Trump vor historischem Triumph als Präsidentschaftskandidat
upg. «Trump wird einen Triumph erzielen in einem Ausmass, wie es im historischen Vergleich ungewöhnlich ist.» Zu diesem Schluss kommt NZZ-Redaktor Andreas Rüesch in einer übersichtlichen Analyse des Vorwahlsystems. Im Folgenden das Wichtigste:
Selbst ein Sieg am heutigen 23. Januar im kleinen Bundesstaat New Hampshire werde Haley nicht viel nützen. Die Vorwahl-Regeln sind zwar in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich. Es gibt nur noch wenige Bundesstaaten wie South Carolina, wo die Siegerin oder der Sieger sämtliche Delegiertenstimmen des Bundesstaates für sich bekommt. In den meisten anderen Bundesstaaten werden die Delegiertenstimmen proportional zum Abschneiden der Kandidatinnen und Kandidaten verteilt.
Allerdings in den meisten dieser Bundesstaaten mit einer folgenschweren Ausnahme: Wenn eine Kandidatin oder ein Kandidat über 50 Prozent der Stimmen erhält, bekommt er sämtliche Delegiertenstimmen dieses Bundesstaates.
Seit sein Konkurrent Ron DeSantis aus dem Rennen ausgestiegen ist, stehen sich ernsthaft nur noch Trump und Haley gegenüber. Dies macht es Trump viel einfacher, über 50 Prozent der Stimmen zu erhalten und dann sämtliche Delegiertenstimmen zu bekommen. Rüesch am 22. Januar in der NZZ: «Eine Simulation der Vorwahlen unter der Annahme, dass Trump jeweils im Verhältnis von 60:40 Prozent gewinnt, ergibt folgendes Resultat: Trump käme dann bis zum ‹Super Tuesday› [am 5. März] auf knapp 1000 Delegierte, Haley nur auf etwa 150. Es wäre ein uneinholbarer Rückstand. Die Republikanerin müsste aufgeben.»
Derzeit sei Haley in keinem dieser Bundesstaaten in der Lage, mehr als 50 Prozent der Stimmen zu erhalten. Am ehesten könnte Haley dies in Colorado schaffen, weil die dortige Justiz Trump von den Wahlzetteln gestrichen hat. Allerdings könnte dies der Supreme Court noch rückgängig machen.
Fazit von Andreas Rüesch:
- «In der jetzigen Konstellation wird Trump spätestens am 5. März als Sieger dastehen und sich ungefähr am 19. März auch formal die Mehrheit der Delegiertenstimmen gesichert haben. […] Trump könnte sogar einen eigentlichen Vorwahlkantersieg erringen, mit Erfolgen in sämtlichen Gliedstaaten. In der Geschichte der beiden Grossparteien ist dies – abgesehen von wieder antretenden Präsidenten – noch nie jemandem gelungen. Es wäre, ohne Trumpsche Übertreibung, ‹really huge›.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Die Anti-Trump-Propaganda der letzten Jahre – ich bin kein Trump-Fan und würde ihn nicht wählen – ist nach hinten losgegangen, weil es kein gutes Gegenangebot für die Wähler gibt. Je mehr Trump verteufelt wird, desto populärer wird er auch. Das gleiche passiert gerade mit der AfD in Deutschland – auch die würde ich persönlich nie wählen, verstehe aber warum Leute es tun – je mehr öffentliche Prügel, Abwertung, hysterisches Geschrei desto besser die Umfragen. Hier ist es das gleiche Muster: kein Gegenangebot, Ignoranz der Probleme, die sich nur mit Taten und nicht mit Propaganda lösen lassen. Das musste früher schon die späte DDR-Führung allzu bitter lernen. Es bringt auf lange Sicht nichts, den Gegner nur niederzuagitieren; irgendwann müssen realpolitische Taten, die einem Problem abhelfen können, folgen. Trump profitiert vom Gegenwind und von der rhetorischen Haltlosigkeit seiner Gegner; dagegen nimmt sich seine geradezu zahm aus.
Naja, in den USA erleben sie das gleiche Dilemma wie in Deutschland. Der Erfolg Trumps und der AFD ist gleichzusetzen, oder die Reaktion, auf die katastrophalen Leistung der amtierenden Regierungen. In beiden Ländern kann der Triumph nur noch durch Gerichtsverfahren gestoppt werden. Ob dies aber Handlungsmuster von funktionierenden Demokratien sind, wage ich zu bezweifeln. Eher denke ich zeigt dies, wie weit sich die Politikerkaste von der normalen Gesellschaft entfernt hat.
Dieses „the-winner-takes-it-all“ System verhindert, dass kleine Mehrheiten als Zünglein an der Waage ohne demokratisches Gewicht politische deals erzwingen, die die constituents der viel grösseren Mehrheiten nicht wollen.
Das ist die Unsitte in in den europäischen Parlamenten, die nach dem Proporzsystem bestückt werden und die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie beschädigen – und u.a. auch Grund für die seit Jahren beschämend tiefe Stimm- und Wahlbeteiligung ist.