Sprachlupe: Können Sie Denglisch? Lernen Sie Tschörmen!

Daniel Goldstein /  Ohne Drill kein Kampfrekord! Leuchtet ein, könnte aber anders gemeint sein, nämlich in einem englischen Sinn.

«Die deutsche Popsängerin Lena … ist big in Japan.» Da haben Sie auf Anhieb verstanden, dass Lena gross herausgekommen ist, und Sie sind nicht einmal zusammengezuckt, als das englische «big» einfach so in einem deutschen Satz auftauchte, ohne dass es im Duden oder anderswo schon als Fremdwort vermerkt wäre. Dann sind Sie im Denglischen up to date und können sich seinem heimlichen Begleiter zuwenden, dem Tschörmen. Das ist eine Sorte Deutsch, die ohne englische Wörter auskommt und dennoch englisch geprägt ist.

Da hat zum Beispiel ein Thaiboxer einen «makellosen Kampf­rekord von 33:0», was aber nicht heisst, sein Karrierestart mit 33 Siegen nacheinander stelle eine Bestleistung dar. Es bedeutet nur seine Statistik, in der angelsächsischen Sportwelt seinen «record». Und wenn ein taiwanesischer Militärsprecher verkündet, «die Drills seien keine Reaktion auf die grossen Manöver der Chinesen», dann redet er einfach von Übungen, nicht von solchen zum Schinden der Truppe wie beim preussisch-schweizerischen Gewehrgriff unseligen Andenkens.

Drill und Heimatschutz

Die Meldung aus Taiwan ist gewiss aus dem Englischen übernommen worden, nur leider ohne Übersetzung des Wortes «drill». Wenigstens wurde nicht «Bohrer» daraus gemacht. Und unter «Drill» versteht man beim Militärsprecher höchstens die falsche Art von Übungen, aber weder die Affen- noch die Stoffart, die ebenso heissen. Eher Un- als Missverständnis droht, wenn etwas «im Pilot getestet wird» – vielleicht ist einem das Fachwort «Pilotversuch» neu, aber an einen Piloten denkt man dabei hoffentlich nicht, auch nicht ans Gewebe namens Pilot.

Auf Abwege kann man dagegen in der Schweiz sehr wohl geraten, wenn man vom «Heimatschutzministerium» der USA liest, wo jenes für innere Sicherheit gemeint ist (homeland security). Mehr für die äussere zuständig ist der «Nationale Sicherheitsberater», der selten in korrekter Übersetzung daherkommt: Berater für nationale Sicherheit. Vielleicht in Analogie dazu wurde berichtet, in Griechenland kämen wegen einer Abhöraffäre «nationale Sicherheitsbedenken» auf. Vermutlich war nicht gemeint, die ganze Nation mache sich solche Sorgen.

Gepickelt und verloren

Auch die Küche ist nicht vor Tschörmen sicher. Unter «gepickeltem Kohlrabi» könnte man solchen verstehen, den man mit dem Pickel zerkleinern musste. Immerhin wäre er dann bereit, würzig eingelegt (pickled) zu werden. Vielleicht hätte er sich für die Sängerin Andra Day geeignet, die für eine Filmrolle «20 Kilo verloren» hat. So eingedeutscht ist «to lose weight» schon recht verbreitet, was nichts daran ändert, dass «verlieren» bei Körper­gewicht nichts verloren hat. Fragen Sie mal im Fundbüro!

Ist es nicht die Wortwahl, die den Einfluss des Englischen verrät, dann kann es die Aussprache sein – gern bei nichtenglischen Namen von irgendwo auf der Welt. Da gibt es aus den Philippinen den Politiker «Marcos dschunier» oder gar aus Spanien den EU-Aussenbeauftragen «Dschosep Bo-well». Selbst die österreichische Zeitung «Der Standard» wird als «Ständerd» präsentiert.

In der (Radio-)Mundart kann sogar ein hochdeutsches Einsprengsel von englischer Prägung sein: «Oh mein Gott, der Yannick isch im Liferwage» wäre ohne das häufig ins Netz getippte «OMG» kaum passiert. Das wiederum steht für «oh my God», einen beinahe gottlos gewordenen Schreckensruf, der oft auch aus banalem Anlass erklingt. Unser althergebrachtes «Jesses Gott» wirkt dagegen schon fast fromm, wenn man es noch hört.

Weiterführende Informationen

  • Indexeintrag «Anglizismen» in den «Sprachlupen»-Sammlungen, Abruf bei der Nationalbibliothek: tiny.cc/lupen1 bzw. /lupen2.
  • Stichwortsuche und Links funktionieren nur im heruntergeladenen PDF (linke Spalte, ganz unten) oder in der Online-Anzeige bei Issuu (issuu.com/sprachlust).

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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