Sperberauge
Was – zum Kuckuck – ist «profitables Wachstum»?
Der jetzige Denner-Chef Mario Irminger wird Anfang Mai neuer Migros-Chef. Das gab die Migros letzte Woche bekannt. In ihrer Medienmitteilung stimmte die Migros ein Loblied auf den neuen Chef an:
- Er habe Denner in seiner Zeit «erfolgreich weiterentwickelt».
- Er sei ein «profunder Kenner des Schweizer Detailhandels».
- «Mit der Migros-Kultur bestens vertraut.»
- Eine «initiative Persönlichkeit» mit «hoher Zielorientierung».
- Er werde der Migros «zusätzliche Impulse verleihen».
- Sie «weiter vorwärtsbringen».
- Er bringe eine «umfassende und langjährige Erfahrung» mit.
- Er habe die «führende Stellung» von Denner im Discount-Geschäft «erfolgreich ausgebaut».
- Zudem «den Umsatz gesteigert und ein profitables Wachstum erzielt».
Nur zitiert
Und was machen die Medien? Sie stimmen ins Loblied ein, indem sie einfach aus der Medienmitteilung zitieren. Und zwar wörtlich. Ob SRF, Blick oder St. Galler Tagblatt, ob 20 Minuten, Rheintaler oder Walliser Bote – überall steht, Irminger habe «den Umsatz stark gesteigert und ein profitables Wachstum erzielt». Niemand fragt, was «profitables Wachstum» überhaupt ist. Und niemand fragt, ob Denner ein solches tatsächlich erreicht hat.
Infosperber fragte nach
Doch was bedeutet es nun, dieses «profitable Wachstum»? Die Fachleute sind sich uneins. Manche sagen, profitables Wachstum liege vor, wenn der Gewinn im Gleichschritt mit dem Umsatz wachse. Andere finden, der Gewinn müsse stärker wachsen als der Umsatz. Wieder andere sind schon zufrieden, wenn der Gewinn überhaupt wächst.
Weil offenbar niemand nachfragte, tat es Infosperber. Die Fragen an Denner und die Migros lauteten:
- Was bedeutet «profitables Wachstum» konkret?
- Können Sie uns sagen, wie hoch die Gewinne von Denner während der Amtszeit von Herrn Irminger in den einzelnen Jahren waren?
Die Zahlen sind geheim
Denner verwies an die Migros. Und die Migros verwies auf den Geschäftsbericht. Doch dort steht dazu nichts. Die Gewinne von Denner sind geheim.
Umso erstaunlicher, dass die Zeitungen aus dem Tages-Anzeiger-Verlag nicht einmal aus der Medienmitteilung der Migros zitierten, sondern so taten, als würden sie Tatsachen schildern: «Trotz der schnell wachsenden Konkurrenz durch die Discounter Aldi und Lidl aus Deutschland ist es ihm (Irminger, die Red.) gelungen, den Umsatz zu steigern und profitables Wachstum zu erzielen.» Doch Zahlen blieben die Zeitungen aus dem Tages-Anzeiger-Verlag schuldig. Belege ebenfalls.
Auch die NZZ legte keine Zahlen vor. Trotzdem schrieb sie von sich aus über Denner: «Das Unternehmen arbeitet profitabel.» Woher sie das weiss, stand in der NZZ aber nicht.
Damit es klar ist: Infosperber stellt die Fähigkeiten von Mario Irminger nicht in Frage. Aber es ist schon erstaunlich, wie die Schweizer Zeitungen nachbeten, was die Migros vorkaut.
«Der Spitzbub»
Der Blick seinerseits bezeichnete den neuen Migros-Chef wahlweise als «Top-Besetzung», als «Preisritter» oder «Detailhandelsprofi». Und weil er im Dezember im Sonntagsblick-Interview noch nichts von einem möglichen Stellenwechsel gesagt hatte, urteilte der Blick anerkennend: «Was für ein Spitzbub!»
So sorgt man für gute Stimmung bei den Inserenten!
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Das zeigt wieder einmal, wie die grossen Medien funktionieren. Die Jounalisten haben gar keine Zeit mehr zu recherchieren – das wäre nicht rentabel – äxgüsi: das würde kein «profitables Wachstum» (Zitat) erlauben. Die Medienkonzerne sind reine Geldmaschinen; wenn sie einfach so abschreiben, wie irgend ein Chef, ein hohes Tier oder ein berühmter Thinktank sich äussert, ist das gut für die Werbung und den Konzern (und die Karriere und die Arbeitszeitoptimierung der Journalisten). Man eckt dann nicht an. Das gilt auch für Kriege und Sanktionen, da nennt es sich seit dem Irakkrieg der USA «embedded journalism» (eingebetteter Journalismus).