Sperberauge
Der Tanz ums goldene Rad
Wer noch nicht weiss, wo heutzutage der Tanz ums goldene Kalb stattfindet, kann ihn jetzt in Ittigen bei Bern besichtigen: Gehuldigt wird dem Sport und es tanzt der Verkehr. Bei der erneuerten Bahnstation steht mitten im Kreisel auf hohem Sockel das güldene Riesenvelo. Es ehrt den ortsansässigen Olympioniken* Fabian Cancellara; nach ihm war seit 2011 eine beliebte Fussgängerbrücke benannt, jetzt ist sie den neuen Verkehrsanlagen zum Opfer gefallen.
Die Strassenführung mehrt das Gewirbel: Rechtsabbieger aus Richtung Ostermundigen müssen eine Schleife ums Edelrennrad drehen. Ob dereinst auch eine Skulptur des Geehrten auf dem Sattel Platz nehmen wird, ist noch nicht bekannt. Der Sportler in Gold ergäbe die zeitgemässe Version des klassischen Reiterstandbilds. In den noch leeren Sockel des Monuments könnte man einen prophetischen Hexameter aus Arnold Küblers «Velodyssee» von 1955 meisseln: «Einst wird kommen der Tag, da müssen die Trampler es lassen …»
* Ihn so zu titulieren, bedeutet nicht etwa Geringschätzung: Nur Sieger jedweden Geschlechts sind wirkliche Olympioniken, denn im Wort steckt die griechische Siegesgöttin Nike. Besiegte Teilnehmer haben den – oft auch für sie verwendeten – Ehrennamen also nicht verdient. Auch eine Siegerin sollte im Duden «eine Olympionike» sein, nicht «Olympionikin» wie jetzt. Oder müssen wir der Göttin als «Nikin» huldigen? Dann würde sie wenigstens nicht mehr mit einem Turnschuh verwechselt, wie das im Zeitalter der Sportverehrung naheliegt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor wohnt auf der Mundiger Seite von Ittigen und ist in Versuchung, beim Rechtsabbiegen mit dem Velo übers Trottoir zu fahren statt zuerst rund ums Triumphrad.
Nachtrag Nov. 2023: Ein Teil der Abkürzung ist nun durch Velosymbole legalisiert, aber nur im Husarenritt erreichbar.
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Macht auch andersrum Sinn. Wenn ich in einem Kreisel die zweite Ausfahrt nehmen möchte, fahre ich in der Mitte, um nicht von einem Auto über den Haufen gefahren werde, welches vorher abbiegt. Ist oft genug von einem Hupkonzert oder einer akrobatischen Einlage seitens Velofahrer begleitet.
In der Mitte zu fahren, ist genau was sie Suva rät: Mit dem Velo im Kreisel.
Wenn Sie also brav um den Kreisel fahren, können Sie beim Bahnperron einen Zwischenhalt einlegen und die Namens-Stele bewundern: «Fabian Cancellara-Kreisel». Offenbar hat der Radler den Kreisel geheiratet, anders kann ich mir den Bindestrich nicht erklären. Darunter steht der Palmarès des Helden, samt Hinweis auf die imaginäre Weltkarte, auf der an den passenden Stellen Medaillen in den Asphalt eingelassen sind.
Ich werde mir das Bauwerk noch ansehen. Velotechnisch ist es wohl nicht über alle Zweifel erhaben.
Aber das ist jetzt nicht wahr, dass man den zweiten obligaten Bindestrich zwischen Fabian und Cancellara vergessen hat? Diese alte Unsitte ist offenbar nicht totzukriegen.
Da steht wirklich nur ein einziger Bindestrich, aber den zweiten hat man wohl nicht vergessen, sondern sich beim Weglassen an illustren schlechten Vorbildern orientiert, siehe Sprachlupe «Die seltsame Ehe des Robert Walser», mit einem Nachtrag am Ende von «Wo der Appetit vor dem Essen vergeht».
Erinnert mich an an diese goldene Statue in der D.R. Kongo von einem Chukudu, einem dort verwendeten Typ eines Schwerlast-Trotinetts aus Holz: https://www.flickr.com/photos/ryan_roxx/6564373763/