Ärzte bevormunden junge Frauen ohne Kinderwunsch
Die Gesetzeslage ist klar: Wer sich unterbinden lassen will, muss mindestens 18 Jahre alt, urteilsfähig und umfassend informiert sein. Die Person muss dem Eingriff frei und schriftlich zustimmen. Trotzdem verweigern Ärztinnen und Ärzte jungen Frauen ohne Kinderwunsch eine Sterilisation oft jahrelang. Sie trauen diesen zwar zu, sich selbstbestimmt für ein Kind zu entscheiden. Aber beim Entscheid gegen Kinder misstrauen sie ihnen.
«Nach dem sechsten Arzt habe ich resigniert»
Sterilisation ist die sicherste Verhütungsmethode. Bei Frauen werden dafür beide Eileiter abgetrennt, so dass Eizellen nicht mehr in die Gebärmutter kommen. Eine Sterilisation ist grundsätzlich unwiderruflich. Der «Blick» berichtete kürzlich über den Fall einer 29-Jährigen, die sich sterilisieren lassen wollte. Sie liess sich von einer Psychotherapeutin begutachten. Trotzdem verweigerten sechs Gynäkologinnen und Gynäkologen in verschiedenen Praxen in der Stadt Basel den Eingriff. «Nach dem sechsten Arzt habe ich resigniert», sagte sie dem «Blick».
Auch Alma Lukic weiss seit Jahren, dass sie nie Mutter werden will. Die 19-Jährige sagte dem «Blick», dass sie sich von Ärztinnen und Ärzten bevormundet fühlte. Statt Hilfe habe sie von ihrem Gynäkologen über Jahre nur Rezepte für verschiedene Antibabypillen und Schmerzmittel gegen ihre schweren Menstruationsbeschwerden bekommen.
Bevormundung vermeiden
Jean Dubuisson, Leiter der Abteilung für Gynäkologische Chirurgie am Universitätsspital Genf, sagt, dass der Leidensdruck von Frauen ohne Kinderwunsch gross sein könne: «Viele haben einen schwierigen Weg mit vielen Abweisungen hinter sich, bis sie bei uns in der Sprechstunde sind.» Ärztinnen und Ärzte möchten junge Frauen meist erst unterbinden, wenn diese schon Kinder geboren haben. Doch persönliche Ansichten von Ärztinnen und Ärzten dürften die Behandlung von Frauen ohne Kinderwunsch nicht beeinflussen.
Weil in der Schweiz eine Richtlinie fehlt, entscheidet Dubuisson aufgrund der Empfehlungen des Ethikausschusses des «American College of Obstetricians and Gynecologists». Danach ist es ethisch vertretbar, junge Frauen, die noch kein Kind haben, zu unterbinden. Dubuisson: «Obwohl Ärzte verständlicherweise vermeiden wollen, dass Frauen eine Sterilisation bereuen, sollten sie auch eine Bevormundung vermeiden.»
In Deutschland informiert der Verein «Selbstbestimmt steril» über Ärztinnen und Ärzte, die Sterilisationen an jungen Frauen vornehmen und mit der Veröffentlichung ihrer Adresse einverstanden sind.
Kinderlosigkeit gilt als Makel
Die Gesellschaft nimmt es Frauen nach wie vor übel, wenn sie freiwillig kinderlos bleiben. Aktuelles Beispiel sind die Reaktionen auf einen Gastbeitrag für die Satiresendung «Daily Show» der kinderlosen US-Komikerin Chelsea Handler. Darin machte sie sich lustig über die Vorurteile gegenüber kinderlosen Frauen. Sie hasse Kinder nicht, sie wolle einfach keine, sagte Handler. Ihr Beitrag ging viral und sorgte für heftige Kritik. Handler antwortete ihren Kritikern mit einem neuen Video. «Warum brauche ich überhaupt eigene Kinder, wenn ich die ganze Zeit diese Schreibabys hören muss?»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Online-Zeitschrift «FrauenSicht».
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