Schuhmarke On: NZZ kritisiert «moralische Überhöhung»
NZZ-Wirtschaftsredaktor Thomas Fuster hat den Nachhaltigkeitsbericht von On genau angeschaut. In seinem Artikel zitiert er daraus: Wichtig sei, so der Nachhaltigkeitsbericht, «die Förderung der Gleichberechtigung und Würdigung der Diversität – wo immer wir arbeiten, spielen und uns bewegen».
Und weiter: «Die Rettung des Planeten ist ein Mannschaftssport. Und das hört nicht bei uns auf. Wir arbeiten leidenschaftlich gerne mit lokalen Gemeinschaften zusammen, stellen unsere Produktionspartner ins Rampenlicht.»
«Produktionspartner» stehen tatsächlich im Rampenlicht
Im Rampenlicht stünden die «Produktionspartner» in der Tat, stellt Fuster fest. Wenn denn überhaupt von Partnern gesprochen werden kann. Der K-Tipp deckte nämlich aufgrund von Zolldokumenten am Beispiel des Tennisschuh-Modells «The Roger Advantage» auf, dass der Hersteller in Vietnam gerade mal 17.86 Franken erhält.
Im Online-Shop on-running.com kostet «The Roger Advantage» 190 Franken. Natürlich muss On davon auch noch Frachtkosten und Zollgebühren sowie die Schweizer Mehrwertsteuer bezahlen. Doch letztlich bleibt eine Traummarge von 156.28 Franken übrig. Das sind über 82 Prozent des Verkaufspreises. Infosperber berichtete darüber.
«Keine Erfindung von On»
Nun ist die NZZ nicht unbedingt für ihre Kapitalismuskritik bekannt. Folgerichtig schreibt Thomas Fuster: «Als Ökonom fragt man sich, wo hier das Problem sein soll. Produkte in fernöstlichen Schwellenländern herzustellen, um sie dann in kaufkräftigen Industrieländern teuer zu verkaufen, ist kaum eine Erfindung von On, sondern das Geschäftsmodell zahlloser Firmen.»
Ein bisschen überrascht ist Fuster aber darüber, «dass On den vietnamesischen Herstellern gemäss ‹K-Tipp› deutlich weniger zahlt als etwa Adidas oder Puma». Aber die Firma habe ihr Handwerk ja auch nicht bei Hilfsorganisationen gelernt, sondern bei Beratungsfirmen wie McKinsey.
«…wenn die vietnamesische Näherin nichts davon spürt»
Trotzdem, findet Thomas Fuster, habe On «ein Imageproblem»: «Es ist das Auseinanderklaffen zwischen der Firmenpolitik einerseits und der moralischen Überhöhung des eigenen Tuns andererseits. Die zwei Dinge passen bei On nicht zusammen.»
Er zieht den Schluss: «Es nützt wenig, in Missions-Statements hehre Worte, Menschenrechte und sozialen Impact zu betonen, wenn die vietnamesische Näherin nichts davon spürt. Und es nützt wenig, sich in Medien als bodenständig zu geben, wenn das Top-Management allein 2021 einen Lohn von 17 Millionen Franken kassierte – pro Person.»
Und: «Solche Löhne und die Aktienverkäufe nach dem Börsengang haben der Firma ein Abzocker-Image eingebracht.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wenn sich etwas moralisch sehr Fragwürdiges ereignet, dann ist die NZZ schnell zur Stelle um zu erklären, dass das Problem eigentlich gar kein Problem sei. (Auch der Corona-Masken-Wucher der Emix-Kids damals war ja kein Problem.) Es gibt in der Wirtschaft kein moralisch verwerfliches Handeln, es gibt nur Image- oder Reputationsschäden. Das tatsächliche Problem: Was man mit Blick auf den Frühkapitalismus als Ausbeutung bezeichnet, wurde von den Gewerkschaften allmählich auf erträgliche Dimensionen zurückgestutzt. Die Arbeiterinnen in Vietnam haben diese Möglichkeit nicht. Sie haben die Möglichkeit zu uns zu migrieren, wo man sie dann als Wirtschaftsflüchtlunge beschimpft und wieder rauswerfen möchte. Handlungsweisen wie diejenige von On haben eben doch soziale Konsequenzen.
Sprichwort: ‚Mach es gut, so hast du Neider, mach es noch besser, so wirst du diese beschämen‘.
Der Konsument braucht On Schuhe nicht zu kaufen wenn es ihm nicht passt. Ich kaufe On weiterhin weil ich sie bequem finde, bequemer als alles was ich bisher von einer Vielzahl von Konkurrenten gekauft hatte.
Sie haben völlig recht. Dass die On-Manager das hundert- bis tausendfache der Näherinnen in Vietnam verdienen, braucht Sie ja nicht zu kümmern. Oder vielleicht doch – spätestens dann, wenn sich diese Leute Richtung Europa / Schweiz in Bewegung setzen, weil sie auch ein Stück von diesem Kuchen möchten. Dann werden Sie vielleicht sagen: das sind keine richtigen Asylbewerber, nur Wirtschaftsflüchtlinge.
Als Unternehmensgründer im Lebensmittelgrosshandel bin ich sehr wohl der Meinung, dass jeden in der Wertschöpfungskette das Wohl der anderen Ketten(mit)glieder etwas angeht. Aber ich bin eben auch kein Marktfundamentalist.
Mir war bereits in der Vergangenheit die Selbstdarstellung von On aufgefallen, die ich eher als übertrieben und nicht als Synonym für Qualität empfunden habe. Als ob sie das Rad neu entdeckt haben wollten und ich fragte mich, wie die Verkaufspreise, die ich als prohibitiv bezeichnen würde, gerechtfertigt waren. Jetzt weiß ich es, wenn ich das Gehalt der Geschäftsführung sehe. Aber wer lässt sich so blenden und kauft solche Produkte?
Vor Jahrzehnten, in einer meiner Weiterbildungen, hatte uns ein Wirtschaftsdozent eine unglücklich formulierte Aufgabe gestellt, zu der ich scherzhaft bemerkte: «Aber wer ist schon so dumm, so etwas zu diesen Bedingungen zu kaufen». Ich werde nie seine Antwort vergessen, die mehr oder weniger lautete: «Sie als Tessiner sollten es besser wissen! – womit er freundschaftlich eine angeborene Gerissenheit der Tessiner andeutete – «Jeden Tag stehen eine Menge dummer Leute auf. Sie müssen nur dasselbe tun, aufstehen und sie aufspüren!»