Kommentar
kontertext: Nach dem «feministischen Frauenstreik» 2023
Der 14. Juni ist und bleibt ein Lackmustest für das kollektive Gefühl von Frauen, die sich einmal als politische Stimme erhoben, sich als politisierte Frauen oder eben als Feministinnen bekannt haben. Die Frage, wo man sich zugehörig fühlt, hat mit Sozialisation und Generation zu tun. War man als junge Frau dabei, blickt man automatisch auf sich zurück wie beim Betrachten alter Filme. Wer war man, was riss einen mit, was riss einen aus sich heraus? Ich hatte damals gerade meine erste ersehnte Stelle angetreten, der Streik vom 14. Juni 1991 brannte sich ein. Die Erinnerung daran ändert sich zwar mit den Jahren, aber etwas bleibt: Zum Streik gehört eine bestimmte Wut und es gehört Lust dazu. Beides. Mut braucht es nicht mehr so viel wie damals, da ja nicht mehr richtig gestreikt wird. Lust kommt auf, wenn Frauen sich verbinden, das ist immer wieder wunderbar. Warum aber braucht es noch immer auch die Wut und den Kampf?
Respekt. Mehr Lohn. Mehr Zeit.
Die bürgerlichen Frauen wollen nicht mehr wütend sein. Nun, da soviel erreicht ist, zum Beispiel durch (ihre) Vertretung im Parlament, solle man sich etwas gemässigter geben. Das Mantra von Christiane Bachmann-Roth war deshalb, der feministische Streik würde Wut schüren und damit die «Mitte» verlieren. Tatsächlich bedeutet feministisch sein, sich für die Rechte von Frauen und andern Patriarchat fremden Menschen einzusetzen. Ohne das hätte es nie eine Politik für Frauen gegeben. Der Slogan der Unia drückte die Forderung der ebenso alten wie neuen feministischen Allianz in seiner Formel am 14. Juni 2023 perfekt aus: Respekt. Mehr Lohn. Mehr Zeit.
Die Formel ist das pars pro toto einer weiblichen Mehrheit, die noch immer aufgrund ihres Körpers und ihres Geschlechts unsicher sein muss, die noch immer mehrheitlich zu geringeren Löhnen arbeitet und die noch immer zu viel unbezahlte Arbeit allein leistet. Im Zentrum stand also einmal mehr das, womit es begonnen hat. Demgegenüber ist der Streit um die Sanierung der AHV als vermeintliche Gleichberechtigung marginal und noch immer zynisch.
Feministisch denken heisst weiterhin, von der Situation der Frauen auszugehen und sie zu verbinden mit strukturellen Problemen der Macht und der Wertschätzung. Im Politischen wie im Privaten. Dass man die bürgerlichen Frauen damit verloren hat (und sie fehlten wirklich, wie Barbara Marti hier befürchtet hatte), zeigt: Eher solidarisieren sich bürgerliche Frauen mit Fragen der Quoten und Karrieren, nicht aber mit den Fragen der weiblichen Mehrheit. Ihre Mahnung, es gehe beim feministischen Streik nurmehr um die Sache der Linken und nicht mehr um die «Sache der Frau» ist entsprechend schal: Was denn wäre eine «Sache der Frau», die nicht durch linke Politik angestossen oder mitgetragen wurde?
Explizite Inklusion: FLINTAQ als Obstakel
Das eigentliche Obstakel für das bürgerliche Lager und auch für viele linke Frauen älterer Generationen hat aber nichts zu tun mit den konkreten Forderungen, sondern mit der expliziten Inklusion, die im Begriff des Feministischen steckt. Diese Explizitheit ist neu, nicht die Forderungen, nicht das Feministische. Die neue Bezeichnung FLINTAQ (für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, non-binäre, trans, agender und queere Menschen) löst ebenso viel Befremden aus wie LGBTQA, auch wenn sie sich einfacher aussprechen lässt und das F an erster Stelle steht. Die explizite Inklusion ist zwar kreativ, bleibt aber problematisch: Was oder wer sind dann die anderen?
Eine Toilette an der Art Basel zeigt freiwillig oder unfreiwillig das Problem: Die Toilette neben der FLINTAQ-Kabine im «Social Club» heisst: ALL GENDER. Im Inneren aber hängen doch Pissoirs, die sich an männliche Körper richten. Es geht also idealerweise statt um Frauen und Männer um zwei Formen von Inklusion. Die eine ist explizit und definiert (FLINTAQ), die andere nicht (ALL GENDER). Das ist ein sehr grosser Unterschied.
An diesem müssten alle feministischen Menschen weiterdenken, insbesondere die jüngeren. Es ist der Punkt, wo auch ich als Dozentin bisweilen zur Mahnerin werde: Verliert euch bloss nicht darin, weitere Identitäten, Aufträge und Regeln zu verschreiben! Hört auf, die Sprache zu drangsalieren! Hütet euch, die Freiheit den anderen zu überlassen, denn der Versuch, die «anderen» zu erziehen, führt zu Polarisierungen! Das ist gefährlich, die Initiative der SVP gegen den Gender* zeigt es. Und es lässt vergessen, dass Aufstand auch Genuss bereitet!
Doch da tauchte das richtige Transparent auf: Resistance is Joy, wenn auch semantisch verkehrt. Die neue feministische Praxis – und das zeigte der Streik von 2023 noch mehr als jener von 2019 – ist die fröhliche und freche Durchmischung ohne Grenzkontrollen. Die von der SVP ausgegebene Angst vor dem «Genderwahn» verhindert nämlich die Vorstellung davon, wie tolerant junge Menschen sein können, wenn man sie respektiert in ihrer Andersartigkeit.
Was kommt, was bleibt?
Es waren viel weniger Menschen auf der Strasse am 3. Frauenstreiktag als vor vier Jahren und das erstaunt nicht. Es gab da eine Pandemie, die zur Individualisierung und zum Rückzug geführt hat – das spürt zum Beispiel die Klimabewegung. Dann hat die inklusive Umbenennung die Gewichte verschoben und der Stil hat sich entsprechend weiter entwickelt Richtung schrill, popig und eben: jung. Erstmals waren jüngere Frauen deutlich in der Überzahl, zumindest in Basel. Und ja: Christa Markwalder hätte sich fremdgeschämt mit diesen violetten Ballonen und den Trillerpfeifen. Solche Abwendungen wird es noch eine Weile geben, aber die feministische Zukunft sind nun einmal die jungen Frauen – und Männer (und alles um sie herum). Hier spricht die Politologin Cloé Jans zurecht sehr klar von einer Kluft der Generationen. Nicht lustig für den «mittelmässigen Mann», nicht immer angenehm für Cis-Frauen meiner Generation. Aber unvermeidlich. Die Generation Z steht vor ganz anderen Herausforderungen, ihr Wunsch, anders zu leben erschöpft sich nicht in Forderungen von Lohngleichheit, viele glauben nicht mehr an die Politik der kleinen Schritte, viele sind durch die Jahre der «Polykrise» erschöpft oder zutiefst besorgt.
Die Soziologen sagen, dass in den letzten vier Jahren, mit dem Klimawandel, der Pandemie und dem Krieg in Europa das Versprechen der Moderne, dass alles noch besser werden kann, gekippt, sei. Umso wichtiger ist der Erfolg der Frauenbewegung in allen Allianzen rund um den Erdball. Es ist eine der mächtigsten sozialen Bewegungen, die sich nicht in Kämpfen aufgelöst hat, sagt meine Streikgefährtin, die Genderphilosophin Katrin Meyer am Ende des 14. Juni 2023. Das war für mich die schärfste Mahnung, sie hallt nach. Mag sich die Frauenbewegung noch so wandeln, es ist wichtig, wenn auch die jungen Streikenden diese Erfolgsgeschichte der breiten Allianzen durch alle Generationen und Milieus kennen. Nur so wird sie bleiben und sich weiterentwickeln und vielleicht auch wieder wachsen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Silvia Henke ist Literatur- und Kulturwissenschaftlerin und Publizistin.
Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe von Autorinnen und Autoren, zurzeit Silvia Henke, Mathias Knauer, Michel Mettler, Beat Sterchi und Felix Schneider.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Hat sich der Feminismus nicht zu Tode gesiegt? Frauen sind längst in höchsten Posten angekommen (Merkel, Von der Leyen, Baerbock, May, Truss, Albright, Clinton, Pelosi usw.), haben sich dabei auch nicht feiner, intelligenter oder moralischer als Männer angestellt und ebenso wenig Solidarität mit ihren Geschlechtsgenossinnen bewiesen. Keiner Putzfrau, keiner Kindergärtnerin, keiner Pflegerin, keiner Allinerzieherin geht es nun besser. Quoten verkommen zum Klientelwesen und dienen als Vorwand, um sich einen Platz an den Fördertöpfen zu sichern. Es gab einmal einen feministischen Ethos, der von Frauen wie der Österreicherin Johanna Dohnal auch in politische und gesetzgeberische Taten umgemünzt wurde. Heute ist der Feminismus zum Stimmenfang und Pfründevergabe verkommen und er lässt es kampflos zu, dass Genderismus und LG-irgendwas-Bewegungen die Frau als biologisch einzigartiges Wesen entwerten und gleichzeitig Rechte kapern, die lange und zermürbend erkämpft werden mussten.
Das Thema der gesellschaftlichen Stellung der Frau hat das Wesentliche noch nicht einmal ansatzweise erfasst.
1. Die Schlechterstellung der Frau wurde bereits in der Bibel verbreitet, die Mär von Eva. Und seit jeher hat die katholische Kirche die Frauen unterdrückt.
2. In der heiligsten Aktivität, der Vereinigung von Frau und Mann, hat in Indien die Frau die alleinige Regie und der Mann macht in Verehrung der Frau genau das, was sie ihm mit der Intuition ihres Herzen aufgibt. Was weiß schon ein Mann von der Sexualität einer Frau. Und letztlich lernt er von ihr über die Jahre, von dem kleinen Verlust seiner Lebensenergie bei seinem happy end Abstand zu nehmen. (Manche lernen es nicht, bzw. wollen es nicht lernen).
3. Die Frau ist naturgemäß dem Mann in der Lebensorganisation, der Haushaltsführung überlegen. Das muss ich nicht im einzelnen belegen.
4. Resultat: Bei 3 Kindern bekommt sie eine Rente welche die ihres Mannes um 25% übersteigt.