Verband drangsalierte Bauern vor der Abstimmung
Wer diesen Sommer über Land fuhr, konnte sie nicht übersehen: Die Plakate «Nein zur unnötigen Tierhaltungsinitiative». Sie hingen an Bauernhäusern, sie waren auf Siloballen gespannt, sie waren an Scheiterbeigen genagelt. Kurz: Sie verschandelten die Landschaft. Und fast hätte man meinen können, sämtliche Schweizer Bauern und Bäuerinnen seien gegen die Initiative gegen Massentierhaltung.
Doch es gab auch Bauern, die nicht gegen die Initiative kämpfen mochten. Sie kamen gewaltig unter Druck. Das zeigen Dokumente, die dem Infosperber vorliegen. So bombardierte der Freiburgische Bauernverband widerspenstige Bauern während eines halben Jahres mit Briefen, E-Mails und SMS.
Im Befehlston
Nur ein paar Beispiele: Im März begann es mit einer Aufforderung per SMS: «Machen Sie mit und bestellen Sie das Kampagnenmaterial.» Das nächste war dann im Befehlston formuliert: «Beteiligen Sie sich an der Abstimmungskampagne (…) und bestellen Sie jetzt das Material.» Danach folgte ein Mail zum «Kampagnenmaterial, das Sie bei uns bestellen können und das Ihnen kostenlos zur Verfügung gestellt wird, um gegen diese Initiative zu kämpfen.»
Unter Druck
Kurz darauf zeigte der Verband Nachsicht mit den Vergesslichen: «Falls Sie es noch nicht getan haben, vergessen Sie nicht, das Material zu bestellen.» Doch auf dem Fuss folgte der Befehl: «Bestellen – anbringen – kommunizieren. (…) Für alle Betriebe steht viel auf dem Spiel. Deshalb muss überall ein klares NEIN gezeigt werden.» Und schon zwei Tage später wieder: «Bestellen – anbringen – kommunizieren. Wir müssen ein klares NEIN zeigen und deutlich machen, dass die Landwirtschaft in dieser Kampagne ein gewichtiges Wort mitzureden hat.» Kein Wunder, dass Bauern, die sich nicht an der Plakatkampagne beteiligten, unter Druck gerieten – auch von Kollegen.
Es ging weiter
Mit den SMS ging es auch noch am Abstimmungswochenende weiter. Zwei Mal forderte der Verband die Bauern auf: «Schicken Sie uns Ihre Fotos (von den Plakaten, die Red.). Wir brauchen diese für die Kommunikation!» Wie diese Kommunikation dann aussah, lässt sich noch heute auf Facebook nachlesen.
Vergiftetes Klima
Der Freiburgische Bauernverband jubilierte nach dem Abstimmungssieg: «Die so genannte Initiative gegen Massentierhaltung wurde weggefegt.» Und er dokumentierte, welch gehässige Stimmung er selber geschaffen hatte: «Merci an alle, die trotz der Angriffe und der ungerechten Kommentare stets geduldig erklärt haben, ohne jemals auszurasten, obwohl das nicht immer selbstverständlich war.»
Infosperber hätte vom Freiburgischen Bauernverband gerne gewusst, warum seine Anhänger hätten ausrasten können. Aber der Verband nahm dazu nicht Stellung.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wie klingt dieser Bauernverband in meinen Ohren? Wie Demokratie, wie Mobbing, wie Menschenrechte, wie Tierrechte? Die Systematik könnte zu tun haben mit:
Medien berichteten:
«Pakt mit dem Teufel» (Economiesuisse und Bauernverband SBV):
https://www.pilatustoday.ch/zentralschweiz/uri/aktivisten-platzieren-20-meter-langen-banner-auf-teufelsbruecke-147679478
Der Pakt geht weiter. Die grossen Verbände sind eine Alianz eingegangen.(https://www.admin.ch/gov/en/start/documentation/events.event-id-8259.html). Somit dürfen wir erwarten, in Zukunft noch viel mehr politische Werbung auf Äcker und Weiden zu sehen. Der Bauernverband wird dafür sorgen.
Unschön. Als Bauer im Kanton Bern, der auch keine Plakate anbrachte, erhielt ich nicht eine einzige Aufforderung. Oder vielleicht mal eine allgemein gehaltene Email? Möglich. Bei anderen Themen läuft das nicht viel anders. Vor der Konzernverantwortungsinitiative erhielt ich gewiss im Wochentakt Emails von den Befürwortern, die hätten bald dazu gebracht, gegen die Initiative zu stimmen. Nein im Ernst, so scheint das heute generell zu laufen mit diesen Kampagnen, nicht nur in der Landwirtschaft. Es ist immer ein Heischen um Aufmerksamkeit: verständlich, anstrengend und ermüdend. Und manchmal auch kontraproduktiv?
Das ist ungerechtfertigte Hetze gegen den Bauernverband. Die dokumentierte Art, eine Kampagne durchzupauken, ist doch ganz normal. Wir Grünen und Linken sollten selbstkritisch werden und ein bisschen Bauernschläue anwenden. Es regt mich auf was da geschieht und wie der Bauernverband seit der strategisch dummen Kampagne «Agrarlobby stoppen» der Umweltschutzverbände offenbar nachhaltig von dem SVP-Flügel zum teuflischen Beischlaf mit der Economiesuisse gezwungen wird. Der tendenziöse Artikel bekräftigt diesen SVP-Flügel. Wir Grünen und Linken unterschätzen diese Macht. Wir haben damit den verpassten Sieg der Konzernverantwortungsinitiative selbstherrlich selbst verschuldet. Die unreife Massentierhaltungsinitiative hat leider der AHV-Reform knapp zum Sieg verholfen. Beim nächsten grossen Brocken, den Nationalen Wahlen, wird es viel, viel weniger Stimmen aus dem breiten bäuerlichen Kreis geben für Links/Grüne als sonst. Schmerzliche Konsequenzen!
Felix Lang, Altkantonsrat, Grüne Lostorf