die Monsterbank UBS hat diese Frage für sich bereits entschieden. In der Einladung zur nächsten Generalversammlung der UBS steht, dass der Verwaltungsrat die Wiederwahl von Ernst & Young AG, Basel, für das Geschäftsjahr 2024 als Revisionsstelle für die Konzernrechnung und die Jahresrechnung (Einzelabschluss) der UBS Group AG beantrage.

Dabei hätte gerade die UBS mit dem Wechsel zu einem anderen Wirtschaftsprüfer ein Zeichen setzen und zeigen können, dass sie nicht nur selbst ein Klumpenrisiko für den Finanzplatz Schweiz darstellt, sondern auch zur Diversifikation von Gefahren beiträgt.

Dieser Beitrag ist am 14. April 2024 auf muula.ch erschienen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Eine Meinung zu

  • am 30.04.2024 um 08:22 Uhr
    Permalink

    Einen grossen grossen Kundenkreis habt ihr vergessen: die Ausgleichskassen der AHV.
    Nein, die Eidgenössische Finanzkontrolle hat im Reich des BSV keine Kompetenzen, und man fragt sich warum. Ruft man im Internet den Jahresbericht der Ausgleichskasse des Kanton Bern ab, liest man von Photovoltaik und und Kantinen-Essen…

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