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Eigentlich eine Poststelle – für die Post sind es aber gleich drei «Zugangspunkte» aufs Mal: Postparc in Bern. © Marco Diener

Die Post schönt die Zahlen zum Filialnetz

Marco Diener /  Baut die Post ihr Netz aus? Fast könnte man es meinen. Wenn man den Zahlen der Post glauben würde.

«Mit immer neuen Zugangspunkten baut die Post das Dienstleistungsnetz für eine moderne Schweiz aus.» Das schreibt die Post im Geschäftsbericht 2022. Nur: Stimmt das auch?

Einst 4100 Poststellen

Ältere Infosperber-Leser und -Leserinnen erinnern sich bestimmt noch an eine Schweiz mit einem wirklich dichten Poststellennetz. 1970 betrieb die Post noch 4100 Poststellen. Heute sind es weniger als 800.

Trotzdem behauptet die Post, sie habe «4968 Zugangspunkte». Wie sie darauf kommt? Sie zählt alles Mögliche zusammen:

  • Die Poststellen: Sie bieten alle Dienstleistungen an.
  • Die Postagenturen: Die Post nennt sie schönfärberisch «Filialen mit Partner». Dabei sind es meistens Läden mit einer kleinen Postnische. Bareinzahlungen und Auslandzahlungen sind nicht möglich.
  • Die Hausservices: Wo es weder Poststellen noch Postagenturen gibt, springt der Briefträger ein. Doch auch er kann bei weitem nicht alle Dienstleistungen anbieten.
  • Die My-Post-24-Automaten: Diese Automaten dienen im Wesentlichen als Abhol- und Aufgabestellen für Pakete. Sie stehen häufig neben einer Poststelle.
  • Die My-Post-Services: Damit sind beispielsweise Blumenabteilungen in Migros-Filialen gemeint. Dort können Postkunden ebenfalls Pakete abholen und aufgeben.
  • Die Geschäftskundenstellen: Die Post zählt auch die Geschäftskundenstellen als «Zugangspunkte». Meistens sind das einfach Schalter in einer normalen Poststelle. Für Private haben sie keinerlei Nutzen.

Die Post addiert also alles Mögliche: Poststellen, Automaten, Briefträger und Migros-Filialen. So kommt sie auf ihre «4968 Zugangspunkte».

In seinem Geschäftsbericht 2022 stellt der Staatsbetrieb sogar in Aussicht: «Bis 2024 will die Post die Zahl der Zugangspunkte (…) auf über 5000 erhöhen.» Dabei bietet nicht einmal mehr ein Sechstel dieser angeblichen «Zugangspunkte» den vollen Service – nämlich die knapp 800 Poststellen.

Postkommission rechnet anders

Die Eidgenössische Postkommission (Postcom), die laut Postgesetz «die Einhaltung des gesetzlichen Auftrages zur Grundversorgung» überwacht, rechnet strenger. Sie orientiert sich primär an den «bedienten Zugangspunkten». Das sind Poststellen und Postagenturen. Ihre Zahl hat in den letzten zehn Jahren um über 200 abgenommen:

JahrPoststellenPostagenturenTotal
201316625692231
202377012432013

In ihren Jahresberichten hielt die Postcom von 2013 bis 2020 Jahr für Jahr praktisch wörtlich fest: «Im Vergleich zum Vorjahr ist eine Abnahme festzustellen.» Seither wählt sie die Worte anders. Der Befund bleibt aber der Gleiche: «Die Abnahme an bedienten Zugangspunkten setzte sich im Berichtsjahr fort.»

Plötzliche Zunahme

Die Post schönt die Zahlen aber weiter. Sie rechnet nicht mehr nur Hausservices, My-Post-24-Automaten, My-Post-Services und Geschäftskundenstellen zu den «Zugangspunkten». Seit 2019 gilt für die Berechnung der Anzahl Hausservices auch eine neue Berechnungsmethode. So stieg die Zahl der Hausservices damals auf einen Schlag von 1341 auf 1786.

Unbenannt
Auf einen Schlag über 400 Hausservices mehr – dank neuer Berechnungsmethode.

Dabei ist die Berechnung der Anzahl Hausservices ohnehin fragwürdig. Wenn eine Poststelle oder eine Postagentur, die zwei Ortschaften bedient, aufgehoben und mit einem Hausservice ersetzt wird, dann zählt dieser zwei Mal – ein Mal für die eine Ortschaft und ein Mal für die andere. So verdoppelt sich die Zahl der «Zugangspunkte», obwohl der Service schlechter wird.

Plus 42 Prozent? Oder minus 10 Prozent?

Was alles als «Zugangspunkt» zählt, ist äusserst wichtig für die Darstellung der Leistungen, welche die Post erbringt. Nach den Daten der Postcom hat die Zahl der bedienten «Zugangspunkte» in den letzten zehn Jahren um 10 Prozent abgenommen (obere Tabelle). Nach den Daten der Post hat die Zahl der bedienten und der unbedienten «Zugangspunkte» im gleichen Zeitraum um 42 Prozent zugenommen. (untere Tabelle).

Eine Post = drei «Zugangspunkte»

Wie absurd die Berechnungen der Post sind, zeigt das Beispiel der Berner Hauptpost. Früher hiess sie ganz einfach Schanzenpost. Heute heisst sie grossspurig Postparc. Früher war sie einfach eine Poststelle. Heute sind es nach der Arithmetik der Post drei «Zugangspunkte». Denn der Postparc beherbergt neben der eigentlichen Poststelle auch eine Geschäftskundenstelle und einen My-Post-24-Automaten.

Und der Postparc in Bern ist kein Einzelfall. Vier weitere Beispiele:

  • In Sitten hat es an der Place de la Gare vier «Zugangspunkte» in drei benachbarten Gebäuden: Eine Poststelle, eine Geschäftskundenstelle, einen My-Post-24-Automaten und einen My-Post-Service in der Migros.
  • In Arbon TG sind es an der Stickereistrasse drei Zugangspunkte: Eine Poststelle, eine Geschäftskundenstelle und ein My-Post-24-Automat gleich gegenüber.
  • In Zürich hat es an der Eduard-Imhof-Strasse drei «Zugangspunkte» unter einem Dach: Eine Geschäftskundenstelle, einen My-Post-24-Automaten und einen My-Post-Service – aber keine Poststelle und auch keine Postagentur.
  • Und auch in Chur hat es an der Gürtelstrasse drei «Zugangspunkte» unter einem Dach.

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2 Meinungen

  • am 8.02.2024 um 16:23 Uhr
    Permalink

    Also ich finde die Schliessung von Post-Filialen nicht schlimm. Zumindest mich betrifft es nicht so sehr. Wenn ich auf eine Poststelle muss dann erledige ich das meistens wenn ich sonst schon irgendwie unterwegs bin. Daher ist es für mich kein zusätzlicher Aufwand. Zudem wird unsere Gemeinde schon seit Jahren mit dem Hausservice abgedeckt. Dies ist fast besser, da ich für meine Anliegen nicht separat in eine Filiale muss. Der Hausservice sollte aber Flächendeckend angewendet werden da ältere Menschen meistens nicht mehr mobil sind.
    Wir können nicht nur jammern wenn alles teurer wird wir müssen auch Kompromissbereit sein.
    Verbesserungen bei der Post sehe ich bei der Zustellung. Bei uns kommt der Pöstler wann er gerade Lust hat, dies ist ärgerlich wenn man den Hausservice nutzt. Ein weiteres Problem sind eingeschriebene Briefe bei denen einfach einen Zettel in den Briefkasten geworfen wird und meistens wird nicht einmal ein Zustellversuch unternommen. Das muss ich dann extra abholen.

    • am 9.02.2024 um 23:19 Uhr
      Permalink

      Ihr Kommentar ist am Thema vorbei. Es geht darum dass die Post die Zahlen schönt, indem sie nicht mehr Poststellen, sondern Zugangspunkte zählt. Als nächstes werden wohl Postbriefkästen als Zugangspunkte definiert. Und dann private Briefkästen..

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