Jägg-SRF

Er durfte nicht aussteigen: SRF-Journalist Simon Jäggi im Flieger in Managua. © SRF Impact

Myclimate-Aufforstung: Nicaragua blockierte SRF-Recherche

Pascal Sigg /  Zwei Journalisten wollten ein Vorzeigeprojekt von Myclimate unter die Lupe nehmen. Doch sie durften nicht einreisen.

«Klimaneutral» zu sein, versprechen zahlreiche Unternehmen. Häufig steckt dahinter eine Kompensation des CO2-Ausstosses im Ausland. Ein bekannter Anbieter derartiger Kompensationszertifikate ist die Schweizer Stiftung Myclimate.

CO2-Kompensationen sind zwar bequem, aber nicht unproblematisch. Fürs Online-Format «SRF Impact» nahm ein Team von «SRF Investigativ» ein Vorzeigeprojekt von Myclimate in Nicaragua unter die Lupe. Coop, Migros, Swiss, Hotels, Ferienregionen, Openairs bieten dieses Projekt als Kompensation für CO2-Ausstoss an.

Im Rahmen der Recherche wollten sich die beiden Journalisten Simon Jäggi und Conradin Zellweger vor Ort selber ein Bild des Projekts machen. Sie flogen mit dem Myclimate-Projektleiter nach Nicaragua. Myclimate besuchte das Projekt zum ersten Mal seit zwölf Jahren.

Die Recherche von SRF-Impact (23. August 2023)

Die Stiftung kauft eigentlich bloss das Zertifikat, welches die kanadische Firma Taking Root anbietet. Umgesetzt wird die Aufforstung von einem Unternehmen aus Nicaragua mit ortsansässigen Bauern.

Doch vor Ort in Managua durften die beiden Journalisten das Flugzeug nicht verlassen und mussten nach El Salvador und Costa Rica weiterfliegen.

Von da recherchierten sie weiter und konnten mit insgesamt elf Bauern und Bäuerinnen aus Nicaragua per Video-Call sprechen. Neun von ihnen waren enttäuscht. Sie berichten von gebrochenen Versprechen und zu tiefer Bezahlung. «Das Projekt ist gescheitert», sagt eine Bäuerin. Sie habe ihre Verpflichtungen eingehalten, ihre Vertragspartner aber nicht. Gemäss Myclimate sind um die 3000 lokale Bauern am Projekt beteiligt. Allein 2022 stiegen 200 von ihnen aus.

«SRF Investigativ» liess das Wachstum der Projektparzellen von Forschenden der ETH und Uni Zürich mit öffentlich verfügbaren Daten wie Satellitenbildern analysieren. Die Auswertung zeigt: Ein Drittel der Parzellen entwickelt sich nicht schnell genug. Bis zum Projektende wird hier kein Wald stehen.

ETH-Forscherin Petra Sieber sagt: «CO2-Kompensation durch Aufforstung ist eigentlich eine Spekulation auf die Zukunft. Man verkauft das Zertifikat zu einem Zeitpunkt, da das CO2 noch gar nicht gespeichert ist.» SRF konfrontierte Myclimate mit den Recherchen. Die Geschäftsleiterin kritisierte dabei die Messmethode der Forschung aus der Distanz als ungenau.

Sie hätten bessere Methoden und könnten jederzeit vor Ort gehen, um das Wachstum der Bäume zu überprüfen. Beim vorliegenden Projekt sei dies allerdings in den vergangenen zwölf Jahren nicht geschehen. Myclimate stütze sich auch auf Berichte der Projektpartner und unabhängige Prüfberichte. Allerdings ist auch der letzte derartige Bericht sieben Jahre alt.

Später teilte Myclimate SRF mit, man würde die politische Lage in Nicaragua immer wieder prüfen. Im Moment sei der Erfolg des Projekts nicht gefährdet.

Weshalb die beiden Journalisten in Managua das Flugzeug nicht verlassen durften, ist unklar. Sie erhielten keine Begründung. Reporter ohne Grenzen (RSF) Schweiz schrieb SRF zum Vorfall: «Da alle anderen Passagiere des Flugzeugs einreisen durften, muss angenommen werden, dass die beiden nicht ins Land gelassen wurden, weil sie Journalisten sind. Ein solches Einreiseverbot ist inakzeptabel und kommt einem Verstoss gegen die Informationsfreiheit gleich. Die beiden Journalisten wurden, indem man sie nicht aussteigen liess, zum Weiterflug gezwungen. Stossend ist zudem, dass sie keine klare Begründung für das Einreiseverbot erhalten haben.» Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit in 180 Ländern belegt Nicaragua Rang 158.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

2 Meinungen

  • am 25.08.2023 um 12:15 Uhr
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    Es ist höchste Zeit, den Klima-Schabernack unter dem Titel CO2-Kompensation im Ausland zu stoppen. Die Zeichen für einen globalen Bschiss häufen. Wer wie der Schreibende, in einem dieser «auserwählten» Länder tätig ist (ohne von Kompensationsgeldern profitieren zu wollen), weiss in Bezug auf allerlei «CO2-Partnerschaftsprojekte» einiges zu erzählen. Die Ueberprüfbarkeit ist in aller Regel nicht gewährleistet und die dämpfende Wirkung auf die Klimakatastrophe eine ziemlich wolkige Spekulation. Was meist auch noch unter den Teppich gekehrt wird, sind die kolossalen Kosten der von den Zertifikats-Brokern selbst ernannten «Experten», die für sehr viel Geld um die Welt fliegen und für sündhafte Honorare feststellen, was zum voraus als Erfolg definiert wurde. Ferienaufenthalt in gut gekühlten mindestens 3-Sterne-Hotel inklusive. Diese Kosten werden dann nicht als Verwaltungs- sondern als Projektkosten verbucht. Am Ablasshandel verdienen viele, nur das Klima bleibt auf der Strecke.

  • am 25.08.2023 um 16:51 Uhr
    Permalink

    Wer schon einmal versucht hat ein Projekt in der Schweiz zur CO2 Reduktion bei MyClamate anzumelden, weiss schon lange, dass bei MyClamate etwas nicht stimmt.
    Der eigentliche Skandal ist, dass es viel zu wenige Projekte gibt, die nachweislich den CO2 reduzieren und dass darüber im Infosperber wenig berichtet wird.
    Wenn aber zwei Jornalisten bei Ihrer Arbeit behindert werden in einem Land, das bekannt ist, dass Journalisten nicht frei Arbeiten können, hat dies ein Aufschrei zur Folge. Doch warum berichten Journalisten so wenig, was in Deutschland und der Schweiz möglich ist. Welche Mächte hindern Sie da über Lösungen zu berichten?

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