Sperberauge

Die Bild-Zeitung gegen den «Woke-Wahnsinn»

Heinz Moser © zvg

Heinz Moser /  Die Punk-Band «Die Ärzte» spielen ihren Kult-Song «Elke» aus den Achtzigern schon lange nicht mehr. Jetzt aber wird es zum Thema.

Die deutsche Bild-Zeitung versucht seit einiger Zeit, die Woke-Diskussion zu skandalisieren. So empörte sich «Bild» über eine amerikanisch-indische Bloggerin. Diese hatte gefordert, das Wort «Curry» aus der Sprache zu tilgen, da es von Weissen erfunden worden sei. Absurditäten sind aber wenig geeignet, ernsthafte Diskussionen auszulösen. Da war die Diskussion um Rastalocken der Schweizer Reggea Band «Lauwarm» schon besser geeignet, um für einen Aufreger zu sorgen. «Woke-Wahnsinn» in der Schweiz titelte «Bild» dazu.  Vor einigen Tagen wurde das Kultur-Bashing dann nochmals durch Berichte über die deutsche Punkband der «Ärzte» getoppt. Sie hätte sich kürzlich von ihrem Kultsong «Elke» distanziert, der frauenfeindlich und gegen Dicke gerichtet sei. Anlässlich eines Auftritts im Berliner Tempelhof, so wurde es der «Bild» zugetragen, sei die Band aufgefordert worden, «Elke» zu spielen. Ausführlich wurde dazu die Antwort des Frontmanns Farin Urlaub zitiert – nach der Zeitung mit einem «Machtwort» des Bandleaders: «Ne, Leute. Elke ist fatshaming und misogyn. So was spielen wir nicht mehr, das ist letztes Jahrtausend.»

Die «NZZ» nimmt diese Story ebenfalls auf und schreibt: «Die Ärzte haben in ihrer 40-jährigen Bandgeschichte viele provokante Hits geschrieben. Einige von diesen sind nicht mehr zeitgemäss und werden aus dem Programm gestrichen.» So gebe es misogyne Pop-Songs wie Sand am Meer – wie zum Beispiel gerade das «Puffmutter-Lied Leyla».

Damit wäre eigentlich alles gesagt. Doch der Berliner «Tagesspiegel» findet die ganze Diskussion heuchlerisch: Das sei ein Skandal, der keiner sei. Es zeige sich eher, wie irreführend, unaufrichtig und interessengeleitet die Diskussion um politische Korrektheit gegenwärtig geführt wird.

Dass der Sänger Farin Urlaub gerade ein Machtwort gesprochen habe, sei totaler Unsinn. Schon vor Jahren hätten die Bandmitglieder erklärt, dass sie das Lied nicht mehr spielten. Der letzte dokumentierte Auftritt mit dem Lied fand im Dezember 2011 statt. Und genauso peinlich ist auf diesem Hintergrund die Verlautbarung der NZZ, die sich an die Bild-Veröffentlichung angehängt hat und behauptet hatte: «Doch damit ist jetzt Schluss. Auf der neuen Setlist der Band fehlt das Lied – offenbar eine bewusste Entscheidung.»

Die Polemik der «Bild» insinuiert eine peinliche Klatsche für die Linke: Zu einer Zeit, wo Rassismus und Frauenfeindlichkeit lautstark kritisiert werden, müssten Vertreter der linken Popkultur ihre Lieder aus eben diesen Gründen aus dem Programm nehmen. Doch ist es wirklich so daneben, wenn die Ärzte auf einen Song aus ihrem Programm rauswerfen, zu dem sie seit mehreren Jahren nicht mehr stehen können – «totgespielt» und einfach «durch», wie sie sagen?


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Eine Meinung zu

  • NikRamseyer011
    am 14.09.2022 um 11:58 Uhr
    Permalink

    Wie soll sich die Leserschaft in Urteil bilden, wenn «Elke» nirgends wörtlich zitiert wird? Aber egal: Die «Woke-Diskussion» ist doch gar keine, wie der Fall «Lauwarm» in der Lorraine zeigt – eine «ernsthafte» schon gar nicht. Die hiesigen «unwohlen Wokler», die sich ihr Unwohlsein aus der falsch verstandenen «woken» Uni-Szene in den USA «angeeignet» haben, wollen nämlich gar nicht diskutieren. Sie wollen mit Drohungen (z.B.gegen die Chilbi-Leitung) hintenherum verbieten und verhindern. Es geht auch nicht um «Absurditäten»: Die Woke-Agitation ist grössten Teils effektiv absurd – auch gerade wegen repressiven Kultur-Säuberungen, auf die sie hinausläuft. «Brown Sugar», einen Stones-Song gegen die Sklaverei, hat es schon erwischt. Mani Matters «Z Lotti schilet» noch nicht. Der Kabarettist Ursus hat ironisch «Kunst aufräumen» wollen. Das war klug und sehr witzig. Die selbsternannten, «woken» Kultur-AufräumerInnen hingegen meinen es todernst. Sie sind unklug, witzlos, humorlos. Aufhören!

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