ExxonMobil packt gegen «Klima-Aktivisten» den Hammer aus
Erst der kleine Hedge-Fund Engine No. 1, dann die niederländischen Klima-Aktivisten von «follow this» und schliesslich die «guten Kapitalisten» von Arjuna Capital – sie alle kauften sich in der jüngeren Vergangenheit als Kleinaktionäre beim amerikanischen Erdölriesen ExxonMobil ein und wollten den «schmutzigen» Konzern von innen heraus zum Besseren in ihrem Sinne verändern.
«Wenn Sie wollen, dass Öl- und Gasunternehmen ihre Treibhausgasemissionen im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens reduzieren, ihre Milliarden für erneuerbare Energien statt für fossile Brennstoffe ausgeben und neu entdeckte Öl- und Gasvorkommen im Boden belassen, dann werden Sie <Grüner Aktionär> und bestimmen Sie mit über die Zukunft der Öl- und Gasindustrie», heisst es zum Beispiel auf der Website der Graswurzelbewegung aus Amsterdam.
Das Management von ExxonMobil hat die Nase voll
Sie wollen die Mechanismen des kapitalistischen Systems nutzen, um es zu verändern, indem sie an den Generalversammlungen ihre Stimmen erheben, Anträge eingeben, entscheidende Stellen besetzen oder einfach nur durch Überzeugungsarbeit an Einfluss gewinnen wollen. Engine No.1 war mit seinen Anliegen vor drei Jahren bei ExxonMobil mit einem geringen Aktienanteil von 0.02 Prozent erstaunlich weit gekommen, bevor sie im vergangenen Jahr die Strategie gewechselt hat.
Auch «follow this» wollte seine Begehren auf Basis einer Aktienbeteiligung im Wert von etwa 4000 Dollar zurückziehen, sobald sich der Widerstand des kapitalkräftigen Energieriesen abzeichnete. Aber offensichtlich hatte das Management von ExxonMobil Anfang des Jahres genug von solchen Nadelstichen und kündigte schon Ende Januar eine inzwischen erneut bestätigte Klage gegen Aktivisten aus den Niederlanden und gegen Arjuna Capital an. In dieser heisst es, ihre Klimapetition verstosse gegen die amerikanischen Wertpapiervorschriften.
Das Kräftemessen zwischen dem grössten Energiekonzern der westlichen Welt und aktivistischen Investoren folgt auf eine Vielzahl von Aktionärsanträgen zu einer Reihe von Umwelt-, Sozial- und Governancethemen in den vergangenen Jahren. Tatsächlich schien so etwas wie eine neue Bewegung im Rahmen eines breiteren gesellschaftlichen Disputs über den Sinn und Unsinn so genannter ESG-Investments entstanden zu sein. Auf der einen Seite befinden sich jene, die auf direktem Weg für eine umweltfreundlichere, sozialere und gerechtere Welt sorgen wollen.
Auf der anderen stehen Unternehmensriesen wie ExxonMobil, die sich von den «politisch motivierten Interventionen» gegängelt fühlen, wie sie argumentieren. Der Konzern reichte beim Bezirksgericht in Nordtexas Klage ein und argumentierte, die Forderungen von «follow this und Arjuna seien «von einer extremen Agenda getrieben» und zielten darauf ab, «den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen». Nach Ansicht von Exxon verstösst der Vorschlag gegen die Vorschriften der Börsenaufsicht SEC, die eine Wiederholung von Anträgen, welche eine bestimmte Stimmenzahl nicht erreichen, verbieten. Das soll Anleger daran hindern, das operative Geschäft zu beeinflussen.
Wen wird es also überraschen, dass die Firmenwelt genau beobachtet, wie sich die Dinge in diesem Fall weiter entwickeln werden. Immerhin spielt das Management des Energiekonzern mit Hauptsitz im texanischen Houston seine Macht voll aus, indem es erstens ein Anwaltsteam zusammengestellt hat, zu dem der ehemalige Leiter des texanischen Büros der SEC sowie ein ehemaliger Generalstaatsanwalt in der Regierung von Donald Trump gehören. Zweitens will es offensichtlich das Gleichgewicht der Macht zwischen Unternehmen und «rebellischen» Anlegern grundlegend verschieben. Je teurer die Urteile für sie werden, desto stärker würden sie künftig überlegen, ob sie sich auf solche Abenteuer einliessen, so die Logik.
Der Konzern spielt seine Macht aus, um abzuschrecken
ExxonMobil dagegen kann die Verfahrenskosten gewissermassen aus der Portokasse begleichen. Schliesslich hat das Unternehmen im vergangenen Jahr mit 36 Milliarden Dollar den zweithöchsten Jahresgewinn in gut zehn Jahren eingefahren. Dank der robusten Energienachfrage hat es seine Stellung unter den wohlhabendsten und bestverdienenden Unternehmen Nordamerikas gefestigt. Es spielt in der Liga von Technologieriesen wie Apple, Microsoft, der Google-Muttergesellschaft Alphabet und einigen anderen mit.
Kritiker mögen zwar bedauern, dass dem so ist. Auf der anderen Seite stehen realistische Argumente, wonach die Welt wohl trotz aller Bemühungen um den Aufbau alternativer Energiequellen noch jahrzehntelang auf die Versorgung mit konventionellen Brennstoffen angewiesen sein wird. Wer entsprechende Investitionen behindert, treibt deren Preise und letztlich die Erträge der «Energiesaurier» in die Höhe – auch wenn sich der politische Furor gegen die Ölindustrie aus diesem Grund in jüngerer Zeit von Berlin bis Washington und darüber hinaus verschärft hat.
So einigten sich auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen Ende vergangenen Jahres in Dubai mehr als 190 Regierungen auf die Abkehr der Welt von Kohle, Erdöl und Erdgas. Europa will die zulässigen Methanemissionen von Erdöl und Erdgas schon ab 2030 begrenzen. Faktisch wird die Energieversorgung auch bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA ein wichtiges Thema sein. Im Januar hat die Regierung Biden das Genehmigungsverfahren für neue Anlagen für den Export von verflüssigtem Erdgas praktisch eingefroren und damit Umweltgruppen zufrieden zu stellen, die Präsident Biden drängen, die boomenden Erdgasexporte des Landes einzudämmen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.