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Rohstoffabbau für saubere Energie verursacht oft Schäden © Resource Centre

Schweiz fällt mit unsauberem Bergbau für saubere Energie auf

Markus Mugglin /  Das Geschäft für die grüne Wende ist oft «schmutzig». Vorne dabei sind Firmen aus China und der Schweiz. Widerstand regt sich.

China oder die Schweiz, Glencore oder China Minmetals – die beiden Unternehmen und die beiden so ungleichen Länder stehen in einem Wettstreit der unrühmlichen Art, obwohl es um eine gute Sache geht. Im Geschäft mit den Rohstoffen für die grüne Energiewende fallen sie am häufigsten negativ auf. Das legt der vom «Business und Human Rights Resource Centre» publizierte «Transition Minerals Tracker» offen.

Er registriert seit 2010, wer und wo beim Bergbau von Kobalt, Kupfer, Lithium, Mangan, Nickel und Zink die Umwelt schändet, Wasser verschmutzt, Mineure schlecht behandelt, Menschenrechtsaktivisten bedroht und verfolgt, die Rechte indigener Völker verletzt oder mit Korruption das Geschäft schmiert.

Glencore mit Spitzenplatz an Negativmeldungen

Glencore rangiert im «Transition Minerals Tracker» für die Periode 2010 bis 2022 auf der wenig ruhmreichen ersten Position. Der Rohstoffgigant wird mit «70 Anschuldigungen unterschiedlicher Art in Verbindung gebracht und damit im zweiten Jahr in Folge mit mehr Fällen als alle anderen Unternehmen.» Für das Jahr 2022 verweist der Bericht auf die Milliardenbussen, welche die USA und Grossbritannien wegen Bestechungsgeldern in mehreren afrikanischen und südamerikanischen Ländern verhängt hatten.  

Zur Spitzengruppe der Unternehmen mit negativen Vorfällen gehört auch die in Zug domizilierte Solway Group. Sie geriet in die Schlagzeilen wegen Umweltverschmutzung, Korruption und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung im Umfeld einer Nickelmine in Guatemala.

Nach Glencore wird am zweithäufigsten über die Praktiken von China Minmetals geklagt. Zu den Unternehmen mit den meisten negativen Vorfällen gehören auch die Grupo Mexico, die chilenische Codelco und die US-amerikanische Freeport McMoran. Nach Ländern aufgeschlüsselt steht China am schlechtesten da, gefolgt von der Schweiz und Kanada.

Seit 2010 hat der Tracker weltweit insgesamt 510 Vorfälle registriert. Mehr als die Hälfte davon in Lateinamerika, vor allem in Peru und in Chile. Mit der Demokratischen Republik Kongo folgt das erste Land Afrikas vor den zentralamerikanischen Ländern Guatemala und Mexiko. Am häufigsten werden die Interessen der indigenen Bevölkerungen übergangen, sehr oft Menschenrechtsverteidiger bedroht, Umweltschäden angerichtet, besonders häufig Wasser verschmutzt.    

«Es sei Zeit», stellt der «Tracker» fest, im Bergbau für die Energiewende Sorgfaltsprüfungspflichten bezüglich der Menschenrechte und des Umweltschutzes zu verankern. Denn noch immer führe nur eine Minderheit der Rohstoffunternehmen Menschenrechtsabklärungen durch.

Schweizer Diplomatie wird aktiv

Der Ruf nach verbindlichen Auflagen für die Rohstoffunternehmen wird zwar nicht gehört. Dass die Situation im Bergbau für eine grüne Wende kritisch ist, anerkennen neuerdings aber viele Länder. Auch die Schweiz scheint sich dessen bewusst zu sein. An der im März letzten Jahres in Nairobi durchgeführten 5. Umweltkonferenz der Vereinten Nationen initiierte sie zusammen mit Argentinien, der Demokratischen Republik Kongo, Ghana und Senegal eine Resolution zu den Umweltaspekten des Managements von Mineralien und Metallen. Die Erklärung betont die «Notwendigkeit verstärkter Massnahmen zur Unterstützung des umweltverträglichen Managements von Mineralien» entlang des gesamten Lebenszyklus von der Gewinnung bis zum Ende der Nutzungsdauer. Die Konferenz startete einen von der Schweiz und Pakistan gemeinsam geleiteten zwischenstaatlichen Prozess.

Die EU hat im März ein Gesetz zu «kritischen Rohstoffen» vorgelegt, mit dem sie die Versorgungssicherheit bei den Rohstoffen für den ökologischen und digitalen Wandel stärken will. Anfang September fanden in Genf das «World Resources Forum 2023» und das «Unep-Intergovernmental Meeting on Minerals and Metals» zum Thema nachhaltige Beschaffung von Rohstoffen statt. Ebenfalls im September lud die Internationale Energieagentur IEA zu einem internationalen Gipfeltreffen über «kritische Mineralien und saubere Energie» nach Paris ein, nachdem sie in einem Bericht die grossen Unsicherheiten und globalen Herausforderungen für die Energiewende dargelegt hatte.

Viele Unsicherheiten und Gefahren

Unsicherheiten gibt es erschreckend viele: Wie lässt sich die Versorgung mit den für die grüne Wende erforderlichen Rohstoffen sichern, wie die starke Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern vermeiden, wie das Recycling kostbarer Metalle und Mineralien steigern, wie technologische Innovationen fördern, wie die internationale Zusammenarbeit verstärken, wie Umweltschäden verhindern, wie die Entwicklung in Herkunftsländern begünstigen, wie die Rechte der indigenen Völker in den Abbaugebieten schützen?    

Allein die quantitativen Ziele zu erreichen, wird sich als schwierig herausstellen. Es gilt die globale Nachfrage nach den kritischen Rohstoffen in weniger als 20 Jahren zu vervierfachen, im Falle von Lithium sogar eine Zunahme um den Faktor 42 einzuplanen.  Ein typisches Elektroauto erfordert sechsmal so viele mineralische Rohstoffe wie ein Auto mit Verbrennungsmotor. Um das für eine mittelgrosse Offshore-Turbine erforderliche Kupfer bereitzustellen, müssen fast 50‘000 Tonnen Erde und Gestein bewegt werden, was etwa dem fünffachen Gewicht des Eiffelturms entspricht.

Zu diesen quantitativen Problemen kommen unterschiedliche Interessen hinzu – zwischen Herkunfts- und Abnehmerländern, zwischen Regierungen und indigenen Gemeinschaften, zwischen Versorgungssicherheit und Schutz der Umwelt. Die grüne Wende könnte die Umweltprobleme sogar vergrössern statt verkleinern, die Existenzgrundlagen indigener Völker bedrohen, die Arbeitsteilung zwischen armen Rohstoff- und reichen Abnehmerländern weiter verfestigen.   

Die Abnehmerländer sorgen sich vor allem um ihre Versorgungssicherheit. Die EU gibt sich in ihrem Gesetzesentwurf präzise Mengenziele über die Reduktion auswärtiger Abhängigkeiten. Geht es hingegen um die für die Herkunftsländer wichtigen Ziele, flüchtet sie sich in vage Formulierungen über Nachhaltigkeit. Auch die IEA als Club der reichen Konsumentenländer bleibt hier im Ungefähren.

Neue NGO-Koalition mischt sich ein

Die einseitige Sicht auf die kritischen Rohstoffe für die grüne Wende hat die Nicht-Regierungsorganisationen aufgeschreckt. Auf den Gipfel der IEA von Ende September hin schlossen sich 40 Organisationen zur «Coalition on Raw Materials» zusammen. In der Koalition sammeln sich mit Amnesty International über Oxfam bis zum WWF viele der international bekannten Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen. Sie mobilisieren für eine Rohstoffpolitik in Europa, die dem «Planeten und den Menschenrechten Vorrang vor dem Profit» einräumt. Sie fordern umfassende Rechtsvorschriften, die Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten, Wiedergutmachung für erlittene Schäden gewähren und Korruption ahnden.

Die NGO-Koalition verleiht der Konzernverantwortung eine neue Dringlichkeit. Wie es für die sogenannten Konfliktmineralien Gold, Zinn, Tantal, Wolfram und deren Erze bereits Sorgfaltsprüfungspflichten entlang der Wertschöpfungskette gibt, wären jetzt die Energiewende-Rohstoffe Kupfer, Kobalt, Lithium, Mangan, Nickel und Zink dran. Doch im Unterschied zu den Konfliktmineralien geht es nicht um das Verbot von Rohstoffen aus Herkunftsgebieten, wo Gewalt herrscht. Vielmehr soll das Geschäft mit den Rohstoffen für die Energiewende fair für die Menschen in den Abbaugebieten und auch fair für die Produzentenländer gestaltet werden. Auch die Schweiz als globale Drehscheibe für Kupfer, Kobalt und schon bald auch Lithium gerät unter Druck, eine gerechte Energiewende mitzugestalten. Ein nächster «Transition Minerals Tracker» wird Aufschluss geben, ob der Rohstoff-Platz Schweiz besser abschneidet.   

  

Indigene Gemeinschaften organisieren sich für grüne Wirtschaft

«Securing Indigenous Peoples Rights in the Green Economy (SIRGE)» – unter diesem Namen bilden Indigene Organisationen zusammen mit Nichtregierungsorganisationen eine Koalition, die Regierungen, Unternehmen und den Finanzsektor auffordert, nicht die Fehler der kolonialen Vergangenheit zu wiederholen und die Rechte und die Selbstbestimmung indigener Gemeinschaften zu garantieren. Über die Hälfte der Projekte für den Abbau der für die Energiewende notwendigen Mineralien befinden sich auf Territorien indigener Gemeinschaften. Diese sind also direkt betroffen von der massiv steigenden Nachfrage nach den betreffenden Rohstoffen. SIRGE hat im September in Genf das Programm «Climate Justice! Respect Indigenous Consent» lanciert. Es wird von fünf Nichtregierungsorganisationen getragen, darunter die Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz.

Die Entwicklungsorganisation Commundo führt am 24. und 25. November in Wollishofen und in Zug Veranstaltungen zum Thema Rohstoffhandel und dessen CH-Finanzierung durch, an der auch Geschädigte aus Abbauregionen in Peru und Kolumbien teilnehmen werden.  


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Eine Meinung zu

  • am 11.11.2023 um 16:07 Uhr
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    Danke Markus für diesen wichtigen und sorgfältigen Artikel. Klar, die grüne Wende kommt mit einem ökologischen Fussabdruck, den wir dringend verkleinern müssen. Je nach Lesebrille könnte man jedoch den Artikel auch missverstehen, dass die grüne Wende schmutziger ist als der status quo. Die gleichen Unternehmen sind ja oftmals im Kohlebergbau tätig. Und auch Öl- und Gasabbau haben grossen Fussabdruck. Die grüne Wende erlaubt es dieses grossen Fussabdruck der fossilen Energien stark zu verringern. Nun wird es wichtig sein, dass die Nettobilanz nicht nur positiv wird, sondern hilft den weltweiten Fussabdruck auf weniger als einen einen Planeten zu reduzieren. Es scheint mir also wichtig, dass wenn man über Energie-Wende Mineralien berichtet, dies in den heutigen Kontext stellt. Ohne Ausstieg aus den fossilen Energien können wir den Fussabdruck erst recht nicht reduzieren.

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