Akesson_2014

Wie viel Macht erhält er? Jimmie Åkesson, Präsident der rechtsextremen Schwedendemokraten 2014. © cc-by News Øresund

Trotz Wahlsieg: Geringer Einfluss der Schwedendemokraten

Anamaria Dutceac Segesten /  Die schwedische Politik dürfte sich nach dem Wahlsieg der rechten Koalition verstärkt nach innen richten. Ein Gastbeitrag.

psi. Dies ist ein Gastbeitrag. Anamaria Duteac Segesten ist Associate Professor in Europäischen Studien und Strategischer Kommunikation an der Universität Lund. Der Text erschien zuerst am 15. September 2022 bei The Conversation.

Mit der Bekanntgabe der endgültigen Wahlergebnisse steht nun fest, dass Schweden eine neue Regierung bekommen wird. Magdalena Andersson, die Vorsitzende der Sozialdemokraten und Ministerpräsidentin, ist zurückgetreten, und Ulf Kristersson, Parteivorsitzender der Mitte-Rechts-Konservativen (Moderaterna), hat bereits informelle Verhandlungen über die Besetzung seines Kabinetts aufgenommen.

Seine Partei hatte vor den Wahlen ein Bündnis mit den Christdemokraten, den Liberalen und den Schwedendemokraten geschlossen. Ihr erklärtes Ziel ist es, innerhalb von zehn Tagen die Form ihrer rechtsgerichteten Koalitionsregierung festzulegen. Dann soll Kristersson offiziell als neuer Ministerpräsident bestätigt werden.

Seine Aufgabe ist nicht gerade beneidenswert, denn die internen Spaltungen sind schon jetzt offensichtlich. Die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten unter der Führung von Jimmie Åkesson wurden mit über 20 Prozent der Stimmen zweitstärkste Partei des Landes – und die stärkste Partei der Rechten. Damit können sie einen starken Anspruch darauf erheben, eine wichtige Rolle in der Regierung zu spielen.

Um eine parlamentarische Mehrheit zu bilden, braucht Kristersson jedoch die Unterstützung der Liberalen, die erklärt haben, dass sie ein Kabinett, in dem die Schwedendemokraten Ministerposten besetzen, nicht unterstützen würden. Das wahrscheinliche Ergebnis wird eine Regierung Kristersson ohne eine formelle Präsenz der Schwedendemokraten sein.

Stattdessen wird die einwanderungsfeindliche Partei ihren Einfluss ausserhalb der Regierung durch einen formellen Vertrag mit den Konservativen geltend machen. In diesem Vertrag wird die Politik umrissen, welche die Schwedendemokraten im Gegenzug für ihre parlamentarische Unterstützung umsetzen wollen.

Einige dieser Massnahmen wurden bereits vor den Wahlen ausgehandelt, wie zum Beispiel eine härtere Gangart bei Kriminalität und Einwanderung. Es ist damit zu rechnen, dass Personen, die in Schweden eingebürgert wurden und anschliessend ein Gewaltverbrechen begehen, die Staatsbürgerschaft entzogen wird und dass finanzielle Anreize geboten werden, um Einwanderer zur Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu bewegen.

Strittige Punkte

Es gibt jedoch Bereiche, in denen sich die Schwedendemokraten und die anderen Mitglieder des konservativen Blocks nicht einig sind und in denen es schwierig sein wird, gemeinsame Positionen zu finden. So wollen die Konservativen beispielsweise die Sozialleistungen für Arbeitslose und Kranke weitaus stärker kürzen, als die Schwedendemokraten dies zu unterstützen bereit sind.

Beide teilen die Ansicht, dass Schwedens Budget für internationale Hilfe und Entwicklung gekürzt werden sollte, doch werden sie in diesem Punkt auf den Widerstand der Liberalen stossen. Die Christdemokraten wollen religiöse Schulen weiterhin finanziell unterstützen, aber die Schwedendemokraten sind dagegen.

Und, was besonders wichtig ist: Klima-Initiativen haben für die Schwedendemokraten keine Priorität, stehen aber bei allen drei anderen Parteien, die die neue Regierung bilden werden, ganz oben auf der Tagesordnung.

Auch die Zusammenarbeit mit der Europäischen Union könnte zu einem Streitpunkt werden. Die Schwedendemokraten sind die kritischste Stimme Schwedens gegenüber der EU, während die Liberalen die EU-freundlichste aller Parteien sind.

Schweden und seine Nachbarn

Immer wenn eine rechtsextreme Partei bei den Wahlen zulegt, besteht die unvermeidliche Sorge, dass ein Land eine dramatische Abkehr von der Einwanderung vollziehen wird. Doch diese Ergebnisse wirken eher wie ein Epilog als der Beginn einer neuen Geschichte. Der Trend geht schon seit einiger Zeit zu einer strengeren Einwanderungspolitik. Deshalb konnte sich der Block vor der Wahl zumindest auf einige einwanderungspolitische Massnahmen einigen.

Der Erfolg der einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten wurde von den Schwesterparteien in der Region begrüsst. Doch sowohl in Dänemark als auch in Finnland haben diese Parteien in den letzten Jahren an politischer Bedeutung verloren, trotz früherer Wahlerfolge.

Auch in Frankreich gelang es der rechtsextremen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen nicht, den Kandidaten des Establishments, Emmanuel Macron, zu besiegen, obwohl dieser in den Meinungsumfragen schlecht abschnitt. Und während die italienische extreme Rechte kurz vor den Wahlen in den Umfragen zulegt, ist dies weitgehend auf die innenpolitische Situation zurückzuführen.

Das heisst aber nicht, dass der Erfolg der Schwedendemokraten keine Spuren in der Region hinterlassen wird. Die Partei verkündete eine «Sweden first»-Politik (in Anlehnung an den «America first»-Slogan von Donald Trump), so dass ein Rückzug aus der internationalen Arena zu erwarten ist, wenn die Schwedendemokraten Einfluss auf die Aussenpolitik des Landes nehmen. Sie sind euroskeptisch und wünschen sich eine geringere Rolle der Europäischen Union in der Innenpolitik der Mitgliedsstaaten.

Im Gegensatz zu vielen anderen rechtsextremen Parteien in Europa sind die Schwedendemokraten jedoch nicht gegen die NATO und haben den Antrag Schwedens auf Mitgliedschaft unterstützt. Trotz der Vorwürfe der Sozialdemokraten, sie stünden Putins Regierung zu nahe, ist es unwahrscheinlich, dass die Schwedendemokraten ihre derzeitige Politik der Unterstützung der Ukraine ändern werden.

Zwar stimmten ihre Vertreter im Europäischen Parlament Mitte Februar 2022 gegen die Bereitstellung von EU-Finanzhilfen für die Ukraine, aber das war vor dem tatsächlichen Einmarsch russischer Truppen in das Land. Angesichts der neuen Sicherheitsbedrohungen haben sie ihre Position gegenüber der Ukraine revidiert. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass sich die schwedische Politik infolge dieser Wahlergebnisse stärker nach innen richtet, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Aussenbeziehungen des Landes durch die Unterstützung der Schwedendemokraten für die Regierung Kristersson wesentlich beeinflusst werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Rechtsextreme in Europa

Arbeitslosigkeit, Immigration und zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich sind Nährboden für Extremismus.

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2 Meinungen

  • am 16.09.2022 um 11:28 Uhr
    Permalink

    Wie wird beurteilt, ob eine Partei rechtsextrem ist? Was sind die Kriterien? Warum liest man höchst selten, dass eine Partei linksextrem ist? Werden da unterschiedliche Masstäbe angelegt? Wäre froh um eine Definition / Klarstellung!

    • am 17.09.2022 um 12:21 Uhr
      Permalink

      Was an diesen Positionen ist jetzt genau Rechtsextrem? Ich finde solche Etiketten eher problematisch. Die Grünen in Deutschland sind ja auch keine Partei der Pazifisten mehr,wie zu Beginn ihrer Gründung. Wir sollten wieder lernen Menschen mit anderen Meinungen zu akzeptieren und nicht irgendwelche Labels zu kreieren,damit jegliche Diskussion ausgeschlossen werden kann. Schlussendlich haben 20% so gewählt,denen jetzt jegliche Mitsprache zu verhindern,wird bei den Wählern nicht mehr Vertrauen in die Demokratie fördern

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