Elektro-Lieferwagen Post Bern

In Bern stellt die Post die Briefe und die Pakete «ausschliesslich mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu». Reibungslos geht das nicht. © Post

Paket-Pöstler zittern am Armaturenbrett

Marco Diener /  Die Post sagt: «Wir stellen in Zürich und Bern nur noch elektrisch zu.» Die Pöstler sind die Geplagten. Manchmal fahren sie Diesel.

«Ab sofort stellt die Post die Briefe und Pakete in den Grossstädten Zürich und Bern ausschliesslich mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu.» Das teilte die Post Anfang Februar in einer Medienmitteilung mit. Dazu seien in den beiden Städten «374 Elektroroller und 194 elektrisch betriebene Lieferwagen» unterwegs. Viele davon mit der auffälligen grünen Aufschrift «Unser Antrieb ist grün» oder «Klimafreundlich unterwegs».

«Eine Überzeugung»

Die Post geizte nicht mit Eigenlob: «Bei der Post ist Nachhaltigkeit kein Trendwort, sondern eine Überzeugung.» Oder: «Die Post hat immer auch eine Vorbildfunktion. Diese nehmen wir wahr.» Und die Post rechnete vor: «Durch die klimaneutrale Zustellung in Zürich und Bern sparen wir beispielsweise jährlich 1436 Tonnen CO2 ein. Das entspricht 718 Flügen einer Person von Zürich nach New York und zurück.»

«Niemals 200 Kilometer»

Alles schön und gut? Mitnichten! Die Paket-Pöstler sind mit Renault-Master-E-Tech-Lieferwagen unterwegs. Theoretische Reichweite: 204 Kilometer. Doch die Touren sind für sie häufig eine Zitterpartie vor der Ladeanzeige am Armaturenbrett. «Wenn es kalt ist, kommen wir niemals auf 200 Kilometer», berichtet ein Paket-Pöstler gegenüber Infosperber. Dann heisst es: Zurück fahren, Lieferwagen wechseln, allenfalls auch noch Pakete umladen.

Wenn Johannes Cramer, Leiter Logistik-Services der Post, sagt, «wir freuen uns, Fahrzeuge gefunden zu haben, die unsere Ansprüche erfüllen», dann wissen die Paket-Pöstler nicht, ob sie lachen oder heulen sollen. Für sie ist der Zusatzaufwand riesig.

«In der Regel 60 bis 80 Kilometer»

Der Gerechtigkeit halber sei allerdings auch gesagt, dass die Renault-Lieferwagen ein Fortschritt sind. 2019 begann die Post mit der Beschaffung von MAN-eTGE-Lieferwagen. Ihre theoretische Reichweite: 110 bis 115 Kilometer. Doch MAN relativiert gleich selbst und schreibt, dass ihre Fahrzeuge «eine durchschnittliche Tageslaufleistung von 60 bis 80 Kilometern in der Regel problemlos abdecken». «In der Regel» heisst: Nicht einmal auf die 60 bis 80 Kilometer ist Verlass.

Touren von 15 bis 100 Kilometern

39 Elektro-MAN hat die Post inzwischen beschafft. Eingesetzt werden sie «nur für kurze Touren». Die Touren in Zürich und Bern messen zwischen 15 und 100 Kilometern Länge. Mit den 268 Renaults, welche die Post bestellt hat, sind die Touren machbar.

Mehrmals pro Tag

Probleme gibt es trotzdem. Die Post hat zwar in der ersten Februarwoche Reichweiten von rund 140 Kilometern gemessen. Und Ende Februar, als es für die Jahreszeit viel zu warm war, Reichweiten von 150 Kilometern. Aber manche Fahrzeuge werden mehrmals pro Tag benützt – zum Beispiel für die Tageszustellung und für die Abendzustellung. Wenn es dazwischen nicht reicht, die Batterien tüchtig zu laden, dann «kann es vorkommen, dass die Postboten die Batterie zwischenladen müssen», wie die Post einräumt.

Elektro-Lieferwagen Post Zürich
Probleme mit der Reichweite: Elektro-Lieferwagen der Post in Zürich.

Kleinere Nutzlast

Ein weiteres Problem ist die Nutzlast. Elektro-Lieferwagen sind wegen der Batterien deutlich schwerer als Lieferwagen mit Verbrennungsmotor. Deshalb ist die Nutzlast kleiner. Bei den 39 Elektro-MAN ist dies ein Problem. Die Post schreibt dazu: «Es können weniger Pakete geladen werden, und die verbleibenden Pakete müssen nachgeladen werden.» Auch das ist ein Zusatzaufwand für die Pöstler.

Manchmal mit einem Diesel

Die Post behauptet zwar — wie eingangs erwähnt –, sie stelle die Sendungen «ausschliesslich mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen zu». Doch es stimmt nicht. In Bern und Zürich sind noch immer Diesel-Lieferwagen unterwegs, wie Infosperber-Recherchen zeigen. Die Post räumt denn auch ein: «Es gibt vereinzelt Fälle, in denen die Zustellung mit Diesel-Fahrzeugen erfolgt.» Nämlich dann, wenn ein Elektro-Lieferwagen eine Panne habe und mit einem Fahrzeug aus der Garage ersetzt werden müsse. Wer aufmerksam ist, hört in Zürich und Bern allerdings relativ häufig das typische «Nageln» der Diesel-Lieferwagen anstelle des Surrens der Elektro-Lieferwagen.

Bald auch Genf und Basel

Trotz der Schwierigkeiten und der verärgerten Paket-Pöstler – die Post ist entschlossen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Sie verspricht: «Bis zum Jahresende 2024 wird die Post nebst den Standorten in den Urbangebieten Zürich und Bern auch in den Städten Genf und Basel sowie an rund 50 weiteren Standorten vollelektrisch unterwegs sein.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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2 Meinungen

  • am 26.02.2023 um 11:10 Uhr
    Permalink

    Warum mit Gewalt übers Knie brechen? Gerade die Post könnte auch Vorreiter sein um neue Technologieen zu Testen. Beispielsweise Brennstoffzelle und Wasserstoff. Ebenfalls Umweltfreundlich und Klimaneutral wenn man es richtig anstellt, sogar noch effizienter als mit Akkumulatoren die wirklich nicht gerade Umweltfrendlich sind.
    Damit gäbe es auch keine Reichweitenprobleme und die noch jungen Techniken die gerade auch in der Schweiz eine Vorreiterrolle innerhalb Europas sind würden effizient gefördert und weiter entwickelt werden können.

  • am 27.02.2023 um 13:16 Uhr
    Permalink

    Ich picke mir hier etwas heraus, was mich schon sehr lange stört. «Bei der Post ist Nachhaltigkeit kein Trendwort, sondern eine Überzeugung.» Das CO2, das die POST einspart, verbrauchen wir Kunden ein Vielfaches. Verpasst man die Zustellung eines Paketes (weil man sich keinen Türsteher leisten kann (Medikamenten-Sendungen können NICHT über die Sendungssteuerung beeinflusst werden)); möchte man ein Einschreiben aufgeben (MIT Quittung!*) oder abholen; braucht man Briefmarken – ja dann setzt man sich ins Auto und fährt ins Nachbardorf. Eventuell sogar in die überüberübernächste Ortschaft. Das machen dann täglich viele Dorfbewohner. Der ökologische und ökonomische Wahnsinn. Er wird aber gnadenlos durchgepeitscht wegen Ideologie und Gewinn.
    * Gibt man dem Hausservice einen dringenden Einschreibebrief mit, mit übergenug Geld, nimmt er ihn mit, OHNE eine Quittung auszustellen. Tags darauf lag der Brief und das Geld wieder in unserem Briefkasten… Jetzt beweisen Sie mal, dass…

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