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Selbstdarstellung der Genfer Geheimdienstfirma beziehungsweise «Beratungsfirma» Alp Services © Alp Services

Bezahlte belastende Wikipedia-Einträge ruinierten den Ruf

David D. Kirkpatrick /  Eine private Genfer Geheimdienstfirma diffamiert im Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate einen unbescholtenen Unternehmer.

Red. Ein Rufmord zerstört das weltweite Unternehmen von Hazim Nada und damit sein Leben. Als Verleumderin fungierte die Genfer Firma Alp Services. Auch Schweizer Journalisten wurden instrumentalisiert. Siehe Teil 1und Teil 2.
Dieser dritte Teil zeigt, mit welchen Methoden die in Genf ansässige private Geheimdienstfirma 
Alp Services im Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate den Rufmord an Hazim Nada organisierte. 
Alp Services nahm zu den Vorwürfen nicht Stellung.


Opfer der Fehde zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar

Die Emirate (VAE) wollen Anhänger der von Katar unterstützten Muslimbruderschaft identifizieren und schädigen. Die Genfer Geheimdienstfirma Alp Services von Mario Brero wittert ein gutes Geschäft. Brero arbeitet auch mit Journalisten zusammen.

Ein prominentes Opfer der unseriösen Jagd auf Anhänger der Muslimbruderschaft wird Hazim Nada. Gegen die Rufmordkampagne kann er sich nicht wehren. Er wird Opfer der regionalen Machtpolitik im Nahen Osten,

Katar vollzieht einen Balanceakt: Es beherbergt einen wichtigen US-Luftwaffenstützpunkt, pflegt aber auch ein taktisches Bündnis mit der Muslimbruderschaft. Einerseits, um unter den Bevölkerungen Einfluss in der arabischen Region zu gewinnen, andererseits um ein Gegengewicht zu Saudi-Arabien zu schaffen, Katars grösseren Nachbarn am Persischen Golf. 

So heisst Katar die Muslimbrüder im Exil in Doha willkommen und überlässt ihnen die Mikrofone im staatlichen Sender Al Jazeera. Die einzige Bedingung dabei ist: Nicht über die katarische Politik diskutieren. Während des Arabischen Frühlings 2011 setzt Katar sein Geld und seine Medien ein, um die Forderungen nach Demokratie zu verstärken, freilich nicht im eigenen Land. 

Dagegen erhebt Scheich Mohamed bin Zayed, der Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate VAE, den Anspruch auf eine regionale Führungsrolle. Sein Land sei eine modernisierende Kraft in einer gefährlich rückständigen Region.

Als Verkörperung dieser Rückständigkeit sieht Zayed die Muslimbruderschaft. bin Zayed warnt davor, dass die Muslimbruderschaft in jedem Land mit muslimischer Mehrheit sogenannte freie Wahlen gewinnen werde, so wie sie im Jahr 2012 die Wahlen in Ägypten gewonnen hatte. 

Infosperber publiziert im deutschsprachigen Raum exklusiv eine Recherche von David D. Kirkpatrick, die «The New Yorker» im April 2023 unter dem Titel «The Dirty Secrets of a Smear Campaign» veröffentlichte.
Tatorte gibt es auch in der Schweiz, etwa in Genf oder dem Tessin.

Anfang 2017 verschärfen sich die Spannungen zwischen den Emiraten und Katar, wo die Muslimbrüder willkommen sind. Beide Seiten investieren immense Summen in Anwälte, Lobbyisten und PR-Berater. So wollen sie Einfluss auf westliche Hauptstädte gewinnen. 

Als Quellen der «Informationen» dienen private Geheimdienste wie die Genfer Alp Services. Dieser wurde den Emiraten von Roland Jacquard empfohlen, ein im Libanon geborener französischer Journalist und gelegentlicher Berater der französischen Regierung.

Die geleakten Akten über Alp Services (siehe zweiter Teil) enthalten handschriftliche Notizen Jacquards, in denen er eine Kampagne gegen Katar vorbereitet. Aus den Finanzunterlagen geht hervor, dass ihm Alp Services eine zehnprozentige Provision für den Deal gezahlt hat. 

So kann sich Mario Brero, Besitzer der Alp Services, im Mai 2017 in einem Schreiben an die Emirate selbstbewusst anpreisen: «Mehrere Staatsoberhäupter» und «vermögende Personen» würden seine Fähigkeiten nutzen, um «den Ruf im Internet» je nach Wunsch «zu verbessern oder zu verschlechtern». Das müssen die Emiratis nicht zwei Mal lesen – sie wissen um den Wert der Online-Kriegsführung.

Die Herrscher in Abu Dhabi laden Brero folgerichtig im August 2017 ein. Brero überzeugt sie mit 14 Seiten voller Argumente, ihn im Kampf gegen Katar und deren verbündete Muslimbrüdern anzuheuern. 

In seinen geleakten Notizen schreibt Brero: «Die Macht der ‹verdeckten PR› sollte nicht unterschätzt werden. Viele Experten sagen, dass Hillary Clinton die Präsidentschaftswahlen aufgrund von ‹Fake News› verlor. Sie wurden über Social- und alternative Medien verbreitet.» Breros Versprechen an die Emirate: «Wir werden ähnliche Instrumente gegen ihre Gegner einsetzen.»

Schmutzige Ermittlungen sind komplex, riskant, ressourcenintensiv und teuer

Brero bedankt sich nach Vertragsabschluss in einem förmlichen Schreiben bei «Seiner Exzellenz» für «die grosse Ehre, Ihrem Land unsere Dienste anbieten zu dürfen».

Brero plant bei dieser Gelegenheit, den Emiratis mitzuteilen, dass Ermittlungen gegen die Muslimbruderschaft angesichts ihrer tiefgreifenden Geheimhaltung ungewöhnlich kostspielig sein werden. 

Er müsse in diesem Fall offen sein: «Um nützliche, idealerweise bahnbrechende Informationen zu erhalten, insbesondere auf der Grundlage von Beweisen, sind unsere Massnahmen sehr komplex, riskant und ressourcenintensiv», schreibt er in einer WhatsApp-Nachricht nach dem Treffen in Abu Dhabi.

Diese «erste Zusammenarbeit» sei jedoch «eine noble Sache» und «könnte es Ihnen auch ermöglichen, unsere Arbeit und Wirksamkeit zu beurteilen». Breros Werben hat Erfolg. In einer internen Abrechnung hält er fest, dass die Emirate einem anfänglichen vier- bis sechsmonatigen Budget von 1,5 Millionen Euro zustimmen, «um konkrete Beweise» über Katar und die Muslimbruderschaft in Europa zu erhalten.

Wildes Sexleben und viele junge Geliebte

Was aber hat das mit Hazim Nada zu tun? Er wird in Breros Ausführungen nirgends erwähnt. Brero schlägt dort vor, zuerst Personen ins Visier zu nehmen, die bereits als Sympathisanten der Bruderschaft bekannt sind. So bietet er beispielsweise an, Tariq Ramadan, den Schweizer Philosophen und Enkel des Gründers der Bewegung, zu Fall zu bringen. Er will dessen «wildes Sexualleben, seine vielen jungen Geliebten und seine laxe religiöse Praxis» aufdecken. 

Jemand anderes kommt ihm jedoch zuvor. Sechs Monate nach dem Treffen in Abu Dhabi erhebt die französische Polizei Anklage gegen Ramadan wegen sexueller Nötigung. Er hat zugegeben, mit mehreren Frauen «unterwürfigen dominanten» Sex gehabt zu haben. Aber er besteht darauf, dass dies einvernehmlich war. 

Die Idee, den Unternehmer Hazim Nada ins Visier zu nehmen, scheint in Gesprächen mit Sylvain Besson, dem Schweizer Journalisten von Le Temps, entstanden zu sein. Besson schrieb zuvor über Hazims Nadas Vater Youssef ein ganzes Buch.

Die meisten Wissenschaftler halten Bessons Buch inzwischen für eine islamfeindliche Verschwörungstheorie. Anders Breivik etwa zitierte das Buch ausgiebig. Breivik war ein rechtsterroristischer und islamfeindlicher Massenmörder, der 2011 bei seinen Amokläufen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen, vor allem Jugendliche, kaltblütig tötete.

Warum Hazim Nada?

In seinem ersten offiziellen Bericht an die Emiratis vom 6. Oktober 2017 schreibt Brero: «Warum Hazim Nada?» Seine Antwort auf 48 Seiten beruht auf der blossen Annahme, dass der Sohn nicht besser als der Vater sei. Daraus konstruiert er mittels illegal beschaffter Kopien von Nadas Listen von Telefonanrufen einen Fall gegen den Sohn. 

Nada rief beispielsweise häufig seine Schwester an, die in Katar lebte und deren Mann ein Maschinenbauingenieur war. Zufällig war er auch der Sohn eines prominenten muslimischen Predigers, den die Muslimbrüder verehren. Hazim Nada telefonierte auch häufig mit einem italienischen Mitarbeiter und Freund von Lord Energy, dessen Familie zum Islam konvertiert war. Und so ging es weiter – Seite um Seite mit Assoziationen aus zweiter Hand. In der Folge wird Hazim Nada als Anhänger der Muslimbrüder diffamiert.

«Eine wichtige Einheit innerhalb des geheimen Terrorsystems»

Den Herrschern der Emirate gegenüber gibt sich Brero äusserst selbstbewusst: «Nadas Firma Lord Energy scheint eine äusserst wichtige – und sehr diskrete – Einheit innerhalb des geheimen Terrorsystems der globalen Muslimbruderschaft zu sein», schreibt er ihnen. Nada kann später kaum glauben, dass die Emiratis paranoid genug waren, Brero das abzunehmen. «Man braucht nur ein paar Namen von Leuten, die sie hassen, auf eine Karte zu schreiben, und sie fangen an, die Augen zu verdrehen», sagt er mir. Diese Diffamierungen kommen Hazim Nada zunehmend surreal vor. 

Brero findet schnell heraus, dass die entscheidende Schwachstelle von Nadas Firma Lord Energy in der Abhängigkeit von ständig neuen Krediten besteht. Um einen Supertanker in Libyen mit Öl zu befüllen, muss Nadas Firma hohe Kredite aufnehmen. Erst wenn das Schiff in Indonesien entladen wird, werden die Kredite zur Rückzahlung fällig.

Im Februar 2018 bittet Brero seine Schweizer Bank um mehr Geld, um seine Untersuchungen gegen Nada auszuweiten. Diese «Informationen» könnten auch Banken und multinationale Unternehmen nutzen, um etwas über die Aktivitäten und Verbindungen von Firmen und ihr Verhältnis zum Terrorismus zu erfahren.

«Mein Ziel», erklärt Brero, «ist es, die Bankkonten und Geschäfte des Unternehmens Lord Energy zu sperren». Der anvisierte Nada bekommt langsam das Gefühl, dass Brero Lord Energy vor allem deshalb zerstört, um seinen Auftragsgebern der VAE einen Erfolg vorzuweisen. 

Lügen und Fake-News

Alp Services setzt das Vorhaben schnell in die Tat um. Ein Mitarbeiter namens Raihane Hassaine schickt per E-Mail Entwürfe für belastende Wikipedia-Einträge. Gemäss Rechnung vom 31. Mai 2018 zahlt Alp Services an die freiberufliche Londoner Autorin Nina May 625 Pfund für fünf Online-Artikel, die sie unter Pseudonymen veröffentlicht. Sie beruhen ausschliesslich auf Notizen von Alp Services. Diese Artikel werfen Hazim Nadas Firma ohne Beweise Verbindungen zu Terrorismus und Extremismus vor. 

Heute schreibt Wikipedia über Hazim Nadas Unternehmen «Lord Energy» korrigierend:

«Das Unternehmen wurde in den Jahren 2018-2021 Opfer einer Verleumdungskampagne, die von einer Schweizer Wirtschaftsnachrichten-Agentur inszeniert wurde, die im Auftrag des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Mohammed bin Zayed Al Nahyane, handelt.» (Quelle)

Nina May veröffentlicht auch Artikel über das Forum of European Muslim Youth and Student Organizations, ein Jugendnetzwerk, das von einem Mitarbeiter von Nadas Unternehmen Lord Energy geleitet wird. Die Artikel bezeichnen das Forum als ein von Terroristen rekrutierter Zweig der Muslimbruderschaft. Doch in Wirklichkeit wird es von der EU finanziert und setzt sich gegen Antisemitismus, Islamophobie und andere Formen von Hassreden ein.

Aus Muslim wird Muslimbruderschaft wird Terrorist

Nada konnte nicht glauben, wie einfach es gewesen war, dass Banken die Kredite nicht erneuerten: «Nur ein paar Blogs und ein Typ mit einem falschen Namen und einem Proton-Mail-Konto.» 

Aber Mario Breros private Geheimdienstfirma macht eben keine halben Sachen: Lord Energy «wurde früher als seriöses Rohstoffhandelsunternehmen mit einem legitimen Geschäft angesehen», schreibt Brero in einem Update im Juli 2018 an die Emiratis. «Aufgrund unserer Aktionen wird Lord Energy heute öffentlich als umstrittenes Unternehmen der Muslimbruderschaft mit Verbindungen zur Terrorismusfinanzierung entlarvt.» 

Er rühmt sich, dass Google nun eine Suche nach Nadas Unternehmen Lord Energy automatisch mit den Wörtern «Muslim», «Muslimbruderschaft» oder «Terrorismus» vervollständigt. In einer «Folgenabschätzung» aus dem Jahr 2019 wiederholt Brero sein Ziel, das «Handelsunternehmen Lord Energy in den Bankrott zu treiben».

Das Leben eines anderen zerstören – ein lukratives Geschäft

Das Leben eines ihm unbekannten Menschen zu zerstören, ist ein für Mario Breros private Genfer Geheimdienstfirma Alp Services durchaus lukratives Geschäft. Denn zu diesem Zeitpunkt zahlen die Vereinigten Arabischen Emirate 200’000 Euro pro Monat, mit zusätzlichen Gebühren für einmalige Nebenprojekte. 

Auf der Gehaltsliste von Alp Services stehen Journalisten. Ian Hamel, Genfer Korrespondent der französischen Zeitschrift Le Point und Louis de Raguenel, Journalist der rechtsgerichteten Zeitschrift Valeurs Actuelles erhalten beispielsweise je 5’000 Euro. Der Schweizer Journalist Kurt Pelda erhält im Jahr 2019 von der Alp Services 3500 Franken für Recherchen und acht Berichte (siehe zweiter Teil). 

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Übersetzung und Bearbeitung von Georg R. Rettenbacher

Es folgt ein vierter und letzter Teil 


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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