Grosses Wett-Casino auch bei Wechselkursen
Unser Bankwesen sollte eigentlich das reibungslose Zahlungs- und Kreditgeschäft von Konteninhabern und Unternehmen gewährleisten und Vermögen verwalten. Doch die Finanzindustrie hat die Finanzwelt in ein gigantisches Casino verwandelt, wo Milliarden-Gewinne locken. Man zockt und bereichert sich schamlos auf Kosten anderer – ohne Nutzen für die Volkswirtschaft. Wenn es schief geht: siehe Credit Suisse.
Das ganze Wettgeschäft ist wenig transparent. Die Börsensendungen und die Wirtschaftsseiten von Zeitungen informieren selten im Klartext darüber.
Infosperber versucht, den Schleier etwas zu lüften. In einem ersten Teil deckten wir auf, dass die unregulierten Schattenbanken weltweit fast die Hälfte sämtlicher Finanzanlagen verwalten. Im zweiten Teil erklärten wir Wettgeschäfte mit Derivaten wie CDS. Heute geht es um gigantische Spekulationen mit Währungen – ohne Nutzen für die Volkswirtschaft.
Wetten mit dem 200-Fachen des Einsatzes
Wettgeschäfte grössten Ausmasses gibt es auch mit Währungen. Entsprechend hat sich der Devisenhandel aufgebläht. 1995 lag der tägliche Umsatz noch bei 1,3 Billionen Dollar, 2019 bei 5 Billionen Dollar pro Tag. Heute erreicht der Umsatz nach Angaben der IG Bank 6,6 Billionen Dollar pro Tag.
Heute würden die Devisengeschäfte etwa einer einzigen Woche genügen, um den jährlichen weltweiten Kauf und Verkauf aller Güter und Dienstleistungen abzuwickeln, sagt Finanzprofessor Marc Chesney: «Während der restlichen 51 Wochen dient das Volumen des Devisenhandels einer stark übertriebenen Spekulation und macht den nützlichen Devisenmarkt ineffizient und intransparent.» Die aufgeblasenen Wettgeschäfte hätten sich von der Realwirtschaft weitgehend abgekoppelt.
Auch im Devisenhandel gibt es Swaps (Austausch). Man kauft (oder verkauft) auf einen zukünftigen Termin ausländische Währungen (Devisen) in der Erwartung, dass ihr Wechselkurs steigt (sinkt) und sie mit Gewinn wieder verkauft (zurückgekauft) werden können.
In der Fachsprache redet man von Forex Trading. «Forex» steht für Foreign Exchange, also Fremdwährung.
Spekulieren mit Hebelwirkung
Dank einer Leverage, zu Deutsch Hebel, kann man beim Devisenhandel mit dem Einsatz von wenig Geld enorm hohe Gewinne erzielen, aber auch Verluste erleiden. Um von einem Hebel von beispielsweise 1:200 zu profitieren, leiht einem der Forex-Händler 200-mal so viel Kapital wie man selbst einsetzt.
Wer beispielsweise 5000 Euro investieren möchte, kann damit dank des Hebels 1’000’000 Euro kaufen oder verkaufen. Die 5000 Euro sind für den Händler oder Broker nur eine Sicherheitsleistung. In diesem Fall eine von 0,5 Prozent.
Der Hebel führt dazu, dass der Spekulant – in unserem Beispiel – das 200-Fache seines eigenen Kapitals an Fremdwährungen kaufen oder verkaufen kann. Falls man beispielsweise mit Schweizer Franken auf Termin Euros kauft und der Franken sich in der Zwischenzeit um 2 Prozent aufwertet, dann ist der Gewinn der eingesetzten 5000 Franken bei einem Hebel von 1:200 nicht 2 Prozent, sondern 400 Prozent. Beim Verkauf der Euros erhält man dann 20’000 Franken zurück (2 Prozent von einer Million) und hat 15’000 Franken gewonnen – bei einem Einsatz von nur 5000 Franken.
Falls sich der Franken in der Zwischenzeit entgegen der Erwartung um 2 Prozent abwertet, beträgt der Verlust ebenfalls nicht 2, sondern 400 Prozent: Der Einsatz von 5000 Franken führt zu einem Verlust von 25’000 Franken.
Oft wird mit deutlich grösseren Summen, wie Hunderten Millionen Franken, gewettet – jeweils mit einem grossen Hebel.
«Man muss festhalten, dass es sich nicht um ein Investment handelt, sondern um eine Spekulation», hält «Börse am Sonntag» fest: «Sowohl Gewinne im Bereich von mehreren 100 Prozent pro Tag oder pro Woche sind möglich als auch der jederzeitige Totalverlust.»
Optionen mit «unlimitierten Gewinnmöglichkeiten»
Wer mit Währungen spekuliert, kauft meistens Optionen oder Futures. Es sind Termingeschäfte, die auf einen späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden. Sie gehören zur Gruppe der «Derivate», weil ihr Wert sich von Wechselkurs einer Währung ableitet. Man kann Optionen und Futures als handelbare Wertpapiere jederzeit an der Börse oder ausserhalb der Börse (over the counter OTC) verkaufen und kaufen. Ihr aktueller Wert hängt jeweils vom Wechselkurs der entsprechenden Währung ab.
Auch kleinere Banken wie die Zuger Kantonalbank bieten Devisen-Optionen mit «unlimitierten Gewinnmöglichkeiten» an. Der mögliche Verlust beschränkt sich bei den Optionen auf den eingesetzten Betrag. Denn Devisen-Optionen geben dem Käufer das Recht (aber nicht die Pflicht), an einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge Fremdwährungen zu einem festgelegten Preis zu kaufen (Call-Option) oder zu verkaufen (Put-Option).
In Gegensatz dazu hat man beim Kauf von Futures auch die Pflicht, an einem bestimmten Zeitpunkt eine bestimmte Menge Fremdwährungen zu einem festgelegten Preis zu kaufen.
Um die Spekulationsmöglichkeiten zu vergrössern, gibt es auch Optionen auf Futures (statt direkt auf Währungen), auch «Derivat im Derivat» genannt.
Bei all diesen Derivaten können Spekulanten den oben beschriebenen «Leverage»- oder Hebeleffekt nutzen.
Der Abschluss einer Option kann in der Realwirtschaft nützlich sein: Bei einem Geschäft, das in Dollar vereinbart, aber erst später nach erfolgter Lieferung bezahlt wird, kann man das Risiko, das sich der Dollar bis zum Bezahltermin aufwertet, mit einer Option auf den Dollar absichern. Man kann damit sicher sein, für den Dollar am Zahlungstag in Franken nicht mehr bezahlen zu müssen.
Doch die allermeisten Devisen-Optionen sichern heute keine Geschäfte in Fremdwährungen ab. Hedge Funds, Beteiligungsgesellschaften wie BlackRock oder Vanguard kaufen Devisen-Optionen, um zu wetten, dass eine Währung sträker oder schwächer wird. Mit kleinsten Kursschwankungen und gehebelten Einsätzen lassen sich innerhalb kurzer Zeit gute Geschäfte machen.
Für die Realwirtschaft sind diese Spekulationen mit Optionen ohne Nutzen, können aber ganze Volkswirtschaften ins Schwanken bringen.
Wenn grosse Hedge-Funds oder Vermögensverwalter wie BlackRock, Vanguard oder Carlyle Groupe (in den Medien = «die Märkte») auf die Abwertung einer Währung wetten, können sie die Wechselkurse sogar selber beeinflussen beziehungsweise manipulieren. Es heisst dann, «die Märkte» hätten das Vertrauen in diese oder jene Währung verloren. Am ehesten betroffen sind Währungen verschuldeter Länder in Südamerika, Afrika oder Asien. Fallen solche Währungen in den Keller – mit allen Konsequenzen für die dortige Armut –, machen diese Hedge-Funds fette Gewinne.
Die Milliardenwetten auf Fremdwährungen werden nirgends verbucht. Akteure und Volumen bleiben in den allermeisten Fällen im Dunkeln.
Im Jahr 2014 vermerkte die Frankfurter Allgemeine:
«Immer neue Länder geraten mit ihren Währungen in den Abwärtsstrudel. Nach der Rupie und der Lira stürzen sich die Anleger nun auf Ungarns Forint und Polens Zloty. Die Jagd auf den immer neuesten Schwächekandidaten stimmt nachdenklich.»
Bekannt wurde der «Black Wednesday» in Grossbritannien. Im Jahr 1992 wetteten Hedge-Fund-Manager wie George Soros darauf, dass das Pfund früher oder später deutlich an Wert verlieren würde. Sie liehen sich deshalb mehrere Milliarden Pfund bei britischen Banken und kauften damit D-Mark und französische Francs. «Die Märkte» vertrauten dem Pfund nicht. Das Pfund fiel innerhalb von fünf Wochen um fast 15 Prozent gegenüber der D-Mark, wodurch George Soros mehr als eine Milliarde Dollar für seinen Hedge-Fonds verdiente.
Schliesslich sah sich die Bank of England genötigt, ihren Leitzins an einem Tag von 10 auf 15 Prozent zu erhöhen.
Abhilfe gegen dieses Zocken brächte eine Mikrosteuer auf allen elelektronischen Transaktionen, also auch auf Wechselkursgeschäften.
Lesen Sie demnächst:
Grosse Revisionskonzerne durchleuchten Banken und verteilen Noten – und lassen sich dafür von den Banken fürstlich bezahlen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Besten Dank für diese schöne und klare Darstellung des aktuellen «Casino»-Geldgeschäftes.
Wir hatten uns schon in den 70er Jahren darüber geärgert, dass die Umsätze an den «commodity-markets» ein Mehrfaches der aktuellen (physischen) Transaktionen betrug und v.a. die Margen von den Produkteuren zu den Finanzintermediären verschob. *)
Auch die Soros Geschichte ist ja zum klassischen Beispiel zentralbänklerischer Unvernunft geworden.
*) In den 80er Jahren stellten wir in Bujumbura fest, dass Importe vom Hafen bis zum Stadtzentrum bis zu 6 Mal die Hand änderten, um entsprechende Margen zu generieren. Die Regierung fixierte schliesslich die legalen Gesamtmargen auf der Basis des Referenzimportpreises am Hafen. Das war nicht besonders liberal, aber offenbar auch nicht besonders schwierig über fiktive «Importpreise» umgangen zu werden. Ein ehemaliger Student sagte mir, dass wir im Ministerium keine Chance hätten, da etwas zu erreichen, was den Importeuren nicht passte.
Eine neue BRICS-Weltwährung könnte in naher Zukunft den US-Dollar weitgehend verdrängen und damit vielleicht auch einen Teil der Währungsspekulation entschärfen:
https://odysee.com/@MaxWende:f/LION-Media—Die-neue-Weltwaehrung—Wie-die-BRICS-den-Dollar-stuerzen-werden—07.04.2Q23:8
Aber wir haben immer noch ein gewaltiges Systemproblem durch Geldschöpfung aus dem Nichts, Zinseszinsen, Finanz-Casino und damit einhergehendem Wachstumszwang und Umverteilung!
Die Humane Marktwirtschaft als Plan B würde – noch besser als eine Mikrosteuer auf alle elektronischen Transaktionen – eine humane, stabile, neue Geld- und Finanzordnung ohne alle oben erwähnten Probleme schaffen:
https://apolut.net/plan-b-die-humane-marktwirtschaft-doku-2022/
Danke an infosperber für die Orientierungen über das globale Wettkasino. «Es ist des Menschen Trieb, Summen zu bilden, auch des Primitiven». Diesen Satz hat mein Mathelehrer immer wieder wiederholt.
Nichts ist gefährlicher, als wenn primitive Menschen zu zu viel Reichtum kommen, was leider in den heutigen Finanzsystemen ungestraft möglich ist. Raubbau, auch für Primitive.
Man könnte diesen Missbrauch mit «Mikrosteuern» auf Finanztransaktionen korrigieren, schreibt infosperber. Vielleicht informiert uns infosperber auch noch darüber, warum dies nicht geschieht und wer es verhindert?
Von all den Herren, die in den Medien nun über Erklärungen für den CS-Fall reden, erwarte ich die Antwort nicht. «Sie werden mir kein schlechtes Gewissen einreden», hat einer der früheren Chefs öffentlich gesagt.
Einerseits schön, dass man das nun auch in den CH Medien merkt, was ‹unser› Finanzsystem eigentlich ist und wem es nutzt und wer die Rechnungen zahlt. Man hätte das allerdings schon 2008 wissen können – es brauchte dazu ein bisschen Recherche und Lektüre. Aber besser 15 Jahre später als gar nie…
Commerzbank empfiehlt calls und puts usw. ab 1000 orderfrei zu kaufen, man wird davor gewarnt, die «Scheinchen» overnight zu halten, knockouts sind günstiger, am günstigsten ganz nah am knockout, das ist tatsächlich nur was für Profis, die mehrere Positionen simultan handeln, das sagen sie nicht und wenn die «Börsenwellen» plötzlich hochschlagen, dann wird der Optionsschein vom amerikanischen Typ spontan in einen «Unbekannten Terminverkaufstyp» verwandelt.
Die Empfangbankfachkraft im Commerzbanktower in Frankfurt, ich wollte mal kurz in der Derivateabteilung nachfragen, ich hatte testweise für 400 Euro Calls auf irgendwas gekauft und ab ca. 16:00 wurden die Superscheine der BNP Paribas (Commerzbank arbeitet mit der BNP Paribas zusammen) vom Handel bis Börsenschluss ausgesetzt. Bankfachkraft: «Was ist eine Derivateabteilung? wir haben hier keine …», und in Frankreich bei der BNP Paribas ist jeder der Security Fachkräfte mindestens 195 Zentimeter groß, ein verbaler Wutausbruch …