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Fentanyl, ein synthetisches Opioid, sorgt in den USA für grosses Leid. Zwei Milligramm - die Menge auf dieser Bleistiftspitze - können einen Menschen töten. Neuere Drogen sind noch stärker. © DEA/Wikimedia Commons

Suchtexperten warnen vor neuen Opioiden – Erste Tote in England

Daniela Gschweng /  In den USA sind Fentanyl und Co. längst gefürchtet, in Europa – noch – eine Randerscheinung.

Die Opioid-Krise in den USA fordert weiterhin zahlreiche Menschenleben. Zwischen Juli 2021 und Juni 2022 starben mehr als 100’000 Menschen an einer Überdosis. Dabei geht es längst nicht mehr um Schmerzmittel wie Oxycontin, die – legal verschrieben – Tausende abhängig machten. Die meisten Todesfälle gehen inzwischen auf das synthetische Opioid Fentanyl zurück. Fentanyl ist als Schmerzmittel zugelassen, wird aber oft in Drogenlaboren hergestellt und ist bis zu 100-mal stärker als Heroin.

Schon zwei Milligramm Fentanyl – eine Menge, die auf eine Bleistiftspitze passt – können einen Menschen umbringen. Allein die beschlagnahmte Menge reiche aus, um die gesamte Bevölkerung der USA zu töten, teilte die Drug Enforcement Administration (DEA) vor einem Jahr mit. Und es könnte noch schlimmer kommen. Abhängige konsumieren auch neue, unbekanntere synthetische Drogen.

Uraltes Schmerzmittel macht eine ungute Karriere

Anfang Dezember warnte die «Washington Post» vor Opioiden aus der Klasse der Nitazene. Die Schmerzmittel wurden einst vom Schweizer Chemieunternehmen Ciba entwickelt und wegen einer opioidspezifischen Eigenschaft nie zugelassen: Alle Opioide verlangsamen die Atmung. Je stärker ihre schmerzlindernde Wirkung, desto mehr. Nitazene wirkten in Tierversuchen zwar gut gegen Schmerzen, waren für den Menschen aber zu gefährlich.

Vor einigen Jahren tauchten sie auf dem illegalen Markt wieder auf. Erste Warnungen in Fachkreisen gab es vor etwa zwei Jahren. Momentan sind 10 bis 15 verschiedene Nitazene auf dem Markt. Nitazene sind um ein Vielfaches wirksamer als Fentanyl. Isotonitazen sei bis zu 100-mal potenter, schreibt die «Deutsche Apotheker Zeitung», andere Nitazene sind nur 10- bis 20-mal so stark. Ein idealer Stoff, um die Wirkung anderer Drogen damit zu «verstärken». Und eine grosse Gefahr, da Abhängige selten wissen, was genau sie konsumieren.

Seit 2019 wurden mindestens 749 Todesfälle registriert, bei denen die Nitazene eine Rolle spielten. Vermutlich seien es mehr, weil selten darauf getestet werde, schreibt die «Washington Post». In die USA gelangten sie über den Onlinehandel aus China, gibt die Zeitung unter Bezug auf ein Gerichtsverfahren in Florida an.  

Lebensbedrohlich: Gegenmittel wirken schlechter

Es gibt Hinweise darauf, dass das lebensrettende Medikament Naloxon bei Nitazen-Überdosierungen weniger anschlägt. Naloxon hebt die Opioidwirkung im Körper für etwa 30 Minuten auf und kann einen Atemstillstand aufhalten. Bei einer Nitazen-Überdosis wird die doppelte bis dreifache Dosis wie bei einer Fentanyl-Vergiftung benötigt und es dauert länger, bis sie wirkt.

Wenn der US-Markt gesättigt sei, verlagere die Drogenmafia das Geschäft in andere Länder, warnte US-Aussenminister Anthony Blinken im Juli bei der Gründung eines internationalen Bündnisses zur Bekämpfung der Opioid-Krise. Dabei forderte er über 80 Länder zur Zusammenarbeit auf.

Um die Opioid-Welle einzudämmen, hatten sich sogar die USA und China geeinigt. Die Ausfuhr von Fentanyl aus China ist seit 2019 verboten. Derzeit wird die Droge in illegalen Labors in Südamerika und Mexiko hergestellt und in die Vereinigten Staaten geschmuggelt. Im November vereinbarten China und die USA Massnahmen, um auch die Ausfuhr von Fentanyl-Ausgangsstoffen einzuschränken. Ob auch von anderen Substanzen die Rede war, ist nicht bekannt.

Erste Todesfälle in Grossbritannien

In der Schweiz seien Fentanyl und Co. noch kein Thema, berichtete die NZZ im April. Bei Funden handle es sich um Einzelfälle. Im Fokus stünden eher Opioide wie Codein aus Hustensaft oder das Schmerzmittel Tilidin. Zudem sei die Nachfrage nach Opioiden hier weit geringer als in den USA, eine Opioid-Epidemie mit vielen Abhängigen habe es hierzulande ja nicht gegeben. Auch in Deutschland sei Fentanyl bisher nur vereinzelt nachgewiesen worden.

Es gibt Anzeichen, dass sich das ändern könnte. Grossbritannien gab im Juli eine nationale Warnung aus, nachdem es innerhalb kurzer Zeit mehrere tödliche Überdosen gegeben hatte, bei denen Nitazene eine Rolle spielten.

Auch der Europäische Drogenreport warnt vor neuartigen Drogen, zu denen neben synthetischen Opioiden wie Fentanyl und Nitazenen noch andere Substanzen gehören, wie das in den USA bereits gefürchtete Xylazin. Das gebräuchliche Beruhigungsmittel für Tiere verstärkt Opioid-Effekte. Xylazin ist als «Tranq» oder «Zombiedroge» bekannt und verursacht hässliche Fleischwunden, bei denen Gewebe abstirbt. Es findet sich als Beimischung vor allem in Fentanyl. Bei einer Überdosis hilft Naloxon nicht.

Was in Europa geschieht, hängt derzeit von Afghanistan ab

Das in Europa am häufigsten konsumierte Opioid ist nach wie vor Heroin. Die Verbreitung von Fentanyl und anderen synthetischen Opioiden beschränkt sich laut dem Report derzeit auf einige baltische und nordeuropäische Länder, ihre Verfügbarkeit nehme jedoch zu.

Die Situation könne sich schnell ändern, wenn das Heroin-Angebot zurückgeht, warnt nicht nur der Europäische Drogenreport. Dealer könnten versuchen, den Verdienstausfall durch andere Stoffe auszugleichen. Vor allem durch solche, die einfach und günstig herzustellen sind. Abhängige könnten auf neue Opioide umsteigen. In Ländern, in denen dies wenigstens zeitweise der Fall war, stieg die Zahl der Drogentoten steil an.

Fachleute blicken mit Sorge auf Afghanistan, wo die Taliban-Regierung 2022 den Anbau von Schlafmohn verboten hat. Der Grossteil des weltweit gehandelten Heroins stammt von dort. Mindestens ein Jahr dauert es, bis die letzte Ernte auf den Markt kommt. Ob die Taliban das Verbot durchsetzen können und wie es sich auf den Markt auswirken wird, ist noch unklar. Möglich ist beispielsweise, dass Bauern wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage weiter auf Opium setzen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

Drogen

Drogen verbieten oder legalisieren?

Der Drogenkrieg ist ein Fiasko, sagen die einen, keine weiteren Drogen neben Alkohol und Tabak die andern.

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2 Meinungen

  • am 30.12.2023 um 10:45 Uhr
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    Die Opiumproduktion in Afghanistan wurde doch überhaupt erst angekurbelt, damit die Islamisten dort für ihre US-amerikanische Unterstützung bezahlen konnten. Vorher wurden dort kleine Mengen für den Eigenbedarf produziert. Und nun soll es wiederum schlecht sein, diesen Anbau einzustellen? Ist doch eigenartig wie im Westen immer irgendwer anderer fürs eigene Elend verantwortlich gemacht wird. Wir erinnern uns: die Briten setzten Opium als Waffe gegen das chinesische Kaiserreich ein, das als Bezahlung für seine Produkte nur Silber akzeptierte. Eine ständig steigende Masse an chinesischen Opiumsüchtigen musste aber mit Silber für das Opium aus Britisch-Indien bezahlen – das begehrte Silber floß dank dieses menschenverachtenden Tricks wiedern den Briten zu. Am Schluss gab es Krieg und China wurde gedemütigt und kolonialisiert. Die Gesellschaft wurde damals vom Opium wie von Säure förmlich zersetzt, ganze Familien ins Elend gestoßen.

  • am 30.12.2023 um 13:42 Uhr
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    Da gibt’s nur eines: klaren Verstand behalten, möglichst clean bleiben und «Trips» auf andere Art und Weise generieren (falls das jemand braucht).
    Hände weg von allen Pillen und Pülverchen, bei denen man nie weiss, was genau sie enthalten!

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