Der Supreme Court hält US-Folterpraxis in Polen für Geheimsache
Die Foltermassnahmen der CIA gegen den mutmasslichen, jedoch nie verurteilten Terroristen Abu Zubaydah in Polen in den Jahren 2002 und 2003 müssen nicht offengelegt werden. Die nationale Sicherheit wäre gefährdet. Das entschied eine Mehrheit des höchsten US-Gerichts, darunter auch progressiv orientierte Mitglieder in der Sache «United States v. Zubaydah».
Das höchstrichterliche Urteil vom 3. März 2022 fand in den grossen Medien fast keine Beachtung.
Nach dem Urteil wird der Fall Zubaydah offiziell ein Staatsgeheimnis bleiben, auch wenn zahlreiche Ermittler und Nachrichtenagenturen die damaligen Ereignisse und die Identität der Haupttäter in den vergangenen Jahren im Wesentlichen bestätigt haben. Der Historiker und Publizist James Masnow, ein erfahrener Analytiker der US-Rechtsprechung, informierte darüber auf der unabhängigen Informationsplattform des «Brownstone Institute», das sich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in den USA einsetzt.
Geheimnistuerei trotz klarer Fakten
Die Folterungen wurden auch in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Ein aktuelles Beispiel ist Alex Gibneys Dokumentarfilm «The Forever Prisoner» über die Behandlung von Zubaydah durch die CIA, den der US-Sender HBO im Jahr 2021 ausstrahlte. Obwohl die Fakten des Falls so klar sind, wie man es sich nur vorstellen kann, hat das Gericht dennoch entschieden, dass eine offizielle Offenlegung eine Bedrohung für die «Nationale Sicherheit» der USA darstellen würde.
Zubaydah, den die CIA nach 9/11 beschuldigt hatte, Wissen über weitere geplante Angriffe der Al Kaida auf die Vereinigten Staaten zu haben, ist seit zwanzig Jahren inhaftiert, wurde jedoch für die Verbrechen und Verschwörungen, die er begangen haben soll, nie vor Gericht gestellt oder gar verurteilt. Er wurde nachweislich von Dezember 2002 bis September 2003 von zwei Männern im Auftrag der CIA gefoltert, während er an einer geheimen CIA-Stätte in Polen festgehalten wurde.
Zubaydah hatte seine beiden Peiniger und weitere Mittäter 2010 in Polen wegen Folter angezeigt, woraufhin polnische Strafermittler in den USA vorstellig wurden und Aufklärung insbesondere über den Ort der geheimen CIA-Station in Polen verlangten. Es folgte ein mehrjähriges Hick-Hack durch mehrere US-Gerichtsinstanzen, das nun mit dem Urteil des Supreme Court ein unrühmliches Ende gefunden hat.
CIA beruft sich auf «bedrohte Vertrauensverhältnisse»
Die Mehrheit des Gerichtsgremiums folgte im Wesentlichen der Argumentation der CIA-Direktion, die anführte, dass eine Offenlegung das Vertrauensverhältnis zerstören würde, welches die Geheimdienste für ihre internationale Zusammenarbeit jetzt wie auch in Zukunft benötigen, und dass dies ganz grundsätzlich die «Nationale Sicherheit» gefährde.
Im Kern statuiert dieses Urteil einen Blankoscheck der US-Justiz für die Machenschaften ihrer Geheimdienste, zumindest wenn sie in länderübergreifender Kooperation stattfinden, nach dem Motto: Wenn Vertrauen auf dem Spiel steht, ist Geheimnistuerei Pflicht. Dabei sollte es umgekehrt sein: Wenn Vertrauen auf dem Spiel steht, dann sind Wahrheit und Transparenz Pflicht. Diesem Motto sollte die Rechtsprechung des Gerichtshofs eigentlich verpflichtet sein.
Supreme Court opfert Prinzip der Rechtsstaatlichkeit
James Masnow schreibt: «Die amerikanische Justiz ist eine Institution, die dazu bestimmt ist, die anderen Zweige der US-Institutionen zur Rechenschaft zu ziehen, indem sie beurteilt, ob deren Handlungen verfassungskonform sind.» Dieses Urteil, so Masnow, sei «unvereinbar mit wesentlichen Verfassungsprinzipien, mit Grundsätzen, die insbesondere dieser Gerichtshof zu verteidigen und zu wahren hat.»
Richter Neil Gorsuch, der mit seiner Minderheitsmeinung unterlegen war, beschrieb die Folterungen in der Begründung seines Minderheitsstandpunkts, wohl um konkrete Folterungen in ein offizielles juristisches Protokoll aufzunehmen – trotz des Entscheids der Mehrheit:
«In dem Bemühen, Informationen zu erhalten, beauftragte die CIA James Mitchell und John Jessen, sogenannte ‹erweiterte Verhörtechniken› anzuwenden […] Mitchell und Jessen arbeiteten ab dem 4. August 2002 ‹fast rund um die Uhr› […] Sie unterzogen Zubaydah mindestens 80 Mal einer Wasserfolter, simulierten Hunderte von Stunden lang Lebendbestattungen in Särgen und führten rektale Untersuchungen durch, um ‹totale Kontrolle über den Gefangenen› zu erlangen. […] Sechs Tage nach Beginn seiner Tortur schluchzte, zuckte und hyperventilierte Zubaydah […] Während einer Waterboarding-Sitzung reagierte Zubaydah nicht mehr und Blasen stiegen aus seinem offenen, vollen Mund auf.»
Weitere Beweise in der gleichen Richtung könnten in den Tresoren der Regierung liegen. Doch so peinlich diese Tatsachen auch sein mögen, sie rechtfertigen laut Gorsuch kein Staatsgeheimnis. Die Pflicht dieses Gerichtshofs gelte der Rechtsstaatlichkeit und der Suche nach der Wahrheit. Man sollte «nicht zulassen, dass Scham unsere Sicht verdunkelt».
Doch genau diese Verdunkelung der Sicht ist jetzt eingetreten, weil eine Mehrheit des Supreme Court aus fragwürdiger Rücksicht auf Regierung und Geheimdienste ihrem verfassungsmässigen Auftrag nicht nachkommen wollte.
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Zum Urteil des US-Supreme Court hier.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Unterm Strich: staatliche Organe der USA dürfen außerhalb der USA straffrei nicht-US-Bürger verschleppen, ohne Anklage, Verteidigung und Urteil auf unbestimmte Zeit ihrer Freiheit berauben und foltern. Außerdem dürfen die USA straffrei, ohne Widerspruch und Sanktionen per Geheimgericht auf der ganzen Welt Drohnenhinrichtungen vornehmen, wieder ohne offizielle Anklage und Verteidigung versteht sich. Und so eine Nation darf nun in Deutschland Atomwaffen stationieren und ein westliches Militärbündnis anführen. Zur us-typischen Bigotterie gehört natürlich, dass sie nicht an deutschen, englischen oder frz. Bürgern vergreifen, sondern quasi rechtlose Araber als Folteropfter herhalten müssen. Folterstützpunkte finden sich auch immer eher in der schlechter beobachteten Peripherie. Die USA wissen genau, wo sie sich wie aufführen können; das ermöglicht das Aufrechterhalten der Illusion von Rechtsstaat und Freihet.
Jeder kritische Zeitgenosse sieht die Parallelen zum Fall Julian Assange, der im Belmarsh Gefängnis, GB, ebenfalls gebrochen und vergessen werden soll.
Der Zerfall «westlicher rechtsstaatlicher Werte» hat sich in den letzten Jahren derart beschleunigt, dass davon so gut wie nichts mehr übrig geblieben ist.
Die «Nationale Sicherheit» wird dadurch nicht geschützt, sondern der Glaube an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wird begraben.
Und dafür will noch jemand ernsthaft in den Krieg ziehen oder sich ideologisch über andere Staaten erheben?
Es wird Zeit, die Lichter zu löschen und neu zu starten, aber nicht mit einem anti-demokratischen «Great» Reset!
Ich finde dieses Urteil entsetzlich aber nicht wirklich überraschend, entziehen sich doch die USA praktisch jeder Verantwortung für eigene Gräueltaten in Vergangenheit und Gegenwart im Rahmen praktisch aller Instanzen der Völkergemeinschaft – so wie es sich halt für einen ordentlichen Hegemon gehört. Warum dann nicht auch innerhalb der «eigenen» Justiz?
Menschlichkeit, Mitgefühl oder gar Selbstreflexion waren zudem noch nie die große Tugend der Hegemonialmacht und ihrer Handlanger, egal wohin man blickt.
Bedenklich finde ich, dass diese Verantwortungslosigkeit Schule zu machen scheint und auch die Europ. Vasallen zunehmend demokratische Strukturen und Kontrollinstanzen aushebeln (die «Staatswohl»-Begründung bei den Nord Stream-Attentaten ist da nur ein Beispiel) – während öffentlich und verbal die Demokratie gefeiert und offenbar mit (Stellvertreter-)Kriegsgewalt und mörderischen Sanktionen über alle «uneinsichtigen» Völker der Erde verbreitet werden soll.
Wohin wird das führen?
Das Oberste Gericht der USA bestätigt einmal mehr, dass die USA keine Demokratie sind. Die Kernwerte Freiheit, Gleichheit und das Recht auf Glück in der eigenen Verfassung werden in diesem Urteil nicht berücksichtigt. Damit sollte dieses Gremium, das zum Einhalten dieser Werte verpflichtet ist, abgesetzt werden, denn «Geheimhaltung» und «nationale Sicherheit» sind keine Auslegung der Verfassung, sondern autoritäre und politische Einstellungen.
Und was sagt Amnesty International dazu?
Furchtbar, und um das geht es offenbar: Angst verbreiten. Mit Angst Sicherheit zu erzeugen hat kurze Beine. Es mag, wenn aus der Not geboren, eine Weile funktionieren, doch das im Menschen fest eingezimmerte Bedürfnis nach Gerechtigkeit, Wahrheit und Transparenz überträgt sich über Generationen. Dazu kommt, daß eine Organisation welche den Freibrief zum foltern, brechen und töten in sich trägt, alle Sadisten, Psychopathen, pathologischen Gewalttäter und Verbrecher an der Menschheit nur so anzieht. Die werden sich nun zuhauf bei dieser Organisation bewerben, nachdem sie sich eine weisse Weste zugelegt haben. Es gibt schon lange Medikamente welche ohne Schmerzen Menschen dazu bringen, alles zu erzählen. (DMT, Psychedelica, Anästetika ) und Polygraphen um das Erzählte zu überprüfen. Denn unter Schmerzfolter sagen Gequälte all das, was die Folterer hören wollen, aber nie die wirkliche Wahrheit. Es ist zu befürchten das es gar nicht um die Wahrheit in diesem oder jenem Falle gehen könnte.
Wieso höre ich nicht die entsetzten Rufe und Schreie all jener, die die westliche Wertegemeinschaft ständig predigen?
Die Rechte dieses Mannes wurden mit den Füssen getreten und kein Rechtsstaat kann so etwas dulden, geschweige den anordnen.
Leider, wie zu oft, wird in den meisten Medien geschwiegen und dieses Gerichtsurteil ist wie wenn Zubaydah ein zweites Mal gefoltert worden wäre.