Fussball-WM: Unser «Ausruefer» (3)
Ist er Fan oder Reporter? 14 Sekunden lang schreit der SRF-Fernsehreporter Sascha Ruefer beim Spiel gegen Serbien ins Mikrofon: «Tooor! Tooor! Die Schweiz führt 1:0 gegen Serbien!» Offenbar hat er sich die theatralische Art bei den brasilianischen Reportern abgeschaut. Sie sind bekannt dafür, dass sie «Goooooaaaaal» schreien, bis ihnen die Luft ausgeht.
Hörprobe
Wie Sascha Ruefer tönt, wenn die Schweizer kein Tor erzielen, kann man sich zum Beispiel in der Nachspielzeit des Spiels gegen Kamerun anhören (3:59 bis 4:29).
Eine knappe halbe Stunde später übertrifft sich Ruefer selber: «Tooor! Tooor! Breel Embolo! Der Ausgleich ist perfekt. Breel Embolo sorgt für den Ausgleich.» Dafür strapaziert er seine Stimmbänder 26 Sekunden lang. Gleich nach der Pause: «Jaah! Tooor! Tooor durch Freuler. Die Schweiz führt mit 3:2. Wieder so ein Blitzstart. Ein unfassbarer Blitzstart. Die Schweiz führt 3:2. Sie hat drei Minuten gebraucht in der zweiten Halbzeit.» Und Ruefer seinerseits braucht 32 Sekunden für seinen Freudentaumel.
«Wir sind nervös»
Fast ein bisschen übermotiviert startet er deshalb vier Tage später in die Reportage zum Achtelfinal gegen Portugal. Er spricht von sich, aber er benutzt die Wir-Form: «Wir sind nervös.» Dann überschlägt sich schon vor dem Anpfiff die Stimme: «Wir sind kribbelig. Was für ein Gefühl!»
«Ein hervorragender Auftritt»
Das Spiel beginnt schlecht. Die Schweizer laufen den Portugiesen von Anfang an hinterher. Sie kommen zu keinen Torchancen. Wer das Spiel schaut, sieht das Unheil (es wird eine 1:6-Niederlage) schon in den ersten Minuten kommen. Nur Ruefer merkt es nicht. Er findet: «Es ist taktisch bis jetzt ein hervorragender Auftritt der Schweizer Mannschaft.» Über Trainer Murat Yakin und seinen Assistenten sagt er: «Beides Taktik-Füchse. Und das merkt man dem Schweizer Spiel auch gegen Portugal an.» Sein sonderbares Fazit: «Die Schweizer haben den so spielstarken Gegner im Griff.»
Bis Gonçalo Ramos die Portugiesen in der 17. Minute in Führung schiesst.
«Unfassbare Ernüchterung»
Da kündigt Sascha Ruefer den Schweizern schlagartig die Liebe – etwa so, wie es ein enttäuschter Fan tut. Obwohl die Schweizer kaum schlechter spielen als zuvor, schimpft er die verbleibenden 75 Minuten nur noch. Zwischendurch vergisst er, das Spiel zu kommentieren. Ruefer ruft statt dessen ständig aus. Oder vielleicht würde man besser sagen: Rueft ständig aus:
- Plötzlich ist «keiner mehr in der Lage, die Bälle zu verteilen».
- «Die stolze Brust ist dem krummen Buckel gewichen, hat man das Gefühl.»
- Er vernichtet das Team schon vor der Pause: «Es sind null Emotionen da. Keine Emotionen. Kein Aufbäumen. Leistungsträger, die nicht zur Entfaltung kommen.»
- Ruefer kritisiert sogar die beiden kurz zuvor noch gelobten «Taktik-Füchse»: «System geändert. Und das im Achtelfinal einer WM. Für mich eine sehr, sehr unglückliche Massnahme.»
- Er steigert sich immer weiter hinein, in eine «unfassbare Ernüchterung».
- «Xhaka: Ein Schatten. Ein Schatten. Null Einfluss auf das Schweizer Spiel.»
- Er fragt: «Wie kann es möglich sein, dass eine Mannschaft gegen Brasilien so konzentriert agiert, stark agiert und dann so demoliert wird gegen Portugal? Das darf nicht passieren.»
- Und er spottet: «Xhaka war das übrigens, der einfach mitgelaufen ist und versucht hat, mit seinem Allerwertesten den Schuss zu blocken.»
«Ja, warum denn nicht?»
Ist er nun Fan oder Reporter? Wäre er am liebsten Kriegsberichterstatter? Unvergessen ist, wie sich Sascha Ruefer selber vergass, als er letztes Jahr an der Europameisterschaft das Spiel gegen Italien kommentierte. Mario Gavranovic sah damals für ein grobes Foul an Leonardo Bonucci die Gelbe Karte. Zunächst spottete Ruefer: «Bonucci wird ohne Krücken weiterspielen können.» Dann lobte er Gavranovic für seine Unsportlichkeit: «Solche Sachen vermissten wir in der ersten Halbzeit. Dass einer hingeht. Da, wo es wehtut. Und wo man auch wehmachen kann. Es ist wichtig, mal solche Duftmarken zu setzen. Ja, warum denn nicht?»
Warum wohl nicht? Weil Fussball ein Sport ist und kein Bandenkrieg. Und in diesen Momenten ist man ganz froh, dass das Schweizer Fernsehen die Fussballspiele nicht nur auf SRF, sondern auch auf RTS und RSI überträgt — denn einen «Ausruefer» gibt es dort nicht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Man kann Ruefer eine gewisse Originalität und jedenfalls sehr viel Emotionalität nicht absprechen, aber was Sie beobachten, trifft zu. Er ist in erster Linie Fan. Interessant auch, wie er im Spiel gegen Portugal in seiner Enttäuschung auf einmal die Spieler des übersteigerten Selbstbewusstseins bezichtigt, dabei ist es doch v.a. er und das SRF mit all seinen Protagonisten, die übertriebene Erwartungen schüren. Eigentlich waren wohl all die Spiele, die man knapp gewonnen (oder gegen Brasilien knapp verloren) hat, nicht ganz so gut, wie Ruefer und Co sie sahen und das Spiel gegen Portugal nicht ganz so schlecht wie das Resultat und Ruefer uns glauben machen.
Die Schweiz hat aufgrund ihrer Möglichkeiten das Beste gegeben. Immerhin befindet sich die 20 grösste Volkswirtschaftdieser Welt, die Schweiz das kleinste Land unter den Grossen, auch selbst im Fussball kein Nobody! Die Schweiz gehört zu Recht zu den 16 besten Fussball-Nationalmannschaften dieses Planeten. Das kann nicht jedes Land behaupten. Wichtig ist, auch seine Grenzen zu erkennen!
«Give them a hands fans, and don’t blame anybody!» – Hoffentlich werden die Niederlande oder Portugal Fussball-Weltmeister!
Ich mag diesem «Ruefer» schon lange nicht mehr zuhören. Zum Glück kann man an der WM auf ARD, ZDF oder ORF umschalten.
Und dass er zwischendurch seltenst die Namen der angespielten Spieler nennt, ist auch schade.