In den Google-Büros ist der Spass vergangen – auch in Zürich
«Hallo zusammen – ich bin auf der Suche nach einer neuen Führungsposition im technischen Bereich und würde mich über Ihre Unterstützung freuen. Ich danke Ihnen im Voraus für alle Verbindungen, Ratschläge oder Möglichkeiten, die Sie anbieten können» – so oder so ähnlich machen sich in diesen Tagen Personen bemerkbar, die noch vor kurzem glaubten, als gut bezahlte Google-Mitarbeiter ihren interessanten Job und das Leben geniessen zu können.
Sie dürften aus allen Wolken gefallen sein, selbst wenn Google-Chef Sundar Pichai schon vor einem Jahr angekündigt hatte, den Suchmaschinenriesen effizienter machen und gezielt Stellen streichen zu wollen. Er hat diese Ankündigung nicht nur umgesetzt, sondern im Januar dieses Jahres trotz boomender Aktienkursentwicklung des Mutterunternehmens Alphabet noch einmal nachgelegt und weitere Massnahmen ähnlicher Art angekündigt.
Eine neue, harte Erfahrung für «Schweizer Googler»
«Wir haben ehrgeizige Ziele und werden in diesem Jahr in unsere grossen Prioritäten investieren», hatte er in einem internen Memo mitgeteilt. «Die Realität ist, dass wir harte Entscheidungen treffen müssen, um die Kapazitäten für diese Investitionen zu schaffen», hiess es dort weiter mit der scheinbar beruhigenden Ergänzung: «Diese Stellenstreichungen haben nicht das Ausmass der letztjährigen Kürzungen und sie werden nicht jedes Team betreffen». Tatsächlich hatte Google im vergangenen Jahr weltweit rund 12 000 Stellen bei den Teams in den Bereichen Hardware, Anzeigenverkauf, Suchmaschine, Shopping, Maps, Policy, Core Engineering und YouTube gestrichen – ein paar hundert davon auch in Zürich.
Das war und ist für die «Schweizer Googler» eine neue, harte Erfahrung, nachdem der Standort Zürich jahrelang unaufhaltsam gewachsen war. Möglicherweise zu schnell: «Google hat in den vergangenen Jahren einfach viel zu viele Leute eingestellt in der Hoffnung auf den grossen Boom. Die müssen jetzt wieder weg, da dieser ausgeblieben ist, und immer mehr Produkte zusammengestrichen werden», heisst es zum Teil selbstkritisch.
Sicher scheint dagegen, dass die Google-Belegschaft inzwischen ziemlich verunsichert ist. Die Entlassungen hätten Projekte verlangsamt, weil viele Angestellte in diesen Tagen stundenlang versucht hätten, herauszufinden, welche Arbeitsgruppen betroffen seien und wer der Nächste auf der «Abschussliste» sein könnte, erklärten Betroffene anonym. Längst ist auch das früher gerne verbreitete Image verblasst, Google sei eine «Tüftlergemeinschaft», in der man Spass haben könne und in der Kreativität und unkonventionelles Denken gefördert würden.
Inzwischen geht es offensichtlich darum, «im Rahmen des normalen Geschäftsablaufs» die entstandene Bürokratie durch den Abbau ganzer Management-Ebenen zu entschlacken, sich auf die operativen Prioritäten zu konzentrieren und Finanzmittel für die heftigen Investitionen in die Weiterentwicklung der Methoden der künstlichen Intelligenz freizusetzen. Auf dieser Basis mag sich die Stimmung im Internetkonzern zwar aufgrund «der chaotischen Reorganisation» verschlechtert haben. Auf der anderen Seite ist die Anzahl der gesamten Mitarbeiter in den vergangenen Monaten gerade einmal um etwa vier Prozent auf knapp 183’000 Mitarbeiter zum Ende des vergangenen Jahres zurückgegangen.
Ein Albtraum für die Mitarbeiter – und für das Image des Konzerns
In der Schweiz richtete ein Google-Mitarbeiter gemäss Medienberichten eine interne Informationsmöglichkeit für seine Kolleginnen und Kollegen ein, um den Stellenabbau zu verfolgen, da das Unternehmen selbst kaum kommuniziert. Sie sei zu einer wichtigen Informationsquelle geworden, zusammen mit den allgemeinen Nachrichten, den Neuigkeiten in den sozialen Medien und der altmodischen Gerüchteküche im Büro, heisst es. Dieser Albtraum vertieft die Kratzer am Image des Unternehmens. Den meisten Google-Mitarbeitern ist inzwischen die Lust vergangen, Ideen ausserhalb ihrer regulären Arbeit zu verfolgen, die sie eigentlich überzeugend finden.
Das sei ein bedauerlicher Wandel, denn das, was einen zu Google gebracht habe, sei Leidenschaft gewesen, formulieren Einzelne ihre Enttäuschung. Auf der anderen Seite zeigt diese Entwicklung wohl nur, dass Google das «Geek-Image» ablegt und sich mehr und mehr in einen normalen Technologiekonzern mit monopolistischen Gewinn-Interessen verwandelt. Und im Technologiebereich mag es zwar aufgrund des laufenden Wandels zwar immer wieder einmal zu Entlassungen kommen, wie in jüngerer Zeit. Aber langfristig zeigt der Trend am Schweizer Arbeitsmarkt in diesem Bereich nach oben. Gab es vor etwa 30 Jahren gut 25 000 Jobs in der Informationstechnologie und den entsprechenden Dienstleistungen, so hatte sich diese Zahl bis Endes September des vergangenen Jahres fast verfünffacht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Das sind halt amerikanische Methoden, die wir nicht mit den unseren vergleichen kann, auch wenn Google ein Standbein in Zürich hat.
Der Mensch ist leider nur Mittel zum Zweck und nicht anderes!
In allen privatwirtschaftlichen Betrieben ist der Arbeiter Mittel zum Zweck. Leider merken das die Betroffenen erst, wenn sie entlassen werden. Und viele wollen es nicht mal dann wahr haben. Mythen sind eben stärker als die Ratio. Hat Herr Blocher schon vor 60 Jahren gewusst.
Bleiben wir stets realistisch. Unser aktuelles Wirtschaftssystem befindet sich auf der Intensivstation. Es ist höchste Zeit, handwerkliche Berufe zu fördern. Geerdete Menschen erzeugen bessere, ideologiefreie Ideen.