Hörgeräte «ab Stange» können armen Menschen helfen
Hörgeräte sind teuer. Sie kosten oft Tausende von Franken. Es gibt aber auch welche «ab Stange» für einige hundert Franken. Seit Oktober 2022 ist es in den USA erlaubt, Hörgeräte «over the counter» zu verkaufen. Die südafrikanische Wissenschaftlerin Karina De Sousa verglich zusammen mit Kollegen, wie gut ein solches Modell abschnitt. Sie erhofft sich insbesondere für hörbehinderte Menschen in armen Ländern von den Hörgeräten «ab Stange» eine Hilfe.
De Sousa und ihre Kollegen teilten 64 Erwachsene, die beidseits schlechter hörten, per Los in zwei gleich grosse Gruppen ein. Die erste Gruppe bekam für jedes Ohr ein Hörgerät namens «Lexie Lumen» und eine (englischsprachige) App fürs Smartphone, um diese Geräte selbst anzupassen. 66 Prozent dieser Personen hatten noch nie Hörgeräte getragen.
Der zweiten Gruppe passten geschulte Audiologen mit ausgefeilteren Tests an beiden Ohren die gleichen Modelle an und schulten die Versuchspersonen in der Handhabung. In dieser Gruppe hatten etwa 80 Prozent noch keine Erfahrung mit Hörgeräten.
Bei Bedarf wurde nach zwei Wochen nachjustiert oder es gab – für Gruppe 1 – Unterstützung durch ein Call Center. In der Gruppe, die sich die Hörgeräte selbst angepasst hatte, wünschten nur zwei Personen eine Nachjustierung. In der Gruppe, der die Hörgeräte von Fachleuten angepasst wurden, waren es fast zwei Drittel der Personen.
Unterschiede seien «klinisch nicht bedeutungsvoll» gewesen
Vor dem Experiment, nach zwei und nach vier Wochen unterzogen sich die im Durchschnitt rund 64 Jahre alten Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer jeweils Hörtests und füllten Fragebogen zu ihrem Hörvermögen aus. Mit den Tests wurde zum Beispiel geprüft, wie gut sie trotz Hintergrundgeräuschen gesprochene Sätze verstanden.
Die Versuchspersonen mit den selbst angepassten Hörgeräten waren nach sechs Wochen im Durchschnitt etwa ebenso zufrieden wie jene, denen die Hörgeräte von Audiologen angepasst worden waren. Punkto Hörvermögen schnitten sie gleich oder etwas schlechter ab. Die Unterschiede nach sechs Wochen seien «klinisch nicht bedeutungsvoll» gewesen, berichtete De Sousa in «Jama Otolaryngology-Head & Neck Surgery». Fazit: Nicht so teure Hörgeräte «ab Stange», die man selber anpassen kann, sind also nicht zum vornherein schlechter.
Sechs Wochen Beobachtungszeit genügen noch nicht
Es brauche aber noch eine längere Beobachtungszeit, um belastbarere Aussagen machen zu können, sagte De Sousa in einem Podcast von «Jama Otolaryngology-Head & Neck Surgery». Sie plane, die Versuchsteilnehmenden nach sechs bis acht Monaten erneut zu untersuchen. Die selbst-angepassten Hörgeräte seien nicht für alle Arten von Hörverlust geeignet, schränkte sie ein.
Ein Minus dieser Studie: De Sousa und zwei weitere der fünf Studienautoren erhielten Geld vom Hersteller. Er stellte auch die Hörgeräte zur Verfügung und lieferte Software-Unterstützung, um die Daten für dieses Experiment zu vervollständigen. Laut den Studienverantwortlichen habe er keinen Einfluss auf die Studie gehabt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wenn ich mir so ein Gerät richtig vorstelle, dann ist es im Wesentlichen ein Equalizer wie man den von den früheren HiFi-Anlagen her kennt, mit vielen Schieberegler für mehr Bass, und mehr Höhen. Die Rechenleistung (oder Analog-Elektronik) um damit auch noch «Noise Cancelling» zu bewerkstelligen, das dürften nur die teureren Geräte haben.
Aber hey, installier doch eine Equalizer-App auf deinem Telefon… noch viel günstiger geht das nicht. Und «Noise Cancelling» ist ja aktuell bei Kopfhörer sowieso in Mode: Wer sucht der findet.
Hörgerätebranche vermutlich wie Brillenbranche Riesenkluft zwischen 1) Zweckmässigkeit, Grundfunktionen, und 2) aufgeblasenem Kostenvolumen. Sprich ein Riesengeschäft zulasten der Kunden. Meines Wissens würde eine Brille bloss paar Franken kosten (Gläser und vor allem der allgemein so teure Rahmen), plus Dienstleistung wie Zentrierung (Abstand der Augen untereinander) und offenbar bloss ungefähre Schärfeneinstellung (jedenfalls mir kam das so vor im «Fachgeschäft», dass die Schärfeneinstellung eh «irgendwie» ist, punkto Abstand zwischen Augen und Buch).
Für Menschen in Grenznähe lohnt sich sicher der Blick ins Ausland. Ich habe mir für 2900 Euro ein solides (Schweizer) Hörgerät mit Dockingstation (kein Batteriewechsel, Laden über USB) und Streamingfunktion (Telefonate und Musik, auch Navigationssanweisungen direkt ins Ohr) angeschafft, das auch von der AHV/IV akzeptiert wird. Der Service für Probetragen verschiedener Modelle, das Messen und individuelle Anpassen und der anschliessende Betreuungsservice lässt nichts zu wünschen übrig.
Schlussendlich habe ich selber keine 1000 Franken dafür bezahlen müssen. Man sollte bei der AHV das entsprechende Merkblatt verlangen resp. herunterladen.