Children playing cooks

Spielsachen enthalten oft hohe Mengen schädlicher Stoffe, zeigen Tests regelmässig. In den letzten Jahren ist ihre Zahl sogar gestiegen. © Depositphotos

Spielzeug: Vor allem Online-Käufe enthalten Giftstoffe

Daniela Gschweng /  In Spielsachen stecken oft gefährliche Chemikalien, zeigen Stichproben. Doch die Gesetze und Kontrollen sind löchrig.

Die Auswahl an Kinderspielsachen ist riesig und regelmässig kommen neue Produkte hinzu. Spielschleim, Squishies und Memory-Sand wechseln sich mit den jeweils neuesten Spiel- und Plastikfiguren ab. Da ist Skepsis angebracht, ob das sinnvoll und gut fürs Kind ist.

Wenigstens chemisch gesehen ist es das oft nicht. Giftige und schädliche Spielzeugbestandteile sind seit Jahren ein Problem. In den letzten Jahren vermeldeten Behörden einen Anstieg gefährlicher Spielzeuge.

BUND kritisiert fehlende Überwachung von Chemikalien in Spielzeug

Vor allem im Internet gekauftes Spielzeug enthalte oft gefährliche Chemikalien, warnte der deutsche Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) im vergangenen Jahr. Spielwaren aus dem Internet könnten hohe Konzentrationen von Weichmachern wie Phthalaten, Nitrosamine, Bor oder das hormonaktive Bisphenol A enthalten.

Der Schweizer Spielwarenverband testete 2023 Spielzeug, das über die chinesischen Onlineplattformen Temu und Shein gekauft worden war – 15 von 18 Produkten fielen durch.

Auch im stationären Handel stehe es mit der Überwachung von Giftstoffen in Buntstiften, Spielschleim und Plastikpuppen nicht zum Besten, so der BUND. Die Kontrollen in Deutschland hielten mit dem riesigen Angebot schlicht nicht mit. Überdies sei die Koordination der verschiedenen Behörden nicht gut.

Von Knete bis Fingerfarben – Tests sind bestenfalls durchwachsen

Hinweise auf Giftstoffe in Spielwaren gibt es regelmässig. Es gebe mehr als 100 schädliche Stoffe in Plastikspielzeug, stellten Forschende der Technical University of Denmark und der University of Michigan beispielsweise vor drei Jahren fest. Es gebe keine Datenbanken über Chemikalien in Spielzeug und die Hersteller stellten in der Regel auch keine Informationen zur Verfügung

Das EU-Schnellwarnsystem EU Safety Gate, bei dem problematische Produkte gemeldet werden können, verzeichnete laut BUND während der letzten vier Jahre einen Anstieg gemeldeter gefährlicher Spielwaren um 30 Prozent. Spielzeug gehört damit zu den gefährlichsten Alltagsgegenständen in der EU. 2022 wurden laut BUND mehr als 200 Spielzeuge gemeldet, zwei Fünftel davon Plastikpuppen, 15 Prozent Spielschleim, 5 Prozent aufblasbares Spielzeug. Am häufigsten gefunden wurden Phthalate (Weichmacher) sowie Bor in Spielschleim. 90 Prozent der bemängelten Spielzeuge stammten aus China.

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Gesundheitsschädliche und verbotene Schadstoffe in 213 im Jahr 2022 gemeldeten Spielzeugen.

Das deutsche Magazin «Öko-Test», das regelmässig Gebrauchsgegenstände prüft, stellt in schönster Regelmässigkeit Probleme in Spielzeug fest. Zum Beispiel bei Wasserfarben (2009), Buntstiften (2019), Knete (2020, 2021), Wachsmalstiften (2019), Strassenmalkreide (2018), Bastelkleber (2021) und Fingerfarben (2013 und 2021).

Kuscheltiere schnitten 2016 bei Öko-Test und 2020 bei einer Prüfung durch die Stiftung Warentest sehr durchwachsen ab. Belastet sei teilweise sogar Holzspielzeug, fand ebenfalls die Stiftung Warentest im vergangenen Jahr.

Die Spielwarenindustrie wünscht sich mehr Kontrollen

Betroffen seien nicht nur Temu, Shein und AliExpress. Auch Online-Marktplätze wie Amazon und Ebay entzögen sich systematisch ihrer Verantwortung, sagt BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. Selbst die deutsche Spielwarenindustrie wünscht sich mehr Kontrollen. Nationale Lösungen brächten aber «rein gar nichts», so der Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie, Ulrich Brobeil.

Die Gesetze sind löchrig

Schon die Gesetzeslage ist löchrig. Als Spielzeug gilt beispielsweise «alles, was als Spielzeug designt wurde und für Kinder unter 14 Jahren vorgesehen ist», so der deutsche und der Schweizer Gesetzgeber, der sich an der EU-Gesetzgebung orientiert.

Nicht als Spielzeug betrachtet das Gesetz zum Beispiel die Einrichtung von Kinderspielplätzen, Sportausrüstung, Sammlerstücke, Elektronik oder Kinderschmuck. Letzterer kann grosse Mengen Nickel enthalten, was Allergien auslösen kann. Der Spielwarenverband Schweiz fand in einem Ring und einem Anhänger hohe Mengen Cadmium.

Warum sind Umweltchemikalien gerade für Kinder so gefährlich?

Kinder reagieren auf Chemikalien empfindlicher als Erwachsene. Zum einen, weil sie kleiner sind und weniger wiegen. Die relative Konzentration eines fremden Stoffes ist im Körper also höher. Und es kommt auch mehr davon im Körper an: Kinder haben einen schnelleren Stoffwechsel als Erwachsene, sie atmen schneller und haben eine dünnere und durchlässigere Haut. Kleine Kinder verbringen dazu einen Grossteil des Tages am Boden, wo sich viele Chemikalien am Hausstaub sammeln können.

Bei Kindern treffen Umweltgifte auf einen Körper im Wachstum. Hormonaktive Chemikalien können die kindliche Entwicklung empfindlich stören. Auch das neurologische System ist bei Kindern noch nicht voll ausgebildet und auch die Körperentgiftung funktioniert noch nicht ganz so gut wie bei Erwachsenen. 

Um welche Chemikalien geht es überhaupt?

Spielzeug kann oder muss eine ganze Reihe Chemikalien enthalten. Weichmacher wie Phthalate beispielsweise, die bis zu drei Fünfteln des Produkts ausmachen können. Dazu kommen Flammschutzmittel oder Farb- und Duftstoffe, die Allergien auslösen können. Produkteigenschaften wie sich ablösende Kleinteile können Kleinkindern ebenfalls gefährlich werden.

Was können Eltern und Konsument:innen tun?

Einige Chemikalien in Spielzeug sind reguliert. Verboten ist zum Beispiel die hormonaktive Chemikalie Bisphenol A in höheren Konzentrationen, bestimmte Phthalate, die als Weichmacher eingesetzt werden, sowie Farbstoffe, die viel Anilin enthalten.

Die deutschen Verbraucherzentralen, das Baltic Environmental Forum, das sich gegen die Verbreitung von Umweltchemikalien engagiert, und andere Expert:innen geben folgende Tipps zum Spielzeugkauf:

  • Billig ist meist nicht besser: Sehr günstiges Spielzeug ist häufig belastet und nicht ausreichend geprüft. Das gilt erst recht für günstige Produkte aus dem Onlinehandel.
  • Vertrauen Sie Ihren Sinnen: Wenn ein Produkt sich fettig und klebrig anfühlt, einen starken oder auffälligen Geruch verströmt, wenn Sie Fehler wie scharfe Kanten entdecken – lassen Sie die Finger davon. Stark riechende und parfümierte Produkte können ausserdem Allergien auslösen.
  • Informieren Sie sich bei einschlägigen Medien wie Stiftung Warentest, Öko-Test, K-Tipp, Beobachter und Ähnlichen.
  • Siegel: Achten Sie auf Siegel wie das GS-Zeichen, FSC (Forest Stewardship Council) oder den Blauen Engel (deutsches Umweltlabel). In Deutschland gibt es auch das «Spiel gut»-Zeichen, das strenge Kriterien anlegt. Das CE-Zeichen bezeichnet die EU-Konformität, ist in der Schweiz nicht vorgeschrieben und kein Prüfsiegel. Es wird zudem häufig missbraucht oder gefälscht.  
  • Weniger ist mehr: Kinder in westlichen Ländern besitzen der Regel etwa 18 Kilogramm Plastikspielzeug. Von einigen «Dauerbrennern» abgesehen, wird beim Grösserwerden auch häufig ausgetauscht. Regeln wie «wenn etwas Neues dazukommt, muss etwas Altes gehen» können helfen, die Zahl der Spielzeuge und damit die potenzielle Chemikalienbelastung kleiner zu halten.
  • Achten Sie auf altersgerechtes Spielzeug und lassen Sie Kinder nicht zu lange mit Dingen spielen, die kein Spielzeug sind, wie zum Beispiel Handys.
  • Spielzeug im Bett: Kinder haben ihr Lieblingsspielzeug nachts gerne bei sich. Die stundenlange Nähe, Wärme und Kinderspeichel sorgen aber eher dafür, die Chemikalienabgabe zu erhöhen. Wenn es das Lieblingsspielzeug ist, hilft natürlich rein gar nichts. Aber vielleicht genügt auch jede zweite Nacht. Die Lieblingspuppe kann dann so lange woanders Abenteuer erleben.
  • Vorsicht mit «Erbstücken». Spielzeuge werden über Jahre oder Generationen weitergegeben. Doch älteres Plastikspielzeug ist oft höher belastet. Gesetze und Grenzwerte sind in der Vergangenheit stetig verschärft worden. Darauf verlassen, dass giftige Chemikalien mit der Zeit «ausdampfen», sollte man sich nicht. 

Ein umfangreicher Ratgeber, aus dem einige dieser Tipps entnommen sind, findet sich auf der Seite der deutschen Verbraucherzentrale. Der «Beobachter» hat Tipps für den Onlinekauf.

Älteres kritisch prüfen. Und Lego-Steine sind unbedenklich

Die gute Nachricht: Es gibt auch Ausnahmen – zum Beispiel die beliebten Lego-Steine. Der Kunststoff Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), aus dem sie gefertigt sind, ist unbedenklich. Auch die Farben, die in älteren Klötzen teilweise viel Cadmium enthielten, sind seit 1981 schadstofffrei.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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