Uran-Abbau für Waffen und AKWs: «Warum gab es so viele Witwen?»
upg. Die Aktivistin gegen den Uranabbau war im Herbst 2022 in der Schweiz. Die Schweizerische Energie-Stiftung hat ein Interview mit ihr veröffentlicht. Wir dokumentieren ihre wichtigsten Aussagen.
«Die Abraumhalden wurden nicht gesichert. Achtzig Prozent des dort liegenden Gesteins strahlen noch immer radioaktiv, der Wind verteilt den Staub über grosse Strecken.» Das berichtet Anna Rondon aus dem Indianer-Reservat Navajo im US-Bundesstaat New Mexico. Und doch sind die dortigen Minen schon seit 2005 geschlossen.
Das Navajo-Gebiet war für die Energiekonzerne besonders attraktiv, weil das Uran nahe an der Oberfläche lag. Anfangs wurde es im Tagebau gewonnen. Man musste nur die Oberfläche des Bodens abtragen und konnte mit geringem Aufwand das Uranerz freilegen. Doch dieser Abbau hat riesige Flächen kontaminiert und das Grundwasser verseucht.
Den grössten Schaden hatte der Tagebau angerichtet. Später wurde das Uran im Untertagebau gewonnen.
Rondon und die Betroffenen-Organisationen hatten lange zu kämpfen, sagt Anna Rondon, die sich seit Jahrzehnten gegen den Abbau von Uran wehrt. Heute ist sie im Vorstand von Beyond Nuclear und Direktorin des New Mexico Social Justice and Equity Institute. Sie erinnert sich: «Die Bergbaufirmen übernahmen keine Verantwortung. Aus ihrer Sicht war die Regierung zuständig. Doch die Regierung von New Mexico hatte dieses Gebiet offiziell als ‹geopfertes Land› bezeichnet.»
Es sei das Jahr 1973 gewesen, als die Menschen begannen, sich Sorgen zu machen. Die Leute hätten gefragt «Warum werden wir krank? Und warum gibt es in den Gemeinden so viele Witwen?» Der Widerstand formierte sich und Betroffenen-Organisationen prozessierten. Nach langem Kampf musste der Öl- und Atomkonzern Kerr-McGee schliesslich 1,2 Milliarden Dollar zahlen. Doch 900 Millionen Dollar davon gingen an die Anwälte.
1990 erliess der US-Kongress den «Radiation Exposure Compensation Act»: Darauf erhielten Strahlenopfer oder ihre Hinterbliebenen Schadenersatz von je 50‘ 000 bis 100‘000 Dollar. Etwa 39‘000 Gesuche wurden gutgeheissen. Es kostete die Steuerzahlenden über 2,5 Milliarden Dollar.
Das Verbot des Abbaus und des Transports von Uran im Jahr 2005 sei das Resultat von jahrelanger harter Arbeit gewesen: «Wir hatten über 700 Leute mobilisiert und minutiös Beweise zuhanden unseres Stammesrats sammeln müssen.»
Die Folgen des anfänglich als «sicher» bezeichneten Uranabbaus seien noch heute spürbar: «Schauen Sie die «Navajo Birth Cohort»-Studie aus dem Jahr 2013 an. Im Körper jedes dritten Neugeborenen wurde Uran nachgewiesen. Ich denke, die Menschen begreifen das Ausmass der Folgen des Uranabbaus erst so richtig, wenn sie Bilder dieser Kinder sehen. Die gemessenen Werte entsprechen denen eines erwachsenen Mannes, der seit Jahren neben einer Uranmine lebt.»
Von Anfang an habe die Regierung aufgrund wissenschaftlicher Studien sehr wohl gewusst, dass die Bergarbeiter schädlicher radioaktiver Strahlung ausgesetzt werden. «Doch die Mineure waren nicht informiert. Die Bergbaufirmen im ganzen Land haben sich an einem klaren Skript orientiert: ‹Alles ist sicher›, lautete ihre Botschaft. Sicherheitsbeamte wurden instruiert, was sie sagen durften und was nicht. Sie haben uns angelogen.»
«Sie haben hier Uran abgebaut, aber uns bleibt nicht einmal mehr genug Energie, um das Licht anzuzünden.»
Fayt Spencer, 75-jährige Mutter, die mit zwei Enkelkindern im verseuchten Gebiet wohnt. Quelle: NZZ 29.11.2022
«Atomenergie ist nicht nachhaltig»
Mit dem Bau und Betrieb von Kernkraftwerken sei es eben nicht getan. Die grössten Probleme entstünden schon vor dem Betrieb und dann erst nach dem Betrieb: vom Abbau des Urans bis zur Lagerung hochradioaktiven Mülls.
Anna Rondon erinnert an die Auswirkungen von abgereichertem Uran im Irakkrieg: «In unserem Reservat kam ein Soldat aus dem Golfkrieg zurück. Er schwängerte seine Frau. Drei Monate später hatte sie eine Fehlgeburt. Der Fötus war schwer missgebildet. Man nennt es das ‹burning semen syndrome›. Ich rate den Menschen in der Schweiz, sich [über diese Risiken] wirklich zu informieren, egal wie schockierend und schmerzhaft das ist. Sie müssen die Wahrheit erfahren.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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