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Giftige PFAS-Chemikalien aus belasteten Böden können in Schulzimmer und Büros gelangen. © chriguvo/pixabay

Nach Chemie im Regen nun auch PFAS in der Luft

Daniela Gschweng /  Leichtflüchtige und giftige Fluortelomeralkohole (FTOH) gelangen aus dem Boden in die Luft, etwa in Schulen und Büros.

Sie sind wasser- und fettabweisend und haben noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Eigenschaften. Deshalb werden sie in unzähligen Produkten verwendet: Von den per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS) gibt es Tausende. Einige sind giftig. Wie viele es sind, weiss man nicht genau, weil nicht alle überprüft wurden.

Eine besondere Eigenschaft von PFAS: Sie sind fast unzerstörbar. Ausser durch Verbrennen bei hohen Temperaturen wird man sie nicht mehr los. Deshalb finden sie sich mittlerweile fast überall, von der Tiefsee bis zu den Polen.

Nach «PFAS im Regen» nun auch in der Atemluft

Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass die ewig haltbaren Chemikalien sich sogar im Regenwasser finden (Infosperber berichtete). Die Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. stufte diese Nachricht unter den Top 5 der «vergessenen Nachrichten 2022» ein.

Und das ist noch nicht alles. In einem Beitrag des «Deutschlandfunks» warnt der Chemiker Frank Karg vor PFAS in der Luft. Dabei geht es ihm vor allem um sogenannte Fluortelomeralkohole, kurz: FTOH.

FTOH sind die einzigen leichtflüchtigen PFAS. Sie sind leberschädigend und zeigen hormonelle Wirkung. Aus FTOH können ausserdem giftige, krebserregende und bereits verbotene Perfluorcarbonsäuren wie PFOA (Perfluoroktansäure) entstehen.

Kleines Umweltchemie-Lexikon: Fluortelomeralkohole (FTOH)

FTOH gehören zur chemischen Stoffklasse der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (PFAS). Die gebräuchlichsten FTOH sind 6:2 FTOH und 8:2 FTOH. FTOH werden als schmutz-, wasser- und fettabweisender Bestandteil in Outdoor- und Regenkleidung oder Teppichen verwendet und bei der Herstellung anderer PFAS gebraucht. Behandeltes Papier von wasser- und fettabweisenden Lebensmittelverpackungen wie Pizzaboxen und Burgerkartons enthält ebenfalls FTOH. FTOH sind giftig, leichtflüchtig und können in die Luft übergehen. Im Körper oder auch ohne menschliches Zutun können sich FTOH in giftigere PFAS verwandeln.

Dass sich PFAS in der Luft befinden und Menschen diese einatmen können, weiss man schon länger. Bisher habe man angenommen, FTOH in der Raumluft stammten vor allem aus imprägnierten Teppichböden und Outdoorkleidung. An Altlasten in Wasser und Boden dachte man kaum, führt Karg aus.

Karg ist Geo- und Umweltchemiker und geschäftsführender Vorstand von HPC International, einer Ingenieurgesellschaft, die sich intensiv mit PFAS beschäftigt. «Wir sind mehr oder weniger die ersten, die angefangen haben, PFAS aus Altlasten in der Luft zu untersuchen», sagt Karg zum «Deutschlandfunk». Die Chemikalien gelangen so auch in Gebäude. Man habe bereits Aufträge, städtische Schulen und Kindergärten zu untersuchen, sagt Karg.

PFAS Luft
Aus belasteten Böden (hier mit polyflourierten Alkylphosphaten, PAP) können sich flüchtige FTOH entwicklen und so in Gebäude gelangen. FTOH können zu giftigeren PFAS wie Perfluoroctansäure (PFOA) werden.

Hohe Mengen FTOH bei Messungen

Die PFAS-Mengen, die der HPC bisher gefunden habe, seien mit 20 bis 260 Mikrogramm Substanz pro Kubikmeter «ordentlich», wenn man davon ausgehe, dass schon 10 bis 20 Nanogramm pro Kubikmeter – also ein Tausendstel dieser Menge – problematisch seien. Wo genau die Messungen gemacht wurden, will der Chemiker nicht sagen. Nur, dass sie auf Grundstücken mit Altlasten stattgefunden haben.

In Tierversuchen erwiesen sich FTOH als leberschädigend. Im Körper wird ein Teil davon in PFOA umgesetzt, das nachgewiesen giftig ist. Es sei Zeit, dass in Sachen FTOH «endlich etwas getan werde», sagt Karg. In Deutschland würden FTOH-Konzentrationen bei Altlastenuntersuchungen beispielsweise gar nicht erhoben. Im Gegensatz zu Frankreich, wo bereits systematisch untersucht werde, beispielsweise in Lyon.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

PFAS.Dossier.M&P

PFAS-Chemikalien verursachen Krebs und können Erbgut schaden

Die «ewigen Chemikalien» PFAS bauen sich in der Natur so gut wie gar nicht ab. Fast alle Menschen haben PFAS bereits im Blut.

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Eine Meinung zu

  • am 26.07.2023 um 14:54 Uhr
    Permalink

    Mehr als 350.000 chemische Stoffe befinden sich weltweit im Umlauf. Hierzu zählen Kunststoffe, Pestizide, Industriechemikalien, Chemikalien in Produkten, Antibiotika und andere pharmazeutische Erzeugnisse. Eine ausreichende Bewertung und Regulierung dieser Stoffe ist aufgrund fehlender Daten häufig nur schwer möglich.»
    (bund.net)

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