Tristan Languste

Hier wäre Hochseeschutz wichtig: Die Tristan-Languste ist weltweit die teuerste Langustenart. Am Mount Vema, einem Tiefseeberg im Südostatlantik, wurde sie im grossen Stil gefangen und in Gourmetlokalen verspeist. Sie ist dort deshalb nahezu ausgestorben. © Greenpeace

Hochseeschutz: Bundesrat wartet lieber ab

Esther Diener-Morscher /  Die fünfte Verhandlungsrunde für ein Abkommen zum Meeresschutz ist gescheitert. Die Schweiz müsste aktiver sein, findet Greenpeace.

Erderwärmung, Verschmutzung und Überfischung bedrohen die Artenvielfalt in der Hochsee. Es gibt zahlreiche gegensätzliche Interessen. Kein Wunder deshalb, dass die UNO-Mitgliedstaaten bereits seit zwanzig Jahren über ein weltweites Hochseeschutzabkommen verhandeln und immer noch zu keinem Ergebnis gekommen sind. Ende August ist die fünfte Verhandlungsrunde gescheitert. Nun müsste der Bundesrat reagieren, findet Greenpeace.

Petition nützte nichts

Vergeblich hatte Greenpeace vom Bundesrat eine engagierte Haltung verlangt und im Februar eine Petition mit folgenden Forderungen an die Schweizer Regierung gerichtet:

  1. Die Einrichtung von Meeresschutzgebieten ohne jegliche menschliche Nutzung.
  2. Die strikte Reglementierung sämtlicher Nutzungsformen ausserhalb von Meeresschutzgebieten.
  3. Die Einrichtung eines Finanzierungsmechanismus zur Umsetzung des Abkommens, ergänzend zum globalen Umweltfonds.
  4. Die Aufnahme der gesamten marinen Artenvielfalt in den Vertrag, ohne Ausnahmen. 
  5. Eine öffentliche Unterstützung der Schweiz für ein Tiefseebergbau-Moratorium.

Der Grund für diese Forderung: Die hohe See wird zunehmend von reichen Nationen ausgebeutet. Die Fischerei und immer mehr auch der Tiefseebergbau bedrohen die Meere. Das angepeilte Schutzabkommen soll das Meer vor solcher Übernutzung schützen. Wissenschaftler fordern, dass mindestens 30 Prozent der Weltmeere zu Schutzgebieten werden.

Pharmaindustrie hofft auf Wirkstoffe

Die Staaten und ihre Wirtschaftslobbys zögern jedoch, weil viele von ihnen mit der Nutzung der Hochsee Geld verdienen möchten. Auch in der Schweiz – beispielsweise in der Pharmaindustrie – gibt es solche kommerziellen Interessen, wie Iris Menn, Greenpeace-Meeresexpertin und Geschäftsleiterin von Greenpeace Schweiz, gegenüber Infosperber sagt.

Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie erhoffen sich einträgliche Entdeckungen. Sie analysieren Meeres-Organismen auf wirksame Inhaltsstoffe und suchen nach Verwendungszwecken für neue natürliche Substanzen.

Sommaruga hätte verhandeln sollen

Trotzdem, so Iris Menn, stehe die Schweiz dem geplanten Netzwerk von Schutzgebieten grundsätzlich positiv gegenüber. Aber die Schweiz hätte der jüngsten Verhandlungsrunde mehr Bedeutung beimessen müssen. Nach zwanzig Jahren ergebnislosen Diskussionen hätte Bundesrätin Simonetta Sommaruga teilnehmen sollen, findet Iris Menn.

Sie ist überzeugt, dass die Schweiz bei diesen Verhandlungen etwas bewegen könne. «Die Schweiz hat durch ihre internationalen Unternehmen und den Finanzplatz eine durchaus gewichtige Stimme.»

Deshalb sieht Iris Menn eine Gelegenheit für die Schweiz, sich für den Meeresschutz zu engagieren: «Es bestünde die Chance, das Abkommen noch vor Ablauf des Jahres zu verabschieden. Die Schweiz kann sich für eine UN-Dringlichkeitssitzung einsetzen und dafür zum Beispiel Genf als Austragungsort anbieten.»

BAFU will lieber abwarten

Doch eine solche Dringlichkeitssitzung, wie sie Greenpeace fordert, wird es nicht geben. Denn das Bundesamt für Umwelt (BAFU) winkt ab.

Für die Schweiz seien die seriöse Aushandlung und ein Konsens innerhalb der Staatengemeinschaft, der einen Beitrag zum Schutz der Meeresumwelt leiste, wichtiger als die Einhaltung des geplanten Abschlusstermins der Verhandlungen. Das erklärt der zuständige Delegierte Norbert Bärlocher, Leiter der Sektion Rio Konventionen beim BAFU, auf Anfrage von Infosperber.

Terminprobleme verzögern Meeresschutz

Da in den nächsten Monaten eine ganze Reihe von anderen globalen Umweltkonferenzen stattfänden, sei es kaum möglich, zu einem früheren Zeitpunkt eine Verhandlungsrunde anzusetzen. Die Verhandlungen werden voraussichtlich im Januar oder Februar weitergeführt.

Auch wird nicht Genf, sondern wiederum New York der Verhandlungsort sein, wo das Sekretariat der UNO-Seerechtskonvention am UNO-Hauptsitz angesiedelt ist.

Bestehende Schutzgebiete miteinander verbinden

Als Hochsee werden zwei Drittel der Weltmeere bezeichnet. Greenpeace geht davon aus, dass derzeit weniger als drei Prozent der Meere vor menschlichen Eingriffen geschützt sind. Auf der hohen See, also jenseits nationaler Küstengewässer, sind es sogar weniger als ein Prozent. Deshalb wollen Wissenschaftler mit dem Hochseeabkommen erreichen, dass miteinander verbundene Schutzgebiete vom Nord- bis zum Südpol errichtet werden, die zusammen 30 Prozent der Meere umfassen.

«Regionale Abkommen funktionieren nicht»

Die Schweiz unterstütze zwar ein solches Netz, sagt Iris Menn. Doch für die Umsetzung setze die Schweiz zu sehr auf bestehende regionale Abkommen wie regionale Fischereiabkommen. «Diese Abkommen versagen jedoch seit Jahrzehnten, so dass aus Sicht von Greenpeace hier die Schweiz einen Fehler begeht», kritisiert sie.

Es gibt knapp 600 Abkommen zum Meeresschutz. Doch scheiterten viele an Bürgerkriegen, fehlender technischer Ausstattung und den Mitteln zur Kontrolle der Einhaltung der Ziele.

Meeresschutz in grossem Massstab

Der Greenpeace-Plan für Meeresschutzgebiete will einen Drittel der Weltmeere bis 2030 unter Schutz stellen. Deshalb heisst das Vorhaben auch «30×30». Die Schutzgebiete sollen nicht willkürlich auf der Welt verteilt sein. Greenpeace hat mit Wissenschaftlern der Universitäten von Oxford und York mittels eines Computermodells errechnet, wo Schutzgebiete die grösstmögliche Wirkung entfalten können.

Üblicherweise sind Schutzgebiete als Reservate abgetrennt und umgeben von Landschaften oder Meeresregionen, die von Menschen beeinflusst werden. Greenpeace stellt es sich künftig umgekehrt vor: Die angestrebten miteinander vernetzten Schutzgebiete auf der Hohen See sind miteinander verbunden. Darin eingebettet sind Bereiche, die von Menschen genutzt werden. Häufig umfassen diese Schutzgebiete ganze Ozeanbecken und eignen sich daher auch zum Schutz von mobilen, weit wandernden Arten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Plünderung Weltmeere

Die Plünderung der Weltmeere

Das reichhaltige und wundervolle Leben im Meer wird dezimiert. Industriell und rücksichtslos bis zum Ende.

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