Novartis bewirbt ein teures MS-Medikament ohne Zusatznutzen
Bereits im Jahr 2020 kam der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss in Deutschland zum Schluss, das MS-Medikament Mayzent (Wirkstoff Siponimod) bringe den Patientinnen und Patienten im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie* keinen Zusatznutzen. Deshalb wurde der Preis in Deutschland gesenkt. In der Schweiz kosten die Filmtabletten die Krankenkassen und Prämienzahlenden immer noch 37 Prozent mehr als in Deutschland: 28 Tabletten à 2 Milligramm kosten die Kassen in der Schweiz 1606.90 Franken. In Deutschland erhält man die gleichen 28 Tabletten für 1175.15 Euro.
Seit dem 1. Januar 2021 kostete dieses Medikament die Prämienzahlenden in der Schweiz 4,8 Millionen Franken (hochgerechnet aufgrund der Zahlen der CSS).
Im Folgenden der Befund des Gemeinsamen Bundesausschusses (Vergleich Mayzent mit bisheriger günstigerer Standardtherapie):
Mortalität | Kein für die Nutzenbewertung relevanter Unterschied |
Morbidität | Kein für die Nutzenbewertung relevanter Unterschied |
Gesundheitliche Lebensqualität | Novartis hat keine Daten vorgelegt |
Nebenwirkungen | Die von Novartis vorgelegten Daten sind nicht bewertbar |
Novartis versucht, das teure MS-Medikament mit viel Werbung zu verkaufen
In Deutschland geben 67 Arztpraxen für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie ein «Patientenmagazin» NTC Impulse heraus. In der Nummer 2/2022 platzierte Novartis gleich zwei ganzseitige Inserate, damit MS-Kranke ihre Therapie «optimal anpassen». Eines der beiden Inserate ist wie ein redaktioneller Artikel aufgemacht und nur in kleiner Schrift mit «Anzeige» überschrieben.
Beide Inserate laden die Lesenden ein, sich auf der Webseite «msundich.de» weiter zu erkundigen. Diese Webseite wird von Novartis betrieben.
Im Folgenden die beiden Inserate, auf welche die Zeitschrift GPSP aufmerksam machte:
Novartis hat bisher keine Neubewertung verlangt
Weil Novartis für Mayzent keinen Zusatznutzen nachweisen konnte, hatte der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA in Deutschland den Preis von Mayzent auf das Niveau der anderen Medikamente der entsprechenden Gruppe heruntergesetzt. Novartis hätte deshalb ein Interesse daran, aufgrund neuer Studienergebnisse eine Neubeurteilung zu beantragen. Der G-BA hält ausdrücklich fest: «Das pharmazeutische Unternehmen kann eine erneute Nutzenbewertung beantragen, wenn es die Erforderlichkeit wegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nachweist. Hält der G-BA den Antrag für begründet, fordert er das pharmazeutische Unternehmen auf, innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung des Beschlusses ein neues Dossier vorzulegen.»
Doch bis heute hat Novartis keine Neubewertung beantragt.
Gegenüber Infosperber machte Novartis fünf Studien geltend, die seit dem G-BA-Beschluss von 2022 veröffentlicht wurden und angeblich beweisen, dass sich dank Mayzent «das Fortschreiten der Behinderung bei Patienten mit aktiver SPMS verzögert». Zur Feststellung, dass keine der angebenen Studien den Zusatznutzen im Vergleich zu einer Standardtherapie untersuchte, räumte Novartis ein: «Derzeit gibt es keine veröffentlichten Daten über einen direkten Vergleich zwischen Mayzent und einer anderen MS-Behandlung bei SPMS-Patienten.»
Novartis könnte den Preis freiwillig senken
Infosperber stellte die Frage, weshalb Novartis das Medikament in der Schweiz nicht unter dem vom BAG vorgegebenen Höchstpreis abgibt, bis eine Neubewertung vorliegt. Damit würde die enorme Preisdifferenz (+37%) zum ebenfalls hochpreisigen Deutschland reduziert. Novartis antwortete ausweichend, dass das BAG den Preis «aufgrund der geltenden Gesetze und Verordnungen» festsetze. Novartis verschwieg dabei, dass es sich bei den Preisen, die das BAG festsetzt, um Höchstpreise handelt, welche Novartis sehr wohl unterschreiten darf. Das Krankenversicherungsgesetz KVG hält in Artikel 52 fest: «Analysen, Arzneimittel und der Untersuchung oder der Behandlung dienende Mittel und Gegenstände dürfen höchstens nach den Tarifen, Preisen und Vergütungsansätzen gemäss Absatz 1 verrechnet werden.» Und das BAG schreibt vor: «Die Spezialitätenliste (SL) enthält den bei Abgabe durch Apothekerinnen und Apotheker, Ärztinnen und Ärzte, Spitäler und Pflegeheime massgebenden Höchstpreis. Dieser besteht aus dem Fabrikabgabepreis, dem Vertriebsanteil und der Mehrwertsteuer.»
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*Interferon-beta 1a oder Interferon-beta 1b oder Ocrelizumab
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.