Mehr Autobahnen und Fahrspuren führen in eine Sackgasse
upg. Wenn man in städtischen Gebieten die Kapazität der Strassen um zehn Prozent erhöht, nimmt nach wenigen Jahren auch die Zahl der Autos auf diesen Strassen um zehn Prozent zu. Studien beispielsweise in Norwegen und den USA bestätigen, was man bereits seit siebzig Jahren feststellt: Der Mehrverkehr verdrängt die Vorteile von mehr Strassen bereits nach wenigen Jahren. Das berichtete die New York Times am 12. Januar 2023.
Letztes Jahr ist zum ersten Mal in den USA ein gigantisches Autobahnprojekt im Raum Los Angeles gestoppt worden, obwohl man für dessen Planung in den letzten zwanzig Jahren bereits 60 Millionen Dollar ausgegeben hatte: die Erweiterung der Interstate 710 mit diversen Anschlüssen.
Eine wachsende Opposition führte zu diesem Stopp. Eine grosse Rolle spielte der Flop des 16 Kilometer langen Teilstücks der Interstate 405 mitten in Los Angeles, das im Jahr 2015 eingeweiht wurde. «Eine Zeitlang kam es zu weniger Staus», sagte Tony Tavares, Direktor des kalifornischen «Department of Transportation», «doch während der Stosszeiten kam es bald wieder zu Staus». Denn sobald die Menschen hören, dass es auf einer direkten Strasse wieder weniger Verkehr hat, wechseln sie von ihren Umgehungsrouten auf diese Strasse. Für andere wird es wieder interessant, von weiter weg mit dem Auto zu pendeln. Das waren die Erfahrungen des «Department of Transportation».
Opposition kam jedoch auch von der US-Umweltbehörde EPA. Sie warnte, dass der Mehrverkehr das Luftreinhaltegesetz verletzen würde. Trotzdem hielten insbesondere die US-Regierungen und der US-Kongress in Washington lange an der Priorität des Autoverkehrs fest. Für die nächsten fünf Jahre bewilligte der Kongress im Rahmen eines Infrastrukturgesetzes insgesamt 350 Milliarden Dollar Bundesgelder für den Ausbau und den Unterhalt von Autobahnen. Eigentlich sollten die Gelder in erster Linie für Reparaturen und Ausbesserungen des bestehenden Autobahn-Netzes eingesetzt werden, doch etliche US-Bundesstaaten verfolgen weiterhin Multi-Milliardenprojekte zusätzlicher Autobahnen, berichtet die New York Times.
Der Glaube, Staus in Agglomerationen von Städten mit zusätzlichen und erweiterten Autobahnen beseitigen zu können, ist international weit verbreitet. Das ist ein Grund, weshalb der Bau riesiger Autobahnen unvermindert weiter geht, wie folgende Fotoserie zeigt. Starke Verkehrs- und Baulobbys sorgen dafür, dass in den Bau von Autobahnen in den meisten Ländern viel mehr investiert wird als in den öffentlichen Verkehr:
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Leider haben fast alle Regierende und Behörden auf allen Stufen ein «Auto im Gehirn», wie der Verkehrsforscher Hermann Knoflacher zu sagen pflegt, denn sie vertreten nur die Abstimmenden und nicht alle Menschen. Z.B. der Regierungsrat des Kantons Bern, der nichts von Tempo 30 neben Schulhäusern wissen will, also die statistisch grössere Wahrscheinlichkeit von verunfallten und verlärmten Schulkindern in Kauf nimmt nur wegen wenigen Sekunden Zeitgewinn für die Autos.
In diesem Zusammen hörenswert das Lied «Warum hört der Farradweg hier auf?» in https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale—ehrenfeld-intergalactic-vom-27-januar-2023-100.html ab Minute 10.
Ist schon seltsam: Autobahnen + Infrastruktur kosten richtig viel Geld, bringen nur kurzfristig Arbeitsplätze und sind bald unterdimensioniert. Öffentlicher Verkehr + Infrastruktur kosten ähnlich viel Geld, bringen aber langfristig lokale Arbeitsplätze (erhöhen also die lokale Wertschöpfung), können (in einem Rahmen) skaliert werden und sind durch Modernisierungsintervalle Jahrhunderte nutzbar. Vor der Massenmotorisierung der 50iger Jahre, die alle Probleme schnell und billig lösen sollte, gab es bereits ein Verkehrswunder – ohne Auto! Z.Bsp. im sächs. Erzgebirge waren viele kleine Orte über Stichbahnen in Schmalspur an Güter- und Personentransport angebunden – Industrie und Handwerk profitierten. In vielen Städten gab es gewaltige Straßenbahnnetze bis in den kleinsten Vorort. Auch hier konnten mit Lastenstraßenbahnen Güter transportiert werden.
Die verantwortlichen Strassenverkehrsplaner in der Schweiz glauben leider auch immer noch, dass zusätzliche Strassen, unsere Verkehrsprobleme lösen würden. So wird zum Beispiel zwischen den Städten Luzern und Krîens das Bauprojekt mit dem verheissungsvollen Namen Gesamtprojekt «Bypass» und Gesamtkosten von 1,7 Milliarden Franken geplant. Der «Bypass» soll also den Verkehrsinfarkt in unserer Region vermeiden. Ich glaube nicht daran. Deshalb hoffe ich, dass dieser Unsinn in Bern noch rechtzeitig gestoppt wird, auch wenn hier ebenfalls schon viele Millionen für die Planung aus dem Fenster geworfen wurden.
Viel gescheiter wäre es, den Durchgangsbahnhof Luzern jetzt rasch zu verwirklichen. Mit besseren und schnelleren Zugsverbindungen werden gewiss weitere Autofahrer auf den öffentlichen Verkehr umsteigen.
Es stimmt, mehr Straßen bringen mehr Verkehr. Leider bringen aber auch keine neuen Straßen mehr Verkehr. Vielleicht ein bisschen weniger mehr.
Ich bin der Meinung, dass der Leidensdruck irgendwann zu gross werden muss, so dass sich die Menschen bewegen. Vom Auto auf öV oder Fahrrad; Umzug oder Jobwechsel, so dass Arbeits- und Wohnort nah beieinander liegen etc. Das müssen die Ziele sein.
Gehe davon aus, dass Verkehrsplaner und Politiker genau wissen, dass mehr Strassen mehr Verkehr erzeugen. Weil sie sich aber seit Jahren für mehr Strassen aussprechen dürfen sie nun aus ideologischen Gründen nichts anderes gesagt werden.
Nicht mehr Autobahnen und Fahrspuren führen zu mehr Verkehr, sondern mehr Fahrzeuge und somit der Bevölkerungswachstum. Es ist auch nicht zu unterschätzen, welchen Einfluss die Pendler und Grenzgänger haben, welche nicht die ÖV benutzen. Immerhin wird die Infrastruktur des Motorverkehrs mit den Einnahmen zu 107% finanziert, wärend es zum Beispiel beim Schienenverkehr nur 45% sind.(https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/kosten-finanzierung/strasse-langsamverkehr/infrastruktur.html) (https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/mobilitaet-verkehr/kosten-finanzierung/schiene.html). Es ist ein Denkfehler, dass die Behinderung des Strassenverkehrs, die Situazion in Bezug auf Verkehrsaufkommen und Umwelt verbessert, aber immerhin nehmen die Einnahmen der Mineralölsteuern zu (https://www.efv.admin.ch/efv/de/home/finanzberichterstattung/bundeshaushalt_ueb/einnahmen.html).Weniger Behinderung des Strassenverkehrs wäre sicherlich ein mehr Lebensqaulität für alle
Sie vergessen oder blenden aus die externen Kosten des Verkehrs, die für alle Verkehrsarten sehr gross sind. Es sind vor allem Kosten durch gesundheitliche Schäden und deshalb gerade beim Veloverkehr besonders gross, wobei dort die gesundheitlichen Vorteile die Unfälle mehrfach kompensieren. Somit sind der motorisierte Verkehr, auch ÖV, stark subventioniert.
Dieser Artikel zeigt weiter schlecht quantifizierbare Kosten: die optische Verschmutzug, vor allem durch Schnellstrassen und Autobahnknoten. Grosse Teile der Schweiz und viele andere Länder sind sehr hässlich geworden in den Augen vieler Leute.