Die Allgemeinheit zahlt für jedes Auto kräftig drauf
Versicherung, Steuer, Vignette, Werkstatt, Winterreifen, Waschanlage … und irgendwo abstellen muss man den fahrbaren Untersatz auch. Autofahren kostet eine Menge Geld. Die meisten Leute bemerken gar nicht, wie viel. Besonders grössere Reparaturen oder Unfallschäden werden unterschätzt, fand eine Studie, die 2022 in der Zeitschrift «Ecological Economics» veröffentlich wurde.
Um die privaten oder auch «internen» Kosten ging es den Forschenden in «The lifetime cost of driving a car» aber nur zum Teil. Sie wollten wissen, wie viel ein Auto in Deutschland insgesamt kostet – inklusive der Kosten für Strassen, öffentliche Parkplätze, Gesundheits- und Umweltschäden. Selbst die Zulassung von Fahrlehrern kostet Geld. All das gehört zu den sozialisierten oder «externen» Kosten, die die Allgemeinheit bezahlt.
Jeder Verbrenner in Deutschland kostet die Allgemeinheit 5000 Euro im Jahr
Und diese zahlt beim Autofahren kräftig dazu. Für jeden Verbrenner in Deutschland legt sie 5000 Euro im Jahr drauf, rechneten die Mobilitätsforschenden Stefan Gössling, Jessica Kees und Todd Litman aus.
Bildlich gesprochen: Wenn der Nachbar mit dem Auto zum Briefkasten fährt, zahlt das ganze Quartier mit. Und zwar zwischen 0,31 und 0,35 Euro pro Kilometer – berechnet für einen Opel Corsa und einen Mercedes GLC. Zwischen 45 und 86 Cent pro Kilometer bezahlt der Halter selbst. Neben den Kosten für einen Corsa 1.2 und dem Mercedes-SUV berechneten die Forschenden auch die Kosten für einen VW Golf, der als Mittelklassewagen dazwischenliegt.
Die Studienautor:innen gingen davon aus, dass alle drei Fahrzeuge 50 Jahre halten und jährlich 15’000 Kilometer zurücklegen. Ersteres ist eher optimistisch, Letzteres ein für Deutschland typischer Wert. Der Kleinwagen kostet die deutschen Steuerzahlenden während seines Autolebens rund 234’000 Euro, der Golf 238’000 Euro und der SUV 264’000 Euro – macht durchschnittlich 5000 Euro pro Fahrzeug und Jahr.
Ein Opel Corsa wird dabei zu 41 Prozent von anderen mitfinanziert, der Mittelklasse-Golf zu 38 Prozent, und der Mercedes-SUV zu 29 Prozent. Das sieht zwar nach kleineren Kosten für grössere Fahrzeuge aus, in absoluten Zahlen kostet der Mercedes SUV die Allgemeinheit aber am meisten.
Am meisten zahlen die, die nicht einmal ein Auto besitzen
Wer wenig verdient, zahlt dabei am meisten drauf. Geringverdiener in der Stadt wohnen meist dort, wo die Luft schmutzig, die Umgebung lärmig und die Mieten deshalb günstig sind. Oft haben sie gar kein Auto. Wer mehr Geld hat, wohnt eher in ruhigen Nebenstrassen oder in Aussenquartieren mit mehr Grün. Für Menschen mit geringem Einkommen auf dem Land sind Fahrzeuge meist der teuerste Posten auf der Ausgabenliste. Lange Fahrtzeiten, Stau, Unfälle und Verkehrsbehinderungen betreffen sie besonders.
Nachgerechnet: Selbst ein günstiges Auto ist für viele zu teuer
Ein Auto ist für den Einzelnen erschreckend teuer, wenn man die Kosten auf die gesamte Lebenszeit des Besitzers oder der Besitzerin hochrechnet.
Ein alleinstehender ungelernter Arbeiter («Unskilled Worker») müsste für einen Mercedes GLC ganze 69 Prozent seines Nettolebenseinkommens ausgeben, bei einem Opel Corsa 1.2 wären es noch immer 36 Prozent. Einen besserverdienenden Experten («Outstanding Specialist») mit einem doppelt so hohen Lebenseinkommen kostet der Kleinwagen 19 Prozent seines Einkommens.
Selbst ein günstiges Auto ist also eigentlich zu teuer. Wenn man davon ausgehe, dass ein Durchschnittshaushalt 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Miete ausgebe, blieben ungefähr 15 Prozent für Transport, argumentieren die Autor:innen der Studie. Eine eher optimistische Annahme – in vielen Gegenden Deutschlands geben Mieter nach Angabe des Mieterbunds längst deutlich mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Wohnung aus. Wer ein Auto gebraucht kauft oder sich die Kosten mit anderen teilt, spart andererseits aber auch Geld.
Trüge die Allgemeinheit nicht einen grossen Teil der Kosten, könnte sich aber selbst der Wohlhabendere kein Auto mehr leisten. Die Kosten für einen Opel Corsa würden für den Experten («Outstanding Specialist») auf 32 Prozent seines Nettolebenseinkommens steigen:
Die Autor:innen der Studie trafen einige Annahmen und Schätzungen. Verzögerung durch Stau berechneten sie beispielsweise als Arbeitszeit, was man kritisieren kann. Ungehindertes Fortkommen zur Rush-Hour ist ja kein Normalzustand und sollte es eventuell auch nicht sein. Unfalltote und Gesundheitseinbussen berechneten sie nach verlorenen Lebensjahren. Verglichen mit dem deutschen Automobilclub ADAC, der diese Kosten nicht berücksichtigt, kommen die Mobilitätsforschenden auf höhere Zahlen.
Am teuersten am Autofahren sind Luftverschmutzung und Landverbrauch
Am teuersten für die öffentliche Hand – und damit für alle – sind aber ohnehin Luftverschmutzung, Landverbrauch und das Parken am Strassenrand (curbside Parking). Dinge, die einem meist nicht auffallen, weil man sich längst daran gewöhnt hat, wie viel Platz Autos benötigen.
Ganz überraschend ist das nicht. Die drei Co-Autor:innen der Studie sind auch nicht die ersten, die diese Rechnung aufstellen. Eine Metastudie der TU Dresden von 2012 berechnete beispielsweise, dass in den EU-27-Ländern jedes Jahr zwischen 258 und 373 Milliarden Euro an gesellschaftlichen Kosten für Automobile anfallen. Hängen bleibt aber, dass Autos für den Einzelnen und für die Allgemeinheit um einiges teurer sind als bisher angenommen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Guten Tag Frau Gschwend
Ein sehr informativer Beitrag. Wie Sie wissen setzen wir in Landkreis Mainz-Bingen eine Energiezelle um. Damit wollen wir eine regionale sichere und klimaneutrale Energieversorgung sicherstellen. Allein für Energie geben wir im LK MB 1 Miliarde pro Jahr aus, davon entfallen auf Treibstoffe 361 Millionen auf Treibstoff.
Ihre Zahlen zeigen, dass die tatsächlichen Kosten für Autos noch viel höher sind.
Keine Antwort haben wir auf die Frage, warum setzen so viele Leute auf Autos, obwohl Sie sich dies gar nicht leisten können. Welche Massnahmen braucht es. Kurzum es ist gut das Problem zu kennen, die grosse Frage ist aber, wie lösen wir dieses Problem.
Auch das reine Leben kostet den Staat und somit die Allgemeinheit. Solche Studien bringen nun mal gar nichts, ausser etwas Aufregung bis sich die wieder gelegt hat.
Die Annahmen sind nicht optimistisch, sondern realitätsfremd. 750’000 km pro Autoleben gilt viel-leicht für Lastwagen. Beim PKW sind es eher 20% davon! Dann die Annahme, dass in der Stadt die Wohnungsmieten günstiger seien als auf dem Land, entbehrt jeder Grundlage. Die Studien von Wüest Partner belegen das Gegenteil.
Aber der ausschlaggebende Fehler ist methodischer Natur. Wenn wir davon ausgehen, dass die Versorgung mit Produkten des täglichen Bedarfs, die Sanität, die Polizei, die Feuerwehr, etc. die Verkehrsinfrastruktur ohnehin benötigen, ist es falsch, mit den mittleren externen Kosten zu rech-nen. Würden korrekterweise die externen Grenzkosten angewandt, bliebe von den dramatischen Zahlen nicht mehr viel übrig!
Guten Tag Herr Roth, Sie schreiben «die Annahme, dass in der Stadt die Wohnungsmieten günstiger seien als auf dem Land, entbehrt jeder Grundlage». Können Sie mir sagen, worauf Sie sich beziehen? In meinem Text finde ich dazu keine Grundlage.
Die Allgemeinheit zahlt für jedes Fahrrad kräftig drauf. Bis auf 19% Mwst. hat der Staat aber keine Einnahmen, muss aber Radwege unterhalten und Notaufnahmen um verunfallte Radfahrer jederzeit aufnehmen zu können. Verklehrserziehung in Schulen kostet Geld. Vor Schaufenstern geparkte Fahrräder bringen Umsatzeinbußen für den Einzelhandel. Dinge, die einem meist nicht auffallen, weil man sich längst daran gewöhnt hat.
Die Allgemeinheit zahlt für jeden Schuh kräfig drauf. Bis auf 19% Mwst hat der Staat keine Einnahmen muss aber kilometerlange Bürgersteige bauen…
Es ist richtig, daß auch Fußgängerwege Kosten verursachen. Damit ist es aber auch getan, beim Auto kommt einiges hinzu… Solange es nur wenige Autos gab, waren vielfach keine eigenen Fußgängerwege nötig.
Räder sind älter als Radwege. Radwege wurden nur deshalb notwendig, weil es zunehmend lebensgefährlich wurde, auf der Straße zu radeln. Daher wären die Radwegkosten eigentlich den Autokosten zuzuschlagen.