Hillary Clinton: Ausgerechnet Republikaner helfen Putin und Xi
«Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, stellt eine Lösegeldforderung. Seine Geiseln sind die Wirtschaft und Amerikas Glaubwürdigkeit. McCarthy hat damit gedroht, dass sich die Republikaner im Repräsentantenhaus weigern werden, die Schuldenobergrenze der Bundesregierung anzuheben. Die Republikaner werden damit möglicherweise eine globale Finanzkrise auslösen, falls Präsident Biden nicht massiven Kürzungen in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Nahrungsmittelhilfe für arme Kinder und anderen Bereichen zustimmt.»
Diese Befürchtung äussert Hillary Clinton am 24. April in einem Gastbeitrag der «New York Times». Hillary war von 2009 bis 2013 US-Aussenministerin.
Führungsanspruch der USA steht auf der Kippe
Angesichts der brutalen Invasion Russlands in der Ukraine, der zunehmenden Spannungen mit China und der sich abzeichnenden globalen Bedrohungen – von künftigen Pandemien bis hin zum Klimawandel – erwarte die Welt von den USA eine starke, beständige Führung, erklärt die Ex-Aussenministerin. Das Zaudern des Kongresses in der Frage der Schuldenobergrenze sende die gegenteilige Botschaft an Verbündete und Gegner: dass Amerika gespalten sei, sich ablenken lasse und man nicht auf es zählen könne. In der Tat dürfte diese Sicht der Dinge namentlich in Teilen des globalen Südens mehr und mehr Fuss gefasst haben.
Es gehe nicht darum, schreibt Clinton, neue Ausgaben zu genehmigen, sondern um die Bezahlung von Schulden, die der Kongress bereits gemacht habe. Sie warnt vor globalen Konsequenzen bei einer Zahlungsverweigerung. Es drohe ein weltweiter finanzieller Zusammenbruch.
Aus Erfahrungen als Aussenministerin gelernt
Hillary Clinton war während der Krise um die Schuldenobergrenze im Jahr 2011 Aussenministerin und erfuhr damals aus erster Hand, wie die republikanische Verweigerungspolitik die Glaubwürdigkeit der USA in der Welt und das Vertrauen in den US-Dollar beschädigte.
Sie sei damals von nervösen Geschäftsleuten und Diplomaten mit existenziellen Fragen bedrängt worden: Konnte man den Vereinigten Staaten noch vertrauen? Würden die USA eine weitere, weltweite Finanzkrise auslösen? Und wenn Amerika ins Wanken geriete, würde dann China einspringen, um das Vakuum zu füllen?
2011 einigten sich der republikanisch dominierte Kongress und Präsident Barack Obama schliesslich auf eine Anhebung der Schuldenobergrenze. Dennoch fiel der Börsenwert S&P um 17 Prozent und die Kreditwürdigkeit der Regierung wurde zum ersten Mal überhaupt herabgestuft. Nach einer weiteren Krise im Jahr 2013 sei die Lektion klar gewesen, bilanziert Hillary Clinton: Mit Geiselnehmern (d.h. mit den Republikanern) zu verhandeln, ermutige sie nur, es wieder zu tun. Genau das geschehe jetzt, ein Jahrzehnt später, wieder. Nur seien die Risiken jetzt grösser als je zuvor. Der Wettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien habe sich verschärft, die Glaubwürdigkeit Amerikas und die Vormachtstellung des Dollars würden untergraben. Der Streit um die Schuldenobergrenze spiele dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin direkt in die Hände.
Gegen Autokraten hilft nur wirtschaftliche und militärische Stärke
Amerikas Führungsrolle in der Welt hänge von der wirtschaftlichen Stärke im eigenen Land ab. Ein Schuldenschnitt könne die Vereinigten Staaten sieben Millionen Arbeitsplätze kosten und die US- Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen, warnt Clinton. Zukunftsindustrien wie Mikrochips und saubere Energie würden geschwächt, die Konkurrenzfähigkeit würde leiden und die Modernisierung des Militärs blockiert. All das würde die Ansicht der Autokraten bestätigen, dass sich die amerikanische Demokratie im Niedergang befinde und man ihr nicht vertrauen könne.
Als Aussenministerin habe ein grosser Teil ihrer Aufgabe darin bestanden, das nach der Amtszeit von George W. Bush gestörte Vertrauen in die USA wieder aufzubauen. Dies sei nicht leicht gewesen. Hochrangige chinesische Beamte hätten geradezu «Spass daran gehabt, die USA für die globale Finanzkrise von 2008 verantwortlich zu machen» und auf ihren Problemen im Irak und in Afghanistan herumzureiten. Je dysfunktionaler und unzuverlässiger Amerika erschienen sei, desto einfacher hätten es chinesische Propagandisten gehabt, die Demokratie schlecht zu machen und mit ihrem eigenen autoritären System zu prahlen.
Die Glaubwürdigkeit Amerikas entscheide darüber, «ob nervöse Europäer weiterhin die Ukraine unterstützen oder ob sie ein Entgegenkommen gegenüber einem ermutigten Russland anstreben», schreibt Clinton. Die Glaubwürdigkeit könne darüber entscheiden, ob mehr asiatische Staaten US-Militärstützpunkte und Truppen zur Abschreckung chinesischer Aggressionen begrüssten, wie es die Philippinen kürzlich getan hätten, oder ob sie sich Pekings Schikanen beugten.
Der US-Dollar als potente Waffe ist gefährdet
Hillary Clinton verweist auch auf die herausragende Stellung des Dollars in der Weltwirtschaft und die Macht, die er den Vereinigten Staaten verleiht. Die Dominanz des US-Dollars in internationalen Transaktionen, die ausländischen Investitionen in US-Staatsanleihen, das Vertrauen darauf, dass Amerika seine Schulden bezahle, die Rechtsstaatlichkeit aufrechterhalte und Stabilität garantiere – all das sei durch das Seilziehen um die Schuldenobergrenze gefährdet. Die zentrale Stellung des Dollars verleihe den USA weitreichenden Einfluss. Er ermögliche es, lähmende Sanktionen zu verhängen, wie gegen den Iran oder jetzt gegen Russland.
Hillary Clinton ist nicht überrascht, dass Xi und Putin die Vorherrschaft des Dollars brechen und die amerikanischen Sanktionen abwehren wollen. Auf dem kürzlichen Gipfeltreffen in Moskau habe Putin angedeutet, dass Russland damit beginnen könnte, Öl in der ganzen Welt in chinesischen Yuan statt in Dollar zu verkaufen, wie es das bei Lieferungen nach China bereits tut. Die beiden Länder versuchen auch, grenzüberschreitende Finanzsysteme aufzubauen, um die US-Banken zu umgehen, und bauen ihre Reserven in US-Dollar ab.
Clinton ist überzeugt: Wenn der Kongress weiter mit einem Zahlungsausfall liebäugle, würden die Rufe nach einer Ablösung des Dollars als Weltreservewährung lauter werden – und das nicht nur in Peking und Moskau. Länder auf der ganzen Welt würden anfangen, «ihre Wetten abzusichern».
Es sei eine traurige Ironie, dass sich viele Republikaner im Kongress als knallharte China-Falken positionierten, während sie gleichzeitig drohten, die US-Schulden nicht zu bezahlen und damit Amerikas globale Führungsrolle sabotierten. «Die Republikaner sollten aufhören, Amerikas Kredit als Geisel zu nehmen», schreibt Hillary Clinton abschliessend.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Die USA wollten an Russland ein Exempel statuieren, dass ohne Dollar kein Überleben möglich sein. Jetzt zeigt sich das Gegenteil und dem «Rest der Welt» ist das nicht verborgen geblieben. Neulich haben auch Brasilien und Argentinien mit China ein Abkommen über Handel ohne Dollar abgeschlossen.
Was z.B. den republikanischen Senator Marco Rubio zur Klage veranlasste, wenn das so weitergehe könnten die USA in fünf Jahren niemanden mehr sanktionieren (erpressen).
Verliert der Dollar seinen Status, so wird es für die USA schwierig, ihre globale Führungsrolle weiter zu beanspruchen, wenn das Militär nicht mehr ohne weiteres durch Schulden finanziert werden kann.
Man kann nur beten, dass Clintons Schreckensszenario möglichst rasch Realität werde. Denn der von ihr gepredigte globale «Führungsanspruch der USA» hat diese Welt sozial, politisch und wirtschaftlich in den Abgrund geführt und den Planeten Erde in die Klimakatastrophe. Die Ablösung vom Dollar als Leitwährung würde eine Entwicklung beschleunigen, wie sie z.B. Yanis Varoufakis als dritten Weg und Voraussetzung für ein humanere Welt skizziert. Sozusagen eine Wiederbelebung der Idee der Blockfreien. Eine grosse Koalition der Schwellenländer, wohl unter Einschluss Chinas und Indiens, könnte dabei eine Schlüsselrolle spielen und die EU wäre endlich gezwungen einen eigenen Weg zu entwickeln. Für letzteres bräuchte es freilich nicht nur fähiges Personal sondern auch demokratisch gesicherte Entscheidungsprozesse. Brasiliens Präsident Lula hat mit seinem kürzlichen Besuch Chinas die Türe für eine neue Weltordnung aufgestossen, während 2 Deutsche in Berlin und Brüssel nicht wissen, was sie tun.
Tja wenn man sich selber das Grab schaufelt muss man sich nicht wundern, dass man reinfallen könnte. Spätestens als die USA (und ihre Vasallen) die Staatsfinanzen der Russischen Föderation blockiert haben, dürften einige Verantwortliche für Staatsfinanzen in anderen Ländern sich gefragt haben ob das ihnen auch passieren könnte. Und falls diejenigen zum Schluss kommen, das dem so ist, dürfte die Suche nach einer Alternative an Ernsthaftigkeit zugenommen haben. Auf kurze oder lange Sicht: dem Dollar droht der Einflussverlust. Gut so, möchte man sagen.
Die US-Sanktionen führen dazu, dass sich die Sanktionierten von den USA abkoppeln.