Sprachlupe: Die Nachfolge wird die Nachfolge antreten
Die Vermeidenden des generischen Maskulinums entdecken derzeit einen bisher wenig genutzten Notbehelf: Man nehme die Bezeichnung einer Tätigkeit und meine damit die handelnde Person. Das aktuell beliebte Beispiel ist Nachfolge, nicht für den Übergang einer Funktion auf jemand Neues, sondern eben für diesen Jemand: «Auf Bersets Nachfolge wartet ein Abstimmungsmarathon», titelt eine Zeitungskette.
Interessanterweise dürfte kaum jemand beim Lesen auf die Idee kommen, durch das Femininum Nachfolge werde ausgedrückt, in den Bundesrat solle zwingend eine Person weiblichen Geschlechts nachrücken: Vielmehr ist in diesem Fall die Sprachwelt noch in Ordnung, in der aus dem grammatikalischen Genus nicht aufs biologische (oder soziale) Geschlecht geschlossen wird. Das ist auch so, wenn die Bezeichnung einer Eigenschaft auf die Person überspringt: eine Bekanntheit oder Schönheit, eine Autorität oder Kapazität.
Strohperson als Begleitung
Die Vermischung der Kategorien – Handlungen und Handelnde oder Eigenschaften und damit Gesegnete – ist sprachlogisch unbefriedigend. Dennoch dürfte sie in der Praxis kaum je zu Unklarheiten oder gar Verwechslungen führen, denn auf den Zusammenhang muss man ja ohnehin achten, und der macht in aller Regel klar, was gemeint ist. Oft werden Tätigkeiten mit Wörtern auf -ung bezeichnet, und damit kann dann zum Beispiel auch der Ort des Tuns gemeint sein: «Handlung» stand früher oft an Ladenlokalen. Oder es geht ums Resultat des Tuns: Die Besetzung fremder Gebiete dauert leider oft lange an, nachdem sie vollzogen worden ist. Auch Personen können in den zweifelhaften Genuss solcher Bezeichnungen kommen: Im Restaurant serviert eine Bedienung, und die Kundschaft, welche die Rechnung nicht begleichen muss, ist die Begleitung.
Man könnte auch von einer Begleitperson reden, nur klänge das recht … unpersönlich. Es passt zu amtlichem Gebrauch; so kennt die Justiz Auskunftspersonen. Auch von Verdachtspersonen habe ich schon gelesen, in der Schweiz nicht amtlich; in Deutschland scheint das Wort im Zusammenhang mit Coronaviren aufgekommen zu sein. Dass nun sogar bei unlauteren Machenschaften statt Strohmännern Strohpersonen auftauchen, ist für so zwielichtige Gestalten doch zu viel der Korrektheit. Wenn es um Leute geht, die wirklich etwas leisten, sind mir Kräfte lieber, im Fachkräftemangel allgegenwärtig, im Schulwesen seltsamerweise eher unbeliebt, da tummeln sich weit mehr Lehrpersonen als Lehrkräfte.
Aushilfe schafft Abhilfe
Dass nun im Schulzimmer auch einmal die Unterrichtung oder gar die Beschulung vor der Klasse stehen könnte, ist schwer vorstellbar. Ohnehin ist die Wortbildung auf -ung etwas steif und ihre Übertragung von der Handlung auf die Person daher wenig einladend. Eleganter wäre es, sich analog zu «Nachfolge» bei jenen Wörtern zu bedienen, die ein Tun oder dessen Ergebnis mit der schlichten Endung -e anzeigen und im Aufwind sind: Denke, Spreche, Schreibe, Schalte (vgl. «Sprachlupe» vom 22.4.2023).
Auch das sind Feminina, wie so manche generell-abstrakten Ausdrücke. Für Personen sind solche Wörter auf -e noch selten. Putze (laut Duden «salopp abwertend, veraltend» für Putzfrau) brauchen wir nicht zu importieren. Aber die Aushilfe, die als Ablösung anstelle einer ausgebildeten Lehrkraft unterrichtet, kennen wir schon, ebenso die Wache, die wir vor Schulhäusern zum Glück nicht benötigen. Warum aber soll den Schulweg nicht eine Winke sichern, männlich oder weiblich? Und wenn die Eltern nicht zuhause sind, kann eine Hüte zu den Kindern schauen. Oder eine Aufsicht, wenn man so streng sein will.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Einfach wiedermal herrlich (nicht dämlich!), wie er unsere Sprach- und Sprechkrücken seziert! Merci.