Kurt Pelda.Bue Zoom

Kurt Pelda: Schweizer Kriegsreporter und Spezialist für Islamisten und Terroristen © Blue Zoom

Die Machenschaften einer privaten Schweizer Geheimdienstfirma

David D. Kirkpatrick /  Der Genfer Konzern «Alp Services» bietet nicht nur «hochsensible Recherchen», sondern verbreitet selbst verleumderische Narrative.

Red. Was im ersten Teil geschah: Vorerst unbekannte Quellen verbreiten, Unternehmen von Hazim Nada würden mit Terroristen Geschäfte machen. Dieser Rufmord zerstört Hazim Nadas weltweites Business und Leben sowie die Existenz seines Vaters Youssef. Die Schweizer Polizei und ein fahrlässig ermittelnder Staatsanwalt schauen weg. Leichtgläubige Medien recherchieren schlampig. 
Im diesem zweiten Teil zeigen wir, wie unbekannte Hacker vom Unternehmer Hazim Nada dreissig Millionen Dollar verlangten für Terabytes an gestohlenem Material. Das Material weist auf Machenschaften der in Genf ansässigen privaten Geheimdienstfirma Alp Services hin, die im Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate den Rufmord organisierte. 
Wir zeigen zudem auf, dass sich der Schweizer Journalist Kurt Pelda von Alp Services unbemerkt instrumentalisieren liess.


Infosperber publiziert exklusiv im deutschsprachigen Raum eine Recherche von David D. Kirkpatrick, welche «The New Yorker» im April 2023 unter dem Titel «The Dirty Secrets of a Smear Campaign» veröffentlichte.

Die Geldgeber und Drahtzieher stammen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten VAE. Es ging gegen den Nachbarstaat Katar. Tatorte gibt es in der Schweiz, etwa in Genf und im Tessin.
Der auf Islamisten und Terroristen spezialisierte Schweizer Journalist Kurt Pelda nutzte die Genfer Geheimdienstfirma Alp Services als Quelle, liess sich von ihr – nach seinen Angaben ohne sein Wissen – instrumentalisieren, aber auch bezahlen. Er arbeitete damals für Tamedia, wechselte dann zur Weltwoche und im Jahr 2022 zu CH-Media. Siehe gelber Kasten weiter unten.


«Papst» der privaten Ermittler in der Schweiz

Das Unternehmen Alp Services ist die Schöpfung von Mario Brero, den Le Temps als den «Papst» der privaten Schweizer Ermittler bezeichnet. Er wurde 1946 geboren und arbeitet in einer schönen Wohnung im dritten Stock über einer Bäckerei in der Rue de Montchoisy, ein paar Blocks vom Genfer See entfernt. 

Als ich im Dezember letzten Jahres an die Tür klopfe, öffnet mir Brero in einem schicken dreiteiligen Anzug. Er ist gross, korpulent und hat die Hände tief in die Hosentaschen gesteckt, was seine Rundungen betont.

Bundesstaatsanwälte in San Francisco klagten Mario Brero in den 1980er-Jahren an, weil er gegen die Gesetze zum Export sensibler US-Technologien in den Ostblock verstossen hatte – mit einem System von Strohmännern in Westeuropa. Brero streitet die Vorwürfe zwar ab, entzieht sich aber gleichzeitig der Anklage, indem er eine Einverständniserklärung unterschreibt und sich aus dem Exportgeschäft zurückzieht.

Darauf organisiert Brero seine Schnüffeleien vom Bankenzentrum Genf aus. Er gründet Alp Services im Jahr 1989. Für ihn ist es eine kluge Entscheidung: Denn Genf hat sich bis Ende der 1980er-Jahre zu einem boomenden Zentrum des Geheimdienstgeschäfts entwickelt:

  • In der Schweiz gilt das Bankgeheimnis. Genfer Banken müssen potenzielle Kunden nicht mit der nötigen Sorgfalt prüfen; 
  • Banken und Konzerne brauchen Anwaltskanzleien und Detektivfirmen für Recherchen im Fall von Rechtsstreitigkeiten; 
  • Ausländische Eliten, die ihr Vermögen in der Schweiz parken, brauchen ebenfalls Privatspione für ihre Streitigkeiten und Scheidungen. 

Darüber hinaus pflegen die Schweizer Behörden betont zurückhaltend zu regulieren. Die Banken und Behörden stellen nur wenige Fragen an private Nachrichtendienste. Das macht Genf zu einer attraktiven Wahl für Kunden, die wenig von sich preisgeben wollen.

Schnüffelei gegen Areva-Vorsitzende

Breros Geheimdienstfirma konzentriert sich zunächst auf profane Arbeiten für Banken und Anwaltskanzleien sowie auf einige grosse Scheidungen. 2012 gerät Brero dann wegen eines Skandals in die Schlagzeilen: Der Leiter der Bergbauabteilung des französischen Atomstromriesen Areva hat, ohne seine Vorgesetzten darüber zu informieren, Brero mit Nachforschungen beauftragt. 

Alp Services soll mögliche Betrügereien der Vorstandsvorsitzenden Anne Lauvergeon und anderer Verdächtigen untersuchen, die für eine unternehmerisch katastrophale 2,5-Milliarden-Dollar-Übernahme des kanadischen Bergbauunternehmens UraMin verantwortlich gewesen seien. 

Es ergeben sich keine Beweise für Korruption. Doch Lauvergeon bekommt Wind von Breros Schnüffeleien. Sie und ihr Ehemann verklagen ihn vor einem französischen Gericht wegen Verletzung der Privatsphäre. 

«Ich habe die Beweglichkeit einer Bolschoi-Ballerina.»

Gleichzeitig räumt Brero ein, gegen Schweizer Recht verstossen zu haben. Er sagt, er bezahle Angestellte von Telefongesellschaften für Rechnungen, in denen Kundenanrufe aufgelistet sind. Dabei nutze er manchmal einen anderen Privatdetektiv als Vermittler. «Ich weiss, dass die Ergebnisse, die diese Quellen bringen, illegal sind», sagt Brero aus. 

Standhaft weigert er sich vor Gericht, seine Quellen zu nennen. Doch die Schweizer Staatsanwaltschaft verhaftet später den Agenten und drei Angestellte der Telefongesellschaft im Zusammenhang mit dem Verkauf von Anruflisten. Le Monde vermutet, dass Brero seine Komplizen verraten hat, um sich selbst zu schützen. 

Der Prozess enthüllt auch andere anstössige Aufträge, die Brero mit Areva besprochen hat, wie beispielsweise die Bespitzelung von Greenpeace, sowie etliche peinliche E-Mails. Brero schreibt etwa an einen Kunden: «Trotz meiner Grösse habe ich die Beweglichkeit einer Katze kombiniert mit der einer Bolschoi-Ballerina.»

Personen der Hetzkampagne gegen Nada Hazim

Hazim Nada = Ein 34-jähriger Amerikaner, der im italienischen Como an der Schweizer Grenze lebt. Nada ist Gründer und Inhaber des Rohstoffunternehmens Lord Energy, das er durch die Hetzkampagne verliert.
Youssef Nada = Vater von Hazim Nada. Er verliert durch die Hetzkampagne ebenfalls seine Existenzgrundlage.
Mario Brero = Besitzer der Schweizer privaten Geheimdienstfirma Alp Services
Jules Kroll = Amerikanischer Urvater der modernen Wirtschaftsspionage
Anne Lauvergeon = Vorstandsvorsitzende des französischen Atomstromriesen Areva

Rufschädigende Informationen sammeln und sie öffentlich streuen

Der Skandal verändert sein Geschäft. Obwohl das französische Gericht nur eine symbolische Strafe gegen Brero verhängt, wird er verurteilt: Er hat den Angestellten einer Telefongesellschaft dazu verleitet, Kundendaten preiszugeben. Zudem, so das Urteil, hat er Informationen verbreitet, die er mit illegalen Mitteln erwarb.

Ehemalige Mitarbeiter berichten, dass die Berichterstattung über das Urteil treue «Kunden» vertrieben habe, etwa Anwaltskanzleien, Banken und Unternehmen, die um ihren Ruf fürchteten. 

Gleichzeitig bringt die Areva-Affäre Alp Services weniger zimperliche Kunden: Oligarchen aus der ehemaligen Sowjetunion, Politiker und Geschäftsleute aus kleinen afrikanischen Staaten, Scheichs und Tycoons aus dem Nahen Osten. «Sie kamen aus dem Osten und aus dem Süden», sagt mir ein ehemaliger Alp-Mitarbeiter «und sie waren sehr anspruchsvoll.»

Brero ändert sein Verkaufsargument, indem er negative und rufschädigende Informationen nicht nur sammelt, sondern solche auch selber verbreitet. Er beschreibt seine Spezialität als «offensive virale Kommunikationskampagnen». 


Das private Geheimdienstunternehmen Alp Services instrumentalisierte Kurt Pelda und dieser liess sich für Recherchen und Berichte bezahlen


R.L./upg. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben geleakten Dokumenten zufolge in Europa zwischen 2017 bis 2020 eine Kampagne gegen Gegner von VAE-Scheich Mohammed bin Zayed geführt, namentlich gegen Katar und die Muslimbruderschaft. Im Zentrum steht die Schweizer Geheimdienstfirma Alp Services: Sie arbeitete im Auftrag von VAE-Scheich Mohammed bin Zayed und versuchte, belastende Informationen über seine Gegner Katar und Muslimbrüder zu sammeln und zu verbreiten.

Dies berichtete das französische Portal «Mediapart» in der mehrteiligen Serie «Abu Dhabi Secrets». Hinter den Recherchen stecken das Mediennetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) und weitere Medien. Darunter auch Radio Télévision Suisse (RTS). Diese haben namentlich auch geleakte Dokumente der Geheimdienstfirma Alp Services ausgewertet.

In die Kampagne eingespannt waren einflussreiche französische Journalisten wie Louis de Raguenel und Ian Hamel. Ebenso instrumentalisiert wurden die Schweizer Journalisten Kurt Pelda und Sylvain Besson, die unter anderen Alp Services als Quelle nutzten und in den Tamedia-Zeitungen wiederholt grössere Recherchen über Unterstützer der Muslimbruderschaft verfassten, also der Gegnerin von Mohammed bin Zayed. 

RTS verschweigt den Namen des Schweizer Journalisten in seinen Berichten. «Mediapart» dagegen nennt Kurt Pelda beim Namen. Gegenüber dem französischen Medienportal bestätigte Pelda, dass er Geld von Alp Services erhalten habe. 

Im Jahr 2019 zahlte Alp Services dem Journalisten Pelda laut «Mediapart» 3500 Franken für «Recherchen und acht Berichte zu den Muslimbrüdern in der Schweiz».

Am 13. November 2020 veröffentlichte der «Tages-Anzeiger» und andere Tamedia-Zeitungen einen Artikel von Pelda, in dem er die Organisation «Islamic Relief Worldwide»1 und deren Gründer und auch Präsident von «Islamic Relief Schweiz» Hany El Banna eine Nähe zur Muslimbruderschaft unterstellte. Pelda kritisierte die DEZA, welche «Islamic Relief Worldwide»1 seit Jahren finanziell unterstützte. Der Titel lautete: «Bund gab Steuermillionen an Antisemiten und Islamisten».

Pelda will diesen Artikel ausdrücklich nicht im Auftrag von Alp Services geschrieben haben, wie er auch sonst für keine Zeitungsartikel von Alp Services bezahlt worden sei. Aber Alp Services war offensichtlich über das Erscheinen des erwähnten Artikels im «Tages-Anzeiger» vorher informiert. Jedenfalls meldete Alp Services ihrem Kontaktmann der Vereinigten Arabischen Emirate VAE noch am Erscheinungstag des Artikels: «Gute Nachricht […] Der erwartete Artikel über den Direktor von ‹Islamic Relief Schweiz› wurde heute endlich veröffentlicht […] Er enthält vernichtende Details.»

Am 24. Dezember 2020 musste der «Tages-Anzeiger» eine Gegendarstellung von Hany El Banna, dem Präsidenten von «Islamic Relief Schweiz» veröffentlichen. Bei Gegendarstellungen bleibt offen, welche Version die richtige ist.

Für ihre Diffamationskampagne gegen Katar und die Muslimbruderschaft hat die Geheimdienstfirma Alp Services Pelda instrumentalisiert, ohne dass dieser es realisierte. «Ich wusste nicht, dass meine Recherchen für die VAE bestimmt waren. Hätte ich es gewusst, dann hätte ich nicht für Alp Services gearbeitet», erklärte Pelda gegenüber «Mediapart».

«Alp Services» habe ihn nicht bezahlt, um journalistische Artikel zu schreiben. Seinen Arbeitgeber «Tages-Anzeiger» habe er nicht informiert, weil die Arbeit für Alp Services in seinen Augen keinen Interessenkonflikt darstellte. 

Auch der «Tages-Anzeiger»-Journalist Sylvain Besson sagt, dass er nichts gewusst habe über die Auftraggeber von Alp Services. Im Gegensatz zu Pelda bestreitet er, Gelder von der Geheimdienstfirma erhalten zu haben. Er räumt jedoch ein, dass er regelmässig mit Alp Services in Kontakt stand und «Informationen über verschiedene Themen» ausgetauscht habe. 

Alp Services hat weder auf Fragen von RTS noch von Infosperber geantwortet.

Hazim Nada beginnt sich zu wehren

Die Gerüchte und Berichte, Hazim Nada und sein Vater hätten Kontakt mit Terroristen, hat für die beiden Geschäftsleute schwere finanzielle und persönliche Folgen. Nach dem Verdacht, die private Geheimdienstfirma Alp Services könnte den Rufmord organisiert haben (siehe erster Teil), schickt er eine E-Mail an den allgemeinen Briefkasten auf der Website von Alp Services. Darin beschwert er sich über «Betrug und Scherzanrufe zur Erlangung privater Informationen über unser Unternehmen» und schlägt vor, die Angelegenheit «gütlich» zu lösen. Er erhält keine Antwort. Doch er ist zu beschäftigt damit, die finanziellen Forderungen der Gläubiger seiner Firma Lord Energy zu befriedigen, als dass er sofort nachhakt.

Alp Services geht ihm natürlich nicht mehr aus dem Kopf. Erst Anfang 2021 wendet sich Nada erneut per E-Mail an das Unternehmen und droht mit «persönlichen und beruflichen Konsequenzen für Ihre Vertreter und Ihr Unternehmen», falls die falschen Behauptungen, die Alp Services verbreitet, nicht korrigiert werden. 

In jenem April steht seine Frau kurz vor der Geburt des zweiten Kindes. Der Stress durch den Zusammenbruch von Lord Energy belastet seine Ehe massiv.

Vertrauliche Dokumente geleakt

Zu diesem Zeitpunkt erhält er eine verschlüsselte Nachricht von einer unbekannten französischen Nummer. Der Absender, der sich weigert, seinen Namen zu nennen, behauptet, er spreche für eine Gruppe von Hackern, die in die Online-Konten von Alp Services eingedrungen seien. 

Als Beweis legt der Absender Nada eine Kopie der Droh-E-Mail vor, die er an den Posteingang von Alp Services geschickt hatte. Ihm schwirrt der Kopf: War dies ein Trick von Alp Services selbst? Dann zeigt der Kontakt Nada interne E-Mails von Alp Services, in denen Mitarbeiter angewiesen wurden, die Online-Artikel zu schreiben, in denen er als Extremist bezeichnet wird.

Nada kann seine Wut kaum noch kontrollieren. «Wenn ich keine Familie gehabt hätte, hätte ich mir wohl eine Waffe besorgt und wäre nach Genf gefahren.»

30 Millionen Dollar verlangt für Terabytes an gestohlenem Material

Die Hacker schicken ihm Nachrichten in einem eigenwilligen Englisch, gespickt mit französischen und italienischen Wörtern, nur der Stil variiert mit der Zeit. Nada nimmt an, dass er es mit einer Gruppe von Europäern zu tun hat. «Die Jungs», wie Nada sie nennt, klingen in seinen Ohren dabei als rechtschaffen – als wären sie «Aktivisten», die Mario Breros Fehlverhalten aufdecken wollen. Das sind sie aber nicht. «Sie wollten Geld» sagt Nada, was sich als vollkommen richtig erweist. 

Die Hacker bieten Nada ihre Dateien – Terabytes an gestohlenem Material, darunter E–Mails, Angebote und Berichte, Fotos, Rechnungen und aufgezeichnete Telefongespräche – für dreissig Millionen Dollar in Kryptowährung an. Nada schreibt den Hackern, dass er weder willens noch in der Lage sei, sie für ihre Informationen zu bezahlen. Doch die Nachrichten kommen weiterhin. 

Nach rund zwei Wochen ändern die Hacker ihre Taktik: Hazim Nada soll als Bote fungieren. Er soll ihr «Angebot» an einen wohlhabenderen potenziellen Käufer weiterleiten. Die Chance auf Rache lockt Hazim Nada.Doch er befürchtet, dass man ihn der Beihilfe zum Hacking beschuldigt. Daher meldet er den Vorfall stattdessen innerhalb von zwei Tagen nach dem ersten Kontakt den Schweizer Behörden. 

Der Schweizer Geheimdienst bleibt tatenlos

Ein Agent des Schweizer Geheimdienstes NDB (Nachrichtendienst des Bundes), Antonio Covre, begab sich ins Spital, in dem Nadas Frau entbunden hatte, und machte Fotos von den verschlüsselten Nachrichten. Doch unglaublich aber wahr: Niemand geht der Sache in der Folge nach.

Um Nada von ihrem Angebot zu überzeugen, lassen ihn die Hacker den gestohlenen Zwischenspeicher durchsuchen. Sie hindern ihn lediglich daran, etwas davon herunterzuladen: Die «Die Jungs» machen keinerlei Anstalten, die Daten vorher zu bearbeiten und einige Stellen unkenntlich zu machen, so wie es Hacker meistens tun. 

Nada, der nicht weiss, was er tun soll, sieht das Ganze mittlerweile mit einer Mischung aus Wut und Faszination an. Es geht im gesundheitlich dabei wieder schlechter: Bis tief in die Nacht hinein durchforstet er den Fundus. Er schläft kaum noch, es setzt ihm zu: «Wenn ich allein im Auto sass, fing ich vor Wut an zu schreien.» 

«Nur Kunden mit Ethik, die unsere Werte teilen»

Alp Services
Aus der Werbebroschüre der Genfer Firma Alp Services: aktiv rings um den Erdball

«Wir sind Söldner, aber wir haben unsere Ethik», schreibt Mario Brero, der Besitzer der privaten Genfer Geheimdienstfirma Alp Services. «Wir arbeiten nur mit Kunden zusammen, mit denen wir dieselben Werte teilen.» Diese Werte teilenden Kunden kommen zum Beispiel aus Kasachstan, Montenegro, Kongo, Nigeria, Gabun, Monaco, Angola, Usbekistan und Saudi-Arabien. 

Zu Mario Breros Aufträgen gehörten auch Nachforschungen für den französischen Modemagnaten Bernard Arnault oder den israelischen Bergbau-Tycoon Beny Steinmetz. Weitere illustre Kunden sind eine Reihe von Milliardären aus Osteuropa. Bulat Utemuratov aus Kasachstan oder die russischen Oligarchen Oleg DeripaskaDmitry Rybolovlev und Vladimir Smirnov.

Deren Sprecher lehnten gegenüber dem «The New Yorker» jegliche Stellungnahmen ab oder waren nicht zu erreichen.

Nada erzählt mir weiter, dass er in den gestohlenen Dateien Sicherungskopien verschiedener iPhones und BlackBerry-Geräte entdeckte. Das deutet darauf hin, dass Mario Brero Hacker anheuert. 

Fotos, die in Sicherungskopien von Mario Breros Telefon gespeichert sind, gewähren zudem Einblicke in Nadas Privatleben: Beispielsweise wie er seiner Tochter Blumen schenkt oder sich um ein anderes Kind kümmert. Brero hat ganz offensichtlich wenig Skrupel, in die Privatsphäre anderer Menschen einzudringen. 

Hazim Nada findet auch eine überraschende Menge vertraulicher Bankdaten. Jemand nutzt hierbei eine Proton-Mail-Adresse. Proton ist ein sicherer Ende-zu-Ende-verschlüsselter E-Mail-Dienst des schweizerischen Unternehmens Proton AG

Geschenke, Dessous und Sexarbeiterinnen

Dieser Jemand korrespondiert via Proton mit Alp Services, um Einzelheiten über Kundenkonten bei der Schweizer UBS zu erhalten. Ehemalige Mitarbeiter des privaten Genfer Geheimdienstes wissen, dass ein UBS-Mitarbeiter solche Informationen manchmal an Brero weitergab – im Austausch für «Geschenke».

Auf solche Geschenke deuten auch Bilder einer Frau, die in schicken Räumen in Dessous posiert. Aus der hausinternen Alp Services-Korrespondenz geht hervor, dass die Firma einen Schweizer Steuerbeamten mit einer Sexarbeiterin kompromittiert. 

Ein ehemaliger Alp Services-Mitarbeiter, der nichts vom gehackten Material weiss, erzählt mir wiederum, dass Brero während seiner Arbeit für den Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier eine Sexarbeiterin bezahlte, um einen Schweizer Steuerbeamten zu verführen. Natürlich bestreitet der Sprecher von Bouvier dies. Doch zwei weitere ehemalige Mitarbeiter erzählen mir, dass sie von mindestens einem weiteren Fall wissen, bei der Brero diese Taktik angewendet hat.

Der wahre Auftraggeber der Schmutzkampagne

Die Hacker schweigen darüber, wer Alp Service den Auftrag gab, um ihn anzugreifen. Sie lassen Nada vielmehr raten. Er nennt Konkurrenten aus dem Ölgeschäft. «Falsch», teilen sie ihm mit. Hazim Nada kann es nicht glauben: Der wahre Auftraggeber ist Scheich Mohamed bin Zayed, der Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate VAE.

Der damalige de-fakto-Herrscher Scheich Muhammad bin Zayid Al Nahyan ist dank seiner Kontrolle über riesige Staatsfonds einer der allerreichsten Menschen der Welt. Er befehligt das schlagkräftigste Militär der arabischen Welt und zahlt immense Summen an Lobbyisten, Think Tanks und ehemalige Regierungsbeamte, um seinen Einfluss im Westen zu maximieren. 

Seit den Aufständen des Arabischen Frühlings 2011 führt Mohamed im gesamten Nahen Osten eine Kampagne, um die autoritäre Ordnung in der Region wiederherzustellen und zu festigen. 

Nada bekommt Angst: «Ein Ölhändler will normalerweise nur, dass man ein Gebiet verlässt. Aber das ist jemand mit den Ressourcen eines Staates.» Diese Bedrohung betrachtet er als existenziell.

Es überrascht mich nicht, dass die Vertreter der VAE in Washington und Abu Dhabi keine meiner Recherche-Anfragen beantworten.

Der nahe Osten orchestriert Intrige und Betrug 

Die VAE heuern Mario Breros Alp Services im Rahmen der Fehde mit ihrem Nachbarn Katar an. Beide Staaten sind vom Westen unterstützte erdölreiche Monarchien. Beide haben eine zweifelhafte Menschenrechtsbilanz. Beide autoritäre Monarchien sind enge Partner des Pentagons.

Doch die Herrscherfamilien von Katar und den VAE verfolgten unterschiedliche, wenn auch gleichermassen zynische Strategien, um ihre Macht zu stärken. Katar vollzieht dabei einen Balanceakt: Es beherbergt einen wichtigen US-Luftwaffenstützpunkt, pflegt aber auch ein taktisches Bündnis mit der Muslimbruderschaft. Dies, um sowohl an der Basis Einfluss in der arabischen Region zu gewinnen als auch ein Gegengewicht zu seinen grösseren Nachbarn Saudi-Arabien am Persischen Golf zu schaffen. 

Katar heisst die Muslimbrüder im Exil in Doha willkommen und überlässt ihnen die Mikrofone im staatlichen Sender Al Jazeera – die einzige Bedingung: Nicht über die katarische Politik diskutieren. Während des Arabischen Frühlings 2011 setzt Katar sein Geld und seine Medien ein, um die Forderungen nach Demokratie zu verstärken, freilich nicht im eigenen Land. Zynischer geht es kaum noch: Gerade die radikal-islamistische Bewegung soll die Macht in der Region übernehmen.

«Der Nahe Osten ist nicht Kalifornien»

Scheich Mohammed bin Zayed hingegen erhebt den Anspruch auf eine regionale Führungsrolle mit der Vorstellung, dass die VAE eine modernisierende Kraft in einer gefährlich rückständigen Region seien. 

Die Bruderschaft – gegründet unter der Prämisse, dass eine islamische Wiederbelebung und eine islamische Staatsführung die Grösse der arabischen Welt wiederherstellen könnten – sieht er als Verkörperung dieser Rückständigkeit. 

Deshalb macht ihm die Aussicht auf eine arabische «Demokratie» Angst, erklärt er westlichen Besuchern. Er warnt, dass Islamisten in jedem Land mit muslimischer Mehrheit sogenannte freie Wahlen gewinnen würden. «Der Nahe Osten ist nicht Kalifornien», sagt er. Über WikiLeaks erklärt er amerikanischen Diplomaten, dass 50 bis 80 Prozent seiner eigenen Streitkräfte dem Ruf «eines heiligen Mannes in Mekka» folgen würden.

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Übersetzung und Bearbeitung von Georg Rettenbacher

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1Hier war fälschlicherweise statt von «Islamic Relief Worldwide» von «Islamic Relief Schweiz» die Rede.

FORTSETZUNG

Lesen Sie im dritten Teil, mit welchen Methoden die private Schweizer Geheimdienstfirma Alp Services den Ruf von Vater und Sohn Nada und damit deren weltweite Geschäfte ruinierten.



Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 15.07.2023 um 07:43 Uhr
    Permalink

    Wenn ich dass jetzt richtig verstanden habe, ging es im ersten Teil um Manipulation und Erpressung. Im zweiten Teil, um eine tiefgründige Organisation, die reichen Kunden beim erreichen ihrer «ganz persönlichen» Interessen behilflich ist. Vergleichbar mit einer «geistigen» Söldnertruppe, von denen es bestimmt noch mehr gibt, die wiederum, für andere Staaten unterwegs sind.
    Das die reichen Golfstaaten nur vorne herum pro westlich sind, liegt daran, das der Westen kein anderes Bild zulässt, ohne nicht gleich böse zu werden. Hintenherum wird die Sharia immer noch verteidigt. Sogar der IS und seine ganzen Ableger. Und die Muslimbrüder wurden erst 2013 vom Westen verboten. Vorher waren es «die Guten» und durften mit Waffen versorgt werden.
    Der Islam verteidigen «seine» Werte doch auch nur so radikal, wie wir unsere demokratischen Werte verteidigen . Wir gehen dafür, ja auch über Leichen.

  • am 16.07.2023 um 08:02 Uhr
    Permalink

    Die Arbeitsweise und die Job-Description von «Journalisten», Privat»ermittlern» und Nachrichtendienstmitarbeitern unterscheidet sich nicht wesentlich voneinander, und dass es da personelle Überschneidungen gibt, ist nicht überraschend. Zu den Tätigkeiten gehören nicht nur das Herausfinden von wenig bekannten Fakten, sondern auch aktive Massnahmen, wie das Diskreditieren von Kritikern, im Bereich der sozialen und traditionellen Medien (schon mal von JTRIG gehört? Wenn nicht, lese man The Intercept). Das hier beschriebene Phänomen ist also nicht ein isoliertes oder auf die VAE beschränktes Vorgehen. Bei der ganzen ‹OSINT› Bewegung die ab 2011 aufkam, ist oft nicht klar, wer letztendlich dahintersteht und wer das finanziert. Tatsache ist, dass oft ‹zielgesteuert› gehandelt wird, nach einem vorgegebenen ‹Narrativ›.
    Es begann ab ca. 2011 – oder wurde ab da sehr deutlich – beim Thema Libyen und Syrien. Wo man sich bei MSM Artikeln fragen musste, wo diese «Infos» wirklich herkommen.

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