«Fett-weg»-Spritzen könnten statt 150 nur 20 Franken kosten
Die Produktionskosten von Medikamenten sind ein Geheimnis. Zwei Forscherteams haben versucht, den Schleier bei Arzneimitteln zu lüften. Sie konzentrierten sich dabei auf Medikamente, die gegen Diabetes oder zum Abnehmen eingesetzt werden. Der Wirkstoff Semaglutid beispielsweise wird gegen beides verwendet: schwächer dosiert gegen Diabetes und etwas höher dosiert gegen Übergewicht.
Die «Ozempic»-Spritze mit Semaglutid von Novo Nordisk gegen Diabetes kostet bei einer Behandlung in der Schweiz rund 90 Franken monatlich (Fabrikabgabepreis). Würde ein Hersteller nur die Kosten für die Entwicklung eines entsprechenden Generikums und für dessen Herstellung verlangen, plus einen Profit von 10 beziehungsweise 50 Prozent, könnten die Krankenkassen massiv Geld sparen. Der Fabrikabgabepreis läge dann nur bei etwa 80 Rappen bis 4,30 Franken pro Monat.
Das zeigen die Recherchen mehrerer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich in «Jama Network Open». Melissa Barber von der Yale University und ihre Kolleginnen verglichen dort, wie viel Geld Pharmafirmen für Diabetes-Medikamente in vier reichen und in neun Ländern mit mittleren Einkommen verlangten – und wie teuer die Herstellung wohl tatsächlich kommt.
Krankenversicherungen bezahlten über 80 Millionen Franken für Semaglutid
Die «Ozempic»-Spritzen wurden je nach Land im günstigsten Fall für umgerechnet 35 bis 304 Franken pro Monat verkauft. Ein Kilo des Wirkstoffs Semaglutid werde umgerechnet für etwa 64’500 Franken gehandelt, Tendenz seit 2020 sinkend.
Laut dem Helsana-Arzneimittelreport gaben die Krankenversicherer 2022 über 81 Millionen Franken für Semaglutid aus, ein Zuwachs von fast 57 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Monatsdosis bei den «Fett-weg»-Spritzen für weniger als 40 Franken
Die «Fett-weg»-Spritzen namens «Wegovy» mit Semaglutid werden in der Schweiz für rund 150 Franken (Fabrikabgabepreis) pro Monat verkauft. Seit dem 1. März 2024 bezahlt die Grundversicherung «Wegovy» unter bestimmten Voraussetzungen.
Würde ein Generika-Hersteller auch hier nur die Entwicklungskosten für das Generikum, dessen Herstellungskosten plus einen Gewinn von zehn Prozent beziehungsweise 50 Prozent verlangen, dann käme die Behandlung umgerechnet auf maximal 20 Franken monatlich zu stehen. Das errechnete «USA Today» anhand der Angaben in Barbers Bericht.
Ein britisch-südafrikanisches Wissenschaftlerteam kam letztes Jahr auf einen Preis von umgerechnet etwa 36 Franken monatlich für «Wegovy»-Spritzen – auch dies weit unter den hier zu Lande ausgehandelten Preisen. Es veröffentlichte seine Berechnungen im Fachblatt «Obesity».
Bis zu 39-mal mehr für künstliche Insuline
Ähnlich gross sind die Unterschiede bei Semaglutid-Tabletten, die mehr Milligramm des Wirkstoffs enthalten als die Spritzen. Die monatliche Dosis gegen Diabetes käme laut Barbers kosten-basierter Schätzung bei einem Generikum je nach Land auf umgerechnet 35 bis 66 Franken, wenn sich der Hersteller mit einer Gewinnmarge von 10 beziehungsweise 50 Prozent zufrieden geben würde. Tatsächlich aber verlangte Novo Nordisk in den verschiedenen Ländern – Stand Januar 2023 – mindestens 64 bis 582 Franken. Zu den von Barber untersuchten Hochpreisländern zählten beispielsweise die USA, Frankreich sowie Grossbritannien, zu den Ländern mit mittleren Einkommen unter anderem China, Brasilien, Indien, die Ukraine und Südafrika.
Auch die verschiedenen Insuline gegen Diabetes könnten viel günstiger sein. Bei den künstlichen Insulinen (sogenannte Insulinanaloga) etwa verlangten die Hersteller bis zu 38,9-mal mehr als die kosten-basierten Preise, wie sie Melissa Barber und ihre Kolleginnen errechneten.
Die Jahreskosten für Insulinspritzen aus einem nachfüllbaren Pen könnten sich demnach auf nur rund 87 bis 100 Franken belaufen – zwei- bis sechsmal weniger als die niedrigsten realen Preise in den untersuchten Ländern.
Rationieren – auf Kosten der Gesundheit
Barbers Modellrechnung beruhte aus Sicht der Wissenschaftlerinnen auf konservativen, also eher zu hohen Annahmen. Das zeigt sich bei den Preisen einiger Diabetes-Medikamente, die derzeit auf dem Markt sind. Diese sind sogar tiefer als die von Barbers Team geschätzten Kosten. Für Pens mit dem sogenannten Insulin NPH 70/30 etwa kamen die Wissenschaftlerinnen für eine Monatsdosis auf fast 30 US-Dollar – mehr als der niedrigste Verkaufspreis in Grossbritannien, Südafrika und Bangladesch betrug.
Regelrecht abgesahnt wird bei den Diabetes-Medikamenten hingegen in den USA: Die gleiche Behandlung kostete dort 453 Dollar. Aus Kostengründen rationieren inzwischen viele Menschen mit Diabetes in den USA teilweise ihre Insulindosis oder sie lassen einzelne Dosen weg (Infosperber berichtete). Glaubt man Barber, so betreffe dies eine von vier bis eine von sieben Personen, die auf Insulinspritzen angewiesen seien.
Wie die «Big 3» die Preise hochhalten
Über 90 Prozent des weltweiten Insulinmarkts seien in den Händen von drei grossen Firmen: Novo Nordisk, Eli Lilly und Sanofi. Es gebe zwar mindestens 40 Insulin-Hersteller – doch die meisten hätten Verträge mit diesen «Big 3». Nur schätzungsweise zehn Fabrikanten seien unabhängig, schreiben Barber und ihre Kolleginnen in «Jama Network Open». Patente, beispielsweise auf die Darreichungsformen wie Insulinpens, täten ein Übriges, um Konkurrenten den Marktzutritt zu erschweren. So würden die Preise hochgehalten, zum Leidwesen von Patientinnen und Patienten, die auf Insulin angewiesen sind, es sich aber nicht leisten können.
Um die Produktionskosten zu ermitteln, suchten sich Barber und ihre Kolleginnen die Informationen zusammen. Sie sprachen unter anderem mit früheren Mitarbeitenden der «Big 3», addierten die Kosten für den Wirkstoff, die Zusatzstoffe, die Spritzen und Nadeln, die Entwicklungkosten des Generikums, die Produktion etc. und schlugen eine Steuer von 25 Prozent plus einen Profit von jeweils 10 oder aber 50 Prozent drauf. Was die Wissenschaftlerinnen nicht berücksichtigten, waren Ausgaben für Pharmavertreter oder Kosten im Zusammenhang mit Rechtsverfahren.
Das britisch-südafrikanische Forscherteam unter Leitung von Andrew Hill von der Universität Liverpool ging ähnlich vor. Es kalkulierte einen Gewinn von zehn Prozent ein, berücksichtigte allerdings keine Kosten für Bau und Unterhalt von Produktionsstätten oder für Forschung und Entwicklung, wo gemäss den Pharmafirmen hohe Ausgaben anfallen.
Forschungskosten nicht berücksichtigt
Ein Mediensprecher von Novo Nordisk betonte gegenüber «USA Today», die Firma habe allein letztes Jahr fast fünf Milliarden US-Dollar in Forschung und Entwicklung investiert, dieses Jahr sei der Betrag noch höher.
Sowohl Novo Nordisk als auch Eli Lilly strichen zudem hervor, wie grosszügig sie Preisreduktionen gewähren würden, damit Bedürftige die wichtigen Medikamente erhalten. Eli Lilly gab laut eigenen Angaben im Jahr 2023 Arzneimittel im Wert von 4,3 Milliarden US-Dollar an wohltätige Organisationen ab.
Demgegenüber standen Gewinne von fast 15 Milliarden Dollar, wie «USA Today» anmerkt. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite von Eli Lilly lag in den vergangenen 28 Jahren bei 37 Prozent. Die von Novo Nordisk betrug im vergangenen Geschäftsjahr sogar sagenhafte 88 Prozent.
Mehr Geld ins Marketing als in die Forschung gepumpt
Andrew Hill und seine Kollegen bezweifeln die von Pharmafirmen oft vorgebrachte Rechtfertigung, dass die Entwicklung eines Medikaments bis zur Marktreife eine bis zwei Milliarden US-Dollar verschlingen würde. Diese Behauptung stamme «von einer kleinen, handverlesenen Auswahl von Befragten aus der Industrie» und die Daten, welche ihr zugrunde liegen würden, habe die Pharmaindustrie nie öffentlich gemacht, bemängeln sie. Es sei «äusserst schwierig und umstritten, die durchschnittlichen Kosten für Forschung und Entwicklung zu schätzen, die zwischen 3 Monaten und mehr als 30 Jahren liegen können.»
Überdies würden weder die enormen staatlichen Steuervergünstigungen, welche die Unternehmen für Forschung und Entwicklung erhielten, in dieser Rechnung berücksichtigt, noch, dass ein grosser Teil der Forschung von der öffentlichen Hand, von Universitäten, der WHO oder der Gates-Stiftung finanziert würde. Zudem beruhe die Schätzung auch auf der Annahme, welchen Gewinn die Unternehmen erzielten, wenn sie Geld anstatt in die Forschung in einen Fonds investierten, der über 15 Jahre hinweg jährlich um 11 Prozent zulegen würde, schreiben Hill und seine Kollegen in «Obesity». «Der absolute Betrag, der weltweit für Forschung und Entwicklung ausgegeben wird, ist zwischen 1995 und 2010 zwar gestiegen, aber die Umsätze der Pharmaunternehmen haben sechsmal stärker zugenommen, und die meisten Pharmaunternehmen geben zwischen dem Doppelten und 19-fachen mehr für Werbung und Marketing aus als für Forschung und Entwicklung.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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…und würde Zucker endlich besteuert statt subventioniert, würde der Staat, also würden wir, sparen und es gäbe nur noch einen Bruchteil an Diabeteskranken. Das ist schon seit Jahren bekannt und belegt. Trotzdem wählen wir regelmässig die gleichen Leute, die nichts dagegen unternehmen. Ich weiss, dass dies eine Unterstellung ist, nur ist es die einzige vernünftige Erklärung: diese Leute verdienen mit, und zwar mehr als alle sogenannten «Sozialschmarotzer», was sie ja dann aber genau zu solchen macht.
Nebenwirkungen: Übelkeit und Erbrechen Durchfälle, Kopf- und Magenschmerzen, Müdigkeit, Blähungen, Verstopfung und Symptome wie bei einer Magen-Darm-Grippe, Entzündungen der Bauchspeicheldrüse oder der Gallenblase und Gallensteine, die eine Operation erforderlich machen können, ernste allergische Reaktionen, Nierenversagen, Herzrasen, Unterzuckerung und Sehstörungen bei Menschen mit Diabetes Typ 2. Sobald Versuchsteilnehmende das Medikament absetzten, nahmen sie schnell fast das gesamte verlorene Gewicht wieder zu.
Hierzulande futtern die Leute im Durchschnitt das Doppelte von dem, was sie bräuchten und schmeissen noch einen Drittel weg. Und das, was sie essen, ist ungesund: zu viel Fett, zu viel Zucker und zu viel tierisches Eiweiss. Dafür bewegen sie sich immer weniger und sind immer mehr motorisiert unterwegs, was sich auch schlecht auf die Lebensqualität von uns allen auswirkt.
Und jetzt kommen Wissenschaftlerinnen ausgerechnet bei diesem, dem unnötigsten aller Produkte der medizinischen Industrie, auf die Idee, wie das noch billiger gemacht werden könnte.
Da könnte man ja glatt auf die Idee verfallen, die Forschung für eine gewisse Zeit vollständig still zu legen …