Ineichen-Fleisch

Bald bei Nestlé: die ehemalige Seco-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch. © UBS Center

Vom Seco zu Nestlé: Um die 40’000 Franken pro Sitzung

Pascal Sigg /  Die ehemalige Seco-Direktorin soll in den Nestlé-Verwaltungsrat. Sie hat jahrelang im Dienst des Konzerns lobbyiert.

Ende April soll Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch in den Nestlé-Verwaltungsrat gewählt werden. Ineichen-Fleisch war bis Juli 2022 elf Jahre Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) in Guy Parmelins Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung. Zuvor war sie vier Jahre Schweizer Botschafterin und Delegierte für Handelsabkommen sowie Chefunterhändlerin der Schweiz bei der Welthandelsorganisation (WTO).

Nun soll der Schritt in die Privatwirtschaft folgen. Und der ist lukrativ. Die Zeitung «work» der Gewerkschaft «unia» hat berichtete kürzlich: «Die Nestlé-Verwaltungsrätinnen und -räte haben sich 2022 zu 11 Sitzungen getroffen, die durchschnittlich 2 Stunden und 55 Minuten dauerten. Dafür bekommen sie 280’000 Franken Honorar und 15’000 Franken Spesen im Jahr. Für den Einsitz in einem der Verwaltungsratsausschüsse kommen minimal 70’000 Franken und maximal 300’000 Franken hinzu. Ebenfalls pro Jahr. Zum Vergleich: Das Lohnmaximum für einen 100-Prozent-Job beim Bund liegt bei knapp 400’000 Franken.»

Im Namen der Schweiz in Südamerika für Nestlé lobbyiert

Ineichen-Fleisch kennt Nestlé bereits gut. Denn ihr Seco lobbyierte im Ausland wiederholt für die Interessen des Grosskonzerns – im Namen der Schweizer Eidgenossenschaft. Dies machten letztes Jahr Recherchen der NGO «Public Eye» bekannt (Infosperber berichtete). Ihnen zufolge versuchte das Seco die Regulierung von Nahrungsmitteln in Ländern wie Chile, Peru oder Ecuador im Interesse Nestlés zu beeinflussen. Besonders gut dokumentiert ist die letztlich erfolglose Einflussnahme in Mexiko.

Wegen der grassierenden Fettleibigkeit hatte Mexiko im Herbst 2016 einen «nationalen epidemiologischen Notstand» ausgerufen. Die Zahlen einer Gesundheitsstudie von 2020 zeigten: Unter den fünf- bis elfjährigen Kindern sind 38 Prozent übergewichtig oder gar fettleibig. Und unter den MexikanerInnen ab 20 Jahren sind 74 Prozent zu dick. Über ein Drittel der Erwachsenen ist fettleibig.

Auch in der Schweiz droht Nestlé eine Regulierung

Als Massnahme schlug der Gesundheitsausschuss der mexikanischen Abgeordnetenkammer fünf schwarze Stoppschilder vor, mit dem Schriftzug «Exceso», also «Übermass» – an gesättigten Fetten, an Kalorien, an Salz, an Transfetten, an Zucker. Zudem sollten mit Warnhinweisen versehene Produkte nicht mehr mit Comic-Figuren, Spielzeugen oder Berühmtheiten beworben werden. Dagegen wehrte sich Nestlé mithilfe der offiziellen Schweiz. Doch im Herbst 2020 trat die Regelung trotzdem in Kraft.

Seither haben weitere Länder wie Brasilien oder Kolumbien nachgezogen. Und auch in Deutschland und der Schweiz laufen ähnliche Bestrebungen. Die Sprecherin des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) aus Alain Bersets Departement des Innern sagte der SonntagsZeitung (Paywall) kürzlich: «Das BLV hat ebenfalls Pläne für eine Regulierung der an Kinder gerichteten Werbung». Die Behörde habe jahrelang erfolglos versucht, die Produzenten dazu zu bringen, entsprechende Lebensmittel freiweillig gesünder zu machen (Infosperber berichtete).

Ineichen-Fleisch dürfte also wissen, was bei Nestlé auf sie zukommt. Letzten Frühling sagte sie öffentlich über ihre Arbeit im Auftrag der Schweizer BürgerInnen: «Eine Hauptaufgabe meiner letzten elf Jahre als Seco-Direktorin war es, mehr Regulierung abzuwehren.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Vater zweier Kinder im Vorschulalter.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Hunger

Hunger und Fehlernährung weltweit

Alle Menschen auf der Erde können sich nicht so ernähren wie wir. Der Kampf um fruchtbare Böden ist im Gang.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.
Portrait Pascal.Sigg.X

Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

5 Meinungen

  • am 18.03.2023 um 14:02 Uhr
    Permalink

    Wo ist das Problem? Sie kämpfte für den Profit von Nestlé und die Fettleibigen und jetzt kassiert sie fett. Die gute Frau hat die besten Jahre ihres Lebens schlecht bezahlt für das Vaterland gearbeitet, läppische 300’000 CHF pro Jahr, als Staatssekretärin, da soll es ihr vergönnt sein, sich den Lebensabend vergolden zu lassen.

  • am 18.03.2023 um 17:27 Uhr
    Permalink

    Die DNA der Schweiz ist «Mehr Geld (für Wenige)». Wer es nicht glaubt, dem wird es immer wieder bewiesen. Aber die StimmbürgeInnen wählen die «rechten» Parteien und sie erhalten was sie sich wünschen. Interessant wäre zu hinterfragen, wer unsere Demokratie «steuert» und die Entscheidungen vorbereitet, resp. trifft.

    • am 19.03.2023 um 18:14 Uhr
      Permalink

      Das hat weder mit rechts noch links zu tun! Die gesamte Politik ist Geldgesteuert und von der Industrie gekauft. Am besten sieht man es an den Direktzahlungen der Bauern. Dort dienen die Bauern lediglich als Durchlauferhitzer. Die Gelder werden dann direkt an die Industrie und die Banken weitergereicht. Weiter hat Corona auch gezeigt wie die Industrie Steuergelder einsacken kann. Ich traue unserem Politischen System nicht mehr! Jeder Volksentscheid wird so zurecht gebogen damit es der Industrie passt! Ansonsten sind ja Arbeitsplätze «in Gefahr».

      • am 20.03.2023 um 08:36 Uhr
        Permalink

        Eigentlich meine Worte, nur «Das hat weder mit rechts noch links zu tun!» müssen Sie noch erklären. Der Bauernverband mir der verarbeitenden Industrie dürfte eher SVP-orientiert sein. Die Industrievertreter dürften eher SVP / FDP orientiert sein, wie auch die Corona-Profiteure mit der Impfindustrie. Das drohende Argument «Verlust von Arbeitsplätzen» habe ich immer von rechts gehört. Da BR, NR und SR immer eine rechte Mehrheit hatten (und männerdominiert sind) werden die Volksentscheide von diesen zurechtgebogen, falls sie überhaupt nicht durch grosszügige Unterstützung in ihrem Sinne ausfallen. Auf Ihre Argumente bin ich gespannt!

  • am 19.03.2023 um 08:50 Uhr
    Permalink

    Der lange Arm von Nestlé. Die Verbandlungen der Firma mit der Schweizer Politik sind ja auch schon legendär, allerdings meist kaum bekannt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...