US-Aussenminister Blinken erläutert die Kriegsziele
upg. Unter dem Titel «Russlands strategisches Scheitern und die sichere Zukunft der Ukraine» hielt US-Aussenminister Blinken eine Grundsatzrede. Im Folgenden dokumentieren wir einige relevante Ausschnitte.
«Die USA sind – gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern – fest entschlossen, die Verteidigung der Ukraine heute, morgen und so lange wie nötig zu unterstützen […] Wir glauben, dass eine stärkere Ukraine die Voraussetzung für eine sinnvolle Diplomatie und einen echten Frieden ist, der jede künftige Aggression abschreckt und verhindert […] Einige Länder werden zu einem Waffenstillstand aufrufen. Und oberflächlich betrachtet klingt das vernünftig – sogar attraktiv. Wer will denn nicht, dass die Kriegsparteien ihre Waffen niederlegen? Wer will nicht, dass das Töten aufhört? […] Aber ein Waffenstillstand, der die derzeitigen Linien einfach einfriert und es Putin ermöglicht, die Kontrolle über das Gebiet, das er eroberte, zu festigen, würde Russlands Landnahme legitimieren. Es würde den Aggressor belohnen und das Opfer bestrafen.»
Zu den künftigen militärischen Fähigkeiten Kiews sagte Blinken:
«Amerika und unsere Verbündeten helfen der Ukraine, ihre Bedürfnisse auf dem aktuellen Schlachtfeld zu befriedigen und gleichzeitig eine Streitkraft zu aufzubauen, die in der Lage ist, Aggressionen auf Jahre hinaus abzuschrecken und abzuwehren. […] Das bedeutet, dass wir beim Aufbau eines ukrainischen Militärs der Zukunft helfen, mit langfristiger Finanzierung, einer starken Luftwaffe, die sich auf moderne Kampfflugzeuge stützt, einem integrierten Luft- und Raketenabwehrnetz, fortschrittlichen Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, nationalen Kapazitäten zur Herstellung von Munition und der Ausbildung und Unterstützung, um Streitkräfte und Ausrüstung kampffähig zu halten.»
Blinken fuhr fort:
«Russland steht heute deutlich schlechter da als vor dem Einmarsch in die Ukraine – militärisch, wirtschaftlich und geopolitisch […] Präsident Putin hat den russischen Einfluss auf allen Kontinenten geschwächt.»
Blinken wies den Vorwurf zurück, die USA hätten vor Kriegsausbruch die Sicherheitsbedürfnisse Russlands ignoriert. Vielmehr habe die Biden-Administration versucht, den Kreml vor dem Einmarsch in der Ukraine in eine sinnvolle Diplomatie einzubinden:
«Präsident Biden sagte Präsident Putin, dass wir bereit seien, unsere gegenseitigen Sicherheitsbedenken zu diskutieren – eine Botschaft, die ich wiederholt bekräftigt habe, auch persönlich gegenüber Aussenminister Lawrow […] Wir haben schriftliche Vorschläge zum Abbau der Spannungen unterbreitet. Gemeinsam mit unseren Verbündeten und Partnern haben wir jedes Forum genutzt, um zu versuchen, einen Krieg zu verhindern, vom NATO-Russland-Rat bis zur OSZE, von der UNO bis zu unseren direkten Kanälen.»
Was Blinken in Helsinki nicht sagte: Als nicht verhandelbar und kein Gegenstand einer diplomatischen Lösung war für die USA stets eine beabsichtigte NATO-Mitgliedschaft der Ukraine. Noch im April 2022 hatte Derek Chollet, aussenpolitischer Berater der Regierung Biden, erneut eingeräumt, dass sich das Weisse Haus weigerte, mit dem Kreml über Putins Kernanliegen, die Nicht-Aufnahme der Ukraine in die NATO, zu verhandeln.: «Wir haben den Russen klargemacht, dass wir bereit sind, mit ihnen über Themen zu sprechen, die wir für echte Anliegen halten, wie zum Beispiel Gespräche über Aufrüstung», sagte Chollet und fügte hinzu, die Regierung sei nicht der Meinung, dass «die Zukunft der Ukraine» zu diesen Themen gehöre. Er machte klar, dass die USA sich weigerten, mit Russland über eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zu reden. Das sei kein «kein Thema» (ab 5’09) gewesen. Russland habe kein Vetorecht, um eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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«Präsident Biden sagte Präsident Putin, dass wir bereit seien, unsere gegenseitigen Sicherheitsbedenken zu diskutieren – eine Botschaft, die ich wiederholt bekräftigt habe, auch persönlich gegenüber Aussenminister Lawrow.» Dies ist ein eindrückliches Beispiel westlicher Propaganda, denn das Wichtigste wird weggelassen: «Auf die tiefliegenden Sicherheitsbedenken Russlands wegen einer NATO-Aufrüstung der Ukraine konnten wir leider nicht eingehen, weil diese nicht sinnvoll, das heisst, nicht im Interesse der USA lagen.»
Die USA sind Meister der Rhetorik: 1) Weglassung (wie in diesem Beispiel), 2) Dauerndes Wiederholen (z.B. «Der unprovozierte Angriffskrieg») 3) Verzerrung (Russland hält sich nicht an die «international rules based order», die internationale regelbasierte Ordnung, welche in Tat und Wahrheit von den USA diktiert wurden).
Die interessante Frage ist nur: Wieso fällt das unseren studierten Journalisten nicht auf? Sind sie so naiv oder dürfen sie nicht anders?
@ Andreas Käser, zu Ihrer Frage: Wie schrieb Albert Einstein schon vor 74 Jahren in der Monthly Review: «… Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist eine Oligarchie des Privatkapitals, dessen enorme Macht auch von einer demokratisch organisierten politischen Gesellschaft nicht wirksam kontrolliert werden kann. … Darüber hinaus kontrollieren die Privatkapitalisten unter den bestehenden Bedingungen zwangsläufig direkt oder indirekt die wichtigsten Informationsquellen (Presse, Radio, Bildung). …» und weiter, heute aktueller denn je: «… Es ist daher für den einzelnen Bürger äusserst schwierig, ja in den meisten Fällen sogar ganz unmöglich, objektive Schlussfolgerungen zu ziehen und seine politischen Rechte intelligent zu nutzen. …» – übrigens auch nach einem 3/4 Jahrhundert ein insgesamt immer noch sehr lesenswerter Beitrag.
(s. https://www.infosperber.ch/gesellschaft/einkommen-vermoegen/albert-einstein-mehr-verantwortungsgefuehl-fuer-die-mitmenschen/)
Nicht zu vergessen, dass die USA sich selbst nicht an Punk (3) halten. Die USA haben soviele Kriege ohne UNO Mandat gestartet, dass ich die schon gar nicht mehr zählen kann.
Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde mehr…!
Was ebenfalls nicht erwähnt wurde, war der rechtswidrige Regimechange in der Ukraine mit seinen verheerenden Folgen. Er wird ausgeblendet und «blame game» gespielt.
Die völkerrechtswidrige Annektion der Ölfelder in Syrien – ebenfalls kein Wort. In einer chinesischen Erklärung hiess es dazu: «Die USA besetzen weiterhin willkürlich wichtige Gebiete in Syrien, die für die Getreide- und Ölproduktion wichtig sind, und plündern die nationalen Ressourcen Syriens, was für die Einheimischen eine humanitäre Krise nach der anderen verursacht. (…) Die USA müssen die Souveränität und territoriale Integrität Syriens respektieren, auf die Forderungen der Syrer eingehen, die einseitigen Sanktionen gegen das Land aufheben und die Plünderung der syrischen Ressourcen beenden.»
Zudem wollten die Westukrainier die russigstämmigen Ostukrainer ausradieren. In der NYT gibts gerade einen Artikel, wie die Ukrainer Nazi-Symbole auf ihren Uniformen haben: «Since Russia began its invasion of Ukraine last year, the Ukrainian government and NATO allies have posted, then quietly deleted, three seemingly innocuous photographs from their social media feeds: a soldier standing in a group, another resting in a trench and an emergency worker posing in front of a truck.
In each photograph, Ukrainians in uniform wore patches featuring symbols that were made notorious by Nazi Germany and have since become part of the iconography of far-right hate groups.»
Dabei geht vergessen, dass ohne all die Versprechungen, die man den Russen damals machte, eine Deutsche Wiedervereinigung Wunschtraum geblieben wäre! Aber, Herr Blinken, Herr Sullivan und Frau Nuland, wir wissen wessen Geiste Kind sie sind. Zusammen mit etwa hundert Personen gehören sie zur kleinen Gruppe der Straussianer die seit Jahren den Kurs der US-Aussenpolitik bestimmt. Mit den weltweiten Blutspuren, die sie dabei – für uns alle sichtbar – von Vietnam über Afghanistan, den «Erweiterten Nahen Osten» und auch die Ukraine hinterlassen haben, zeigen sie uns unmissverständlich den gemeinsamen Kult den sie teilen und der nur zwei Begriffe kennt: Macht und Gewalt. Wie der meistgelesene geopolitische französische Analyst/Journalist Thierry Meyssan kürzlich meinte, haben sie uns vorgemacht in welche Vernichtungskriege sie uns stürzen können.
«Du sollst nicht töten» Punkt-Aus. Auch wenn uns Christen das Hirn während Jahrhunderten von der Kirche weichgespült wurde – ein Christ lässt sich lieber töten als dass er selber tötet… das wäre die eigentliche Essenz unseres Glaubens. Auf beiden Seiten der Kriegsfront werden immer mehr Menschen gegen ihren Willen in den Krieg rekrutiert, um das töten zu lernen; Gleichzeitig reden in Deutschland und England, aber auch in der Schweiz leider auch immer mehr «harmlose» Mitläufer von einem Krieg für Freiheit und Demokratie, Gut gegen Böse. Genau so sieht Kriegspropaganda aus, das hatten wir alles schon mal, wenn auch nur im Geschichtsunterricht.
@A.Seiler: diese Haltung ist ja nicht auf den christlichen Glauben beschränkt – auch wenn Jesus als prominenter Vertreter dieser Überzeugung überliefert ist. Fast im Gegenteil: der va. durch Descartes begründete Trennungsgedanke, welcher den Menschen als abgetrennt von allem übrigen Leben auf der Erde betrachtet und wohl auch den heute extremen Individualismus, Egoismus und die Ausbeutung der ganzen Erde begründet, stammt ja aus dem christlichen Kulturkreis Europas.
Imho wirklich anerkennenswert, dass mit Franziskus gerade ein christl. Papst in seiner Enzyklika Laudato si diese gedankliche Trennung wieder zu überwinden scheint und die Verbundenheit allen Lebens betont – und bezüglich des aktuellen Krieges in Osteuropa danach handelt.
Auch anderen Religionen, va. aber vielen (allen?) indigenen Kulturen und ihrer Spiritualität ist m.W. der Gedanke einer umfassenden Verbundenheit und Geschwisterlichkeit immanent – und scheint sogar durch die moderne Quantenphysik bestätigt zu werden.
Die Aussagen von Blinken sind menschenverachtend und zynisch: es sind Weltsichten eines Ewiggestrigen, der Macht weit über Menschlichkeit, Menschenleben, Wohlergehen der Menschen in der Ukraine, in Europa und der ganzen Welt, über die Lebenschancen kommender Generationen wie auch über Klimawandel und Belastbarkeit der Erde und ihrer Ökosysteme insgesamt stellt. All seine genannten Kriegsziele werden unweigerlich mit dem Blut tausender Ukrainer, Russen und anderer Kriegsbeteiligter und der Not abertausender Menschen bezahlt.
Die zitierte Aussage von Derek Chollet weist auf die Hybris der US-Amerikanischen Regierung hin: sie glaubt, bestimmen zu können, was für andere Länder wirklich wichtig sein darf und was nicht (in diesem Fall die NATO-Osterweiterung für Russland).
Dem kann ich nur zustimmen > Daumen hoch, auch wenn der Knopf nicht funktioniert
Die Rede zeigt nur, mit welchem Tunnelblick da gedacht und geredet und ( zum Glück, ohne Garantie) versprochen und versprochen und Einigkeit vorgegebenen wird.
Diese Arroganz und Machtbesessenheit ist unerträglich.
Noch unerträglicher ist allerdings, dass Europas Regierungen keinerlei Interesse zeigen, dies einzuhegen und eine tragfähige europäische Friedenslösung zu etablieren. Eine etwaige NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wird das Gegenteil eines stabilen Friedens sein.
@Axel Jung: ja das ist tatsächlich noch unerträglicher, zumal dafür wir Europäer selbst die Verantwortung tragen. Und zumal es dazu offenbar immer wieder mal Ansätze und vor 15 Jahren sogar einen konkreten Verhandlungsvorschlag aus Russland gegeben hatte (https://www.jungewelt.de/artikel/452085.weltordnung-in-den-wind-geschlagen.html?sstr=medwedew). Auch damals hatten offenbar die USA blockiert.
Da frage ich mich: Wollen, können oder dürfen unsere Europäischen Regierungen keine Initiative für eine Friedensordnung und gedeihliche nachbarschaftliche Beziehungen oder auch nur für einen Waffenstillstand oder wenigstens für ein Ende der Waffenlieferungen ergreifen??
Unsere europäischen Regierungen dürfen eigene Initiativen ergreifen, solange diese den amerikanischen Interessen nicht zuwider laufen. So einfach ist das.