Sperberauge
In manchen Berufen ist Vollzeitarbeit gesundheitsschädigend
Wer ein Studium abgeschlossen hat, soll danach gefälligst Steuereinnahmen generieren – und sonst die Kosten selber berappen. Diese Forderung haben Medien wie die NZZ, der Tages-Anzeiger oder die Sonntagszeitung in den letzten Monaten wiederholt verbreitet.
Vieles daran wurde in letzter Zeit kritisiert. Unter anderem, dass bereits ungenügend belegt ist, wir würden immer weniger arbeiten. Besonders wichtig aber ist, was die Soziologin Katja Rost kürzlich im Tages-Anzeiger (Paywall) sagte: Die Forderung kann bloss mögliche Folgen vermehrter Teilzeitarbeit angehen. An den Ursachen kann sie wenig ändern.
Was dabei jeweils verschwiegen wird: In vielen Berufen, die einen Hochschulabschluss verlangen, ist Teilzeitarbeit – sofern sie denn überhaupt möglich ist – auch eine Antwort auf gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen. Diese sind häufig bedingt durch schlechten Schutz der Arbeitnehmenden.
Ärztinnen zum Beispiel arbeiten heute teilweise illegal viel und geraten so regelmässig an Überlastungsgrenzen. Viele von ihnen würden auch deshalb gern Teilzeit arbeiten. Doch die Spitäler sind nicht überall bereit, dies zu ermöglichen.
Im Lehrberuf ist Teilzeitarbeit oft einfacher möglich. Doch viele Lehrpersonen weichen auch auf Teilzeitarbeit aus, um im Beruf bleiben zu können. Gemäss der Studie «Lehrpersonen und die individuelle Gestaltung ihres Arbeitspensums» erfolgt der Entscheid für eine teilzeitlich ausgeübte Lehrtätigkeit «in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen unfreiwillig aufgrund zu hoher beruflicher Beanspruchung und negativer Auswirkungen auf die Gesundheit» (Infosperber berichtete).
Auch im Journalismus herrschen ausbeuterische Arbeitsbedingungen. Bei der NZZ wird beispielsweise erwartet, dass Überstunden «mit Vernunft und Augenmass» erfasst werden (Infosperber berichtete). Und der Verein «Junge Journalisten Schweiz» berichtete vor knapp zwei Jahren von mehreren Burnouts von JournalistInnen unter 30 Jahren.
Der Mangel an Fachkräften ist in einigen Berufen auch schlicht Mangel an bezahlter Arbeit – und deshalb hausgemacht. Eine Rückzahlungspflicht für Studiengebühren würde die Attraktivität der entsprechenden Berufe nur weiter schmälern. Dies müsste gerade Ökonomisierungsforschern – und JournalistInnen, die deren Forderungen verbreiten – einleuchten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Der Autor schliesst demnächst ein Doktorat ab. Er studierte gern, ausgiebig und zielgerichtet. Zudem ist er Mitglied der Gewerkschaft Syndicom.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Pauschal arbeitet ein Akademiker weniger Jahre wie ein Handwerker. Pauschal bekommt er von vornherein mehr Geld. Und erreicht eine höhere Rente.
Vielleicht sollte man sich ob der Befindlichkeiten, auf die in Handwerksberufen keinerlei Rücksicht genommen wird, mal Gedanken darüber machen wie das Berufsleben eines Menschen besser gestaltet und gerechter entlohnt wird.
In vielen Fällen sollten sich aber auch einge mal ein wenig am Riemen reissen und nicht nur jammern sondern klotzen.
Von nicht sudierten wird dies regelmässig verlangt und vorrausgesetzt.
«Teilzeitarbeit von Gutausgebildeten müsste finanziell bestraft werden, forderte ein Professor.»
Soso, ein Professor hat das also gesagt. Interessant. Um wen handelt es sich denn da bitteschön?
Hat Pascal Sigg schlicht vergessen, den Namen zu nennen? Oder liegt ein anderes Problem vor?
Meine Zeichenzahl im Lead ist eben beschränkt. Ich fand den Namen an dieser Stelle nicht so wichtig. Der Herr heisst Stefan Wolter, das können Sie mit einem Klick herausfinden. Ich hätte das im Text aber auch noch erwähnen können. Aber ich finde auch: Wir diskutieren ja die Idee, die Person ist nicht so wichtig.
Ich verstehe. Doch wenn v.a. die Idee zählt, dann sollte der akademische Grad wohl kaum Rolle spielen im Titel. Die Sache erinnert an «amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass…»
Ich verstehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen. Ganz unwichtig ist ja trotzdem nicht, woher die Idee kommt. Wenn Sie oder ich diese geäussert hätten, hätte dies bestimmt niemanden gekümmert. Selbstverständlich kann man aber darüber diskutieren, wie man den Absender bezeichnet.
In jeder Diskussion ist es wichtig wer was sagt. Der Professor steht für Objektivität, dennoch ist die Person wichtig, wie gerade das von Wolter vertretene Weltbild zeigt.
Für ihn dient Bildung der wirtschaftlichen Produktivität, gesellschaftliches Handeln hat da keinen Platz.
Ich konnte mich nie damit abfinden «mit der Arbeit», bzw. dem «Arbeitsgeber» verheiratet zu sein.
Solange ich in Akademia tätig war, war diese Dichotomie möglich.
In der CH-Lohnarbeitswelt ist es aber üblich, dass irgend ein HR-Chef sagt, was Sache ist, und die Interessen der Arbeitnehmer werden zwingend mit den Interessen des Arbeitsgebers gleichgeschaltet.
Das ist häufig unrealistisch und reduziert unnötigerweise die Produktivität im Interesse des Arbeitsgebers selbst. Eine minimale «friedliche» Koexistenz der Interessen kann aber «Win-win» Situationen schaffen.
Teilzeitarbeit ist eine der Möglichkeiten die Kombinationen unternehmerischer Ziele und privater Aspirationen zu optimieren.
Ohne Teilzeitarbeit müssten Frauen, so wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder zuhause bleiben oder aber die Kinder müssen ständig fremd betreut werden in Kitas und Tagesschulen, Sportvereinen. Ob das gut ist, für die Kinder und für die Familien, das ist die Frage. Kinder müssen Vertrauen haben können in ihre Eltern. Dazu reicht der Feierabend nicht aus! Die Hausarbeit besteht nicht nur aus Kochen, putzen und waschen, was heute einen nicht mehr vergleichbaren Zeitaufwand bedeutet wie im letzten Jahrhundert. D.h., die Hausarbeit ist nicht mehr gleich zeitaufwändig. Aber die Familienarbeit muss man managen: ein Kind ist an einen Geburtstag eingeladen. Es braucht ein kleines Geschenk, ein gemütliches Geburtstagsfest, die Kinder gehen mit der Klasse einen Tag in den Wald, das braucht den richtigen Proviant, oder sie gehen schlittschuhlaufen usw. Da muss jemand sein, der oder die die Fäden zusammenhält. Meist ist es die Mutter, das ist normal. Aber es braucht auch die Väter!
Aus der Verfassung der Sowjetunion von 1936:
«Die Arbeit ist in der UdSSR Pflicht und Ehrensache jedes arbeitsfähigen Bürgers nach dem Grundsatz: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.»
Es ist schon bemerkenswert, dass heute vor allem stramm bürgerlich denkende Leute in diesem Geiste argumentieren!