Elektroautos auf Abwegen
Eben hat BMW ein neues Elektroauto lanciert: den i7. Es ist nicht gerade das, was man als Vernunftauto bezeichnen würde. Der i7 hat 544 PS, beschleunigt in 4,7 Sekunden von 0 auf 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 240 Kilometern pro Stunde. Der Koloss wiegt bei voller Beladung 3250 Kilo. Er ist fast fünfeinhalb Meter lang. Aber der Kofferraum fasst trotzdem nicht mehr als bei einem clever konstruierten Kleinwagen.
Der Volvo EX90 ist noch schwerer
BMW ist nicht allein. Volvo bringt gerade den EX90 heraus. Auch eines von diesen Elektroautos, denen angeblich die Zukunft gehört. Die Fahrleistungen sind zwar eine Spur bescheidener als beim BMW. Mit einem Gesamtgewicht von 3380 Kilo ist der EX90 aber noch schwerer. Man darf ihn gerade noch ohne Lastwagen-Ausweis fahren.
Bizarrer Wettlauf
Die Hersteller tun zwar so, als könnten sie mit ihren Elektroautos die Welt retten. Doch sie liefern sich nicht etwa einen Wettlauf ums sparsamste Elektroauto, sondern ums leistungsstärkste. Die Folge davon sind ziemlich verstörende Autos. Der Audi RS e-tron GT beschleunigt in 3,3 Sekunden von 0 auf 100. Der Porsche Taycan Turbo S braucht 2,8 Sekunden. Und der Tesla Model S Plaid schafft den Spurt in 2,1 Sekunden. Zum Vergleich ein Formel-1-Auto braucht dafür 2,5 bis 2,6 Sekunden. Und das ist kein Druckfehler!
Schweizer kaufen grosse Elektroautos
In der Fachwelt herrscht helle Begeisterung über den Leistungswahn bei den Elektroautos. Insbesondere über die Beschleunigung von Fahrzeugen wie dem Tesla Model S Plaid:
«Der Kopf klatscht wie von einem Stahlträger getroffen in die Kopfstütze, die eben noch leicht gebeugten Arme klammern sich bolzengerade ans Lenkrad und der Rücken fusioniert mit dem Ledersitz. Alles so brutal, dass ohnmachtsempfindliche Menschen gut daran tun, vorher ihren Hausarzt zu befragen, ob ihr Körper sowas erträgt.»
auto motor sport
Und diese Begeisterung wirkt sich auch auf das Kaufverhalten aus. Das zeigt die Rangliste der Elektroautos, die in der Schweiz in den ersten zehn Monaten verkauft wurden:
- Tesla Model Y, ein SUV mit bis zu 534 PS.
- Tesla Model 3, eine grosse Limousine mit ebenfalls bis zu 534 PS.
- Skoda Enyaq iV, ein SUV mit bis zu 265 PS.
- Audi Q4, ein SUV mit bis zu 299 PS.
- Fiat 500, ein Kleinwagen mit bis zu 118 PS.
Das heisst: Das erste Auto, das nicht zum Protzen taugt, belegt gerade mal Platz 5. Und dahinter folgt in der Rangliste wieder ein Bolide auf den anderen.
Leichte Autos brauchen deutlich weniger Strom als schwere. Der Fiat 500 mit 95-PS-Motor kommt mit 13,0 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer aus. Der eben erst lancierte Dacia Spring begnügt sich mit 13,9 Kilowattstunden. Der Audi SQ 8 e-tron quattro hingegen, der nächsten Sommer auf den Markt kommen wird, braucht das Doppelte: 28,0 Kilowattstunden auf 100 Kilometer.
Es ginge auch anders
Dabei machte ausgerechnet Audi schon vor über 20 Jahren vor, wie sich ein sparsames Auto bauen lässt. Der Audi A2 TDI 3L sah zwar hässlich aus, verbrauchte aber gerade mal 3 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Weil er aerodynamisch war, weil er einen kleinen Motor mit nur gerade 61 PS hatte, weil er voll beladen lediglich 1245 Kilo wog und weil er 145 Millimeter schmale Pneus hatte. Aber all dieses Wissen scheint in Vergessenheit geraten zu sein.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
In den 90iger Jahren demonstrierten in der Tour de Sol und vielen ähnlichen Veranstaltungen viele Bastler und Ingenieure, auch ich, KMUs und sogar Grossfirmen, wie umwelt- und menschenfreundliche Elektromobilität geht. Die Fahrzeuge hiessen zuerst Solarmobile und dann Leichtelektromobile, waren meistens Ein- oder Zweiplätzer und sie decken die meisten Bedürfnisse ab ausser Grosstransporte über sehr grosse Distanzen. Die Industrie weigerte sich aber, mehr als einige Nischenprodukte herzustellen und nur wenige Kunden fanden sich dafür. Immer hiess es, warten wir auf gute Batterien.
Jetzt gibt es sie, aber die Autoindustrie macht immer noch kaum leichte Elektromobile sondern bevorzugt die im Artikel beschriebenen grässlichen Protzautos, denn verdient wird pro Kilogramm.
Der Industrie die alleinige Schuld zu geben greift aber zu kurz, denn die Leute kaufen bevorzugt diese überschweren «Panzerfahrzeuge».
Immerhin, das Erbe der Tour de Sol sind die ebenfalls beliebten leichten Elektrovelos.
Eine Repräsentationslimousine als erster Stelle mit Bild als Beispiel für Unvernunft darzustellen, wirkt unsachlich.
Auch waren Elektroautos bis vor ganz kurzem nur etwas für diejenigen, die ein gewisses Risiko einzugehen bereit waren, die in eine neue Technologie investieren wollten und dazu bereit waren, mehr Zeit dafür zu aufzuwenden und auch sonst ein paar Nachteile in Kauf zu nehmen. Denen muss man etwas bieten können, damit sie umsteigen.
Elektroautos sind noch keine Massenverkehrsmittel, weil es noch kaum einen Occasionsmarkt im dafür nötigen Mass gibt. Man kann nicht dieselben Ansprüche an die Modellauswahl haben, weil der Kundenkreis noch nicht derselbe ist.
BMW sieht den i7 offenbar nicht unbedingt als Repräsentationslimousine für Minister, Botschafter und Generaldirektoren. Sonst würde BMW dafür nicht in ganz gewöhnlichen Tageszeitungen werben.
Seit ein paar Jahren elektrisch unterwegs kann ich weder zusätzliche Risiken noch sonst irgendwelche Nachteile ausmachen. Im Gegenteil, ich spare eine Menge Geld. Fakt ist doch aber, dass es schlicht zu viele Autos gibt und dass die Menschheit gut beraten ist, Verkehr, Güterproduktion und Wohnen zu dekarbonisieren. Hätte ich mich vor 5 Jahren entschieden, wieder ein Auto mit Verbrennungsmotor zu kaufen, hätte ich ca. 20 – 25 t CO2 mehr in die Atmosphäre gegeben. Ich bilde mir nicht ein, die Welt zu retten, aber ein gutes Gefühl habe ich alleweil. ?
Sehr interessant. Aber längst bekannt: Stand nämlich schon Mitte 2021 hier im Infosperber:
https://www.infosperber.ch/umwelt/boden-raum-verkehr/der-weltbeste-motorenbauer-daempft-die-elektroauto-euphorie/
Nur einfach fundierter – und darum noch vernichtender für die elitären Elektro-Auto-IllusionistInnen im «Wertewesten». Dazu nur eine einzige Zahl: Von den insgesmat 1,3 Milliarden Motorfahrzeugen weltweit sind noch nicht einmal 1% Elektro. Aber schon werden die teils seltenen Rohstoffe für die Batterien (60kg Kupfer für 1 Tesla) rar – und geht der Krieg um sie los. So ist das.
Der Audi A2 wird heute von einigen noch hochgeschätzt. Hässlich ist er eigentlich auch nicht, zumindest nicht im Vergleich mit den heutigen burgverliesartigen Turnschuhen mit Fenster so klein wie Schießscharten. Mit Leichtbau, moderner Motorentechnik liessen sich in der Gewichtsklasse des A2 immer noch sehr gute Verbrauchswerte erreichen – Anreiz wäre eine progressive Besteuerung nach PS und Fahrzeuggewicht. Dann würden mehr Autofirmen wieder echte Kleinwagen bauen und nicht aufgeblasene Zwerge wie den neuen Mini oder Polo. Schon ein ganz alter Mercedes 190D von 1958 hatte zwar nur 50PS, verbrauchte aber bereits damals sensationell wenig. Da müsste halt einmal der Gesetzgeber ran.
Nein, bei Audi ist dieses Wissen nicht in Vergessenheit geraten. Das Wissen, dass der Audi A2 ein Riesenflop war auch nicht. Die Hersteller befinden sich in einem kompetitiven Marktumfeld und bauen das, was die gesetzlichen Anforderungen und die Kundenwünsche erfüllt. So einfach ist das. Die Ursache liegt folglich nicht bei den Herstellern, sondern bei den Kunden und beim Gesetzgeber. Mit Absicht etwas zu produzieren, was am Markt nicht nachgefragt wird, ist unternehmerischer Selbstmord.
Korrekt. Wieso sind Modelle wie der Sion von Sono Motors nach Jahren der Entwicklung noch nicht mal auf dem Markt? Dieses Auto wäre genau das, was der Nachhaltigkeit im MIV am nächsten käme. Mindestens eines der Kriterien Fahrspass, Reichweite und Platz muss erfüllt sein, sonst bezahlt man nicht viel Geld für ein Auto. Moos im Cockpit ist kein Kaufkriterium.
… und für die nötigen Massen an Lithium und anderer für diesen Typ Batterie nötigen Metalle werden die Kollateralschäden an Menschen und Umwelt hingenommen.
Wenn schon schwere PKW dann wenigstens solche mit Natrium-Ionen-Batterien und weniger Beschleunigung in die Hölle.
Endlich ein Artikel der dieses Thema aufs Tapet bringt. Mit der Elektrifizierung der Autos gibt es nochmals einen Schub bezüglich Kraft und Geschwindigkeit und das auf recht breiter Basis. Grundsätzlich brauchen wir das ja nicht aber:
Der Mensch war/ist/wird nicht vernünftig. 300 PS und mehr um ca. 90 KG Fleisch, Knochen und ganz wenig Hirn von A nach B zu bringen und dann behaupten man verhalte sich umweltfreundlich…..
Vielleicht sind solche Ka(r)rossen so etwas wie Angsttriebe der Automobilwirtschaft?
Das ist ausserhalb unserer Filterblase (dem Rest der Welt) schon seeehr lange bekannt und die machen da nicht mit.
Extrem schwere Autos brauchen mehr Energie (Strom), deswegen wird mit Gewalt die Energiewende umgesetzt, nur noch Solar- und Windenergie, der Rest wird abgeschaltet und die Stromkosten gehen durch die Decke.
Dushan Wegner sagte zutreffend: „Am Ende gewinnt immer die Realität”.
The End of the West.
Solche Stromfresserboliden sind der Wahnsinn. Einmal diesen schweren Koloss beschleunigen, und 3 bis 4 Kwh sind weg, die dann beim bremsen in Wärme verpuffen. Warum ist die Karosserie nicht aus Solarzellen? Warum so viele PS Leistung? Warum dieses hohe Gewicht? Weil es mehr ein Statussymbol ist für Reiche als denn wirklich ein sinnvolles Fahrzeug.
Zweimal falsch:
Sie haben sich um den Faktor 10 verrechnet. Zudem wird die Energie beim Bremsen in die Batterie zurück geladen und nicht in Wärme verwandelt.
Danke für Ihre Informationen. Da Sie womöglich gut informiert sind (Techniker?) könnten Sie mir Bitte sagen, wo ich die Data-Papers finde, wo das beschrieben wird? Wo die Rekuperationsverluste definiert sind? (Ich fahre selber einen Elektroroller und Lade ihn mit einer Solarzelle. Bei einem 500Watt Motor reicht auch eine 1 Kwh Batterie) Was meinen Sie mit Faktor 10 verrechnet? Ich habe weder Modell, Gewicht noch Endgescwindigkeit definiert, ich habe den schlimmsten Fall genommen. Beschleunigen Sie 2 Tonnen in 7 Sekunden auf 130 kmh mal rechnerisch, den das Display eines Luxusmodelles zeigt den Verbrauch für diese 10 Sekunden nicht differenziert an. Das wollen die Hersteller nicht. Ich wurde auch angelogen beim Kauf meines Rollers betreffend Verbrauch. Umrechnungsmodule findet man mit Google sicher schnell im Internet, um den Energieverbrauch zu eruieren. Grüsse Beatus Gubler
Für mich ist unverständlich und nicht nachvollziehbar, warum das Auto für viele Menschen – sprich (vorwiegend) Männer – immer noch ein Statussymbol ist.
Für mich ist unverständlich, dass das Prestige Vorrang hat vor der Umwelt.
Nur bei einem ganz kleinen Prozentsatz besteht eine «Indikation» für den Kauf einer solchen Luxuslimousine.
Man muss kein Studium absolviert haben, um zu wissen, dass eine schwere Karosse mehr Ressourcen für die Herstellung, mehr Elektrizität / Sprit und schlussendlich mehr Schrott für die Entsorgung beansprucht, als ein Kleinwagen.
Da braucht es lediglich gesunden Menschenverstand und Vernunft. Die beiden Sachen sind anscheinend bei viel Menschen abhandengekommen.
Eine Gesellschaft in welcher der Kapitalismus oft in versteckter Weise höher steht als Menschenrechte oder Lohngleichheit für Frauen, oder als gute Werte (Tu keinem das, was du nicht an dir getan haben willst) sind Statussymbole wichtiger den je. Ein 2 Tonnen Fahrzeug für 90’000 vermittelt Macht und setzt Signale, wie z.B. leg dich nicht mit mir an, ich habe Macht. (Nicht alle haben diesen Hintergrund, es gibt auch Menschen denen ist ihr Auto ein Hobby, und Sie sparen dafür Energie an anderen Orten) Dazu kommen Erwartungshaltungen, wenn jemand als Vertreter einer Firma zu einem Kunden kommt mit einem leichten Oeko-Auto, ist er schon unten durch und nicht Konkurrenzfähig. Allein die Tatsache, daß ein Verbrennerauto im durchschnitt über 35% der Energie als Wärme verpufft, und alle bisherigen Entwicklungen dies zu ändern ungenutzt auf Patentämtern liegen, zeigt dass diese Probleme viel komplexer sind als bisher angenommen.
Das finde ich auch einen «Systemwechsel», bloss in die falsche Richtung, Verschlimmbesserung.
Elektro- oder Wasserstoffantrieb ist höchstens eine kosmetische, aber nicht ursächliche, ganzheitliche Lösung, aus meiner Sicht, insbesondere für die Wohnenqualität. Es bräuchte einen Turnaround, Radikales (die «Radix»/Wurzel betreffend). Denn Spassfahrer («Aus Freude am Fahren», BMW-Slogan) & Autogewerbe & Strassenbau (Infrastruktur generell) sind inzwischen ein «Gesamt-Kunstwerk», an dem jede Therapie zu zerschellen scheint.
Mein Vorschlag: Prototyp «Edental» als Antithese zur «alternativlosen Gesellschaft», zunächst an einer Lokalität verwirklicht zwecks Hautnah-Erlebbarkeit, Heureka- und Domino-Effekt.
Guten Morgen…. Was ist Prototyp Edental ? Kann das nicht finden im Netz. Ich Bitte um Erklärung. Danke.
@ Beatus Gubler Vielen Dank, bei Google in Anführungszeichen «prototyp edental», ergibt bei mir vier Treffer. Zugegeben, den Inhalt sollte ich effizienter vermitteln, ich denke etwa zur Jahreswende wird es übersichtlich zusammengefasst sein.
Wenn Tesla mit dem Model S nicht ein attraktives und leistungsfähiges Elektrofahrzeug, serientauglich, auf den Markt gebracht hätte, würde die Menschheit noch immer glauben, dass es nur mit Benzin und Diesel geht. Dies, weil es eine Lobby, die fett an der Geschichte verdient, so will / wollte.
Jetzt wo es vielen klar wird, dass Elektro funktioniert, wird es von denselben Akteuren die Elektro verhindern wollten, ad absurdum getrieben. Die Kisten sind nur darum so schwer, weil in der Hast auf klassischen Chassis Batterien verbaut werden müssen. Jetzt wo der Zug fährt, will man ja den Aufsprung nicht verpassen. Sogar die Vorgehensweise wird von Tesla kopiert. Zuerst Fahrzeuge für die obere Preisklasse und mit der hohen Marge den Prozess finanzieren.
Es muss ja nicht gleich ein A2 sein, aber weniger wäre auch hier mehr. Wir würden die Welt dann mit etwas weniger PS an die Wand fahren.
Mir gefällt folgende Idee: Leichte Nutzfahrzeuge haben ein Leergewicht von über 1500kg. Sie dürfen auf der Autobahn max. 100 km/h fahren. Das würde eine charmante Aufregung geben.
Peanuts statt Systemwechsel? Den Lebensstil beibehaltend bloss etwas die Technik (Elektro, Wasserstoff) zu ändern, schenkt nicht ein (und können ärmere Länder kaum), aber sogar das dürfte scheitern am fehlenden Wille, Ressourcen sowie nun auch noch am «Wort des Jahres» 2022: «Strommangellage» (wobei die wahre erst kommen mag).
Wozu die Automanie? Bis 1925 Motorfahrzeugeverbot im grössten Kanton der Schweiz. Möglich wars und wärs. Buch des Herzchirurgen Dean Ornish: «Heilen mit Liebe»; auf Klima-Plakaten steht: «Make Love Not CO2».
«Peanuts anstatt Systemwechsel» sind in vielen Bereichen wie beispielsweise der Bildung oder den Medien oder der Politik das Übliche, wo sogenannte Reformen mit einem grossen Aufwand und vielen Ablenkungsmanöver dazu dienen, dass im Prinzip alles beim Alten bleiben kann.
Da kommt mir das Zitat von Bertrand Piccard in den Sinn: „In primitiven Kulturen zeigt man seinen Reichtum durch Verschwendung“ …