Umspannwerk

Ein Umspannwerk in Deutschland. © Daniela Gschweng

USA: Standorte von ehemaligen Kohlekraftwerken sind begehrt

Daniela Gschweng /  Ehemalige Dreckschleudern der Fossil-Ära besitzen eine Eigenschaft, die sie für die Zukunft der Energie sehr attraktiv macht.


Stillgelegte Kohlekraftwerke produzieren zwar nichts mehr, sind dann aber immer noch da. Einige werden abgebaut, andere rotten vor sich hin. Manche werden zu neuen Kraftwerken. In den USA entdecken Erzeuger nachhaltiger Energie sie als attraktive Standorte.

Denn die jahrzehntealten Kraftwerke sind perfekt in die Strom-Infrastruktur eingebunden. Der neue Betreiber muss beispielsweise etliche Kilometer Hochspannungsleitungen nicht erst planen, genehmigen lassen und bauen, weil sie schon da sind, berichtet die «New York Times» aus den USA.

Hunderte Kohle-Reaktoren sind bereits stillgelegt

Das Potential sei gross: in den letzten 20 Jahren sind nach Informationen der US-Energiebehörde mehr als 600 Kohlekessel ausser Betrieb gegangen (ein Kraftwerk kann mehrere Brennkessel umfassen). Die meisten der noch laufenden 266 Kohlekraftwerke wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren gebaut und nähern sich dem Ende ihrer Laufzeit. Durch neue Kohlekraftwerke ersetzt werden wohl nur wenige. Erneuerbare Energien sind inzwischen günstiger als fossile, Probleme mit Emissionsgesetzen sind auch nicht zu erwarten.

Die Erzeuger erneuerbarer Energien suchen andererseits dringend Möglichkeiten, neue Anlagen schnell und günstig ans Netz anzuschliessen. Bau und Genehmigung von Hochspannungstrassen können jedoch eine langwierige und kostspielige Angelegenheit werden. Zum Beispiel wenn sie durch Gebiete führen, deren Einwohner einen Wertverlust ihrer Grundstücke fürchten, oder wenn sie geschützte Landschaften durchqueren.

Aus Kohlekraftwerken werden Solarfarmen

Im Bundessstaat Illinois sind mindestens neun Kohlekraftwerke auf dem Weg, in den nächsten drei Jahren zu Solarkraftwerken und Batteriespeichern zu werden. Ein texanisches Unternehmen namens Vistra will dafür mehr als eine halbe Milliarde Dollar investieren. Zwei ausgediente Kraftwerke an der Küste von New Jersey und Massachusetts sollen Offshore-Windparks mit dem Stromnetz an Land verbinden.

Das Hindernis bei neuen nachhaltigen Projekten sei «nicht mehr die Wirtschaftlichkeit», sagte Joseph Rand, Wissenschaftler am Lawrence Berkeley National Laboratory, das im Auftrag des US-Energieministeriums forscht, zur «New York Times». Bau und Betrieb von Projekten für erneuerbare Energien seien schon lange günstiger als Kraftwerke für fossile Brennstoffe. Das Schwierigste sei, den den Zugang zur Netzinfrastruktur sicherzustellen.

In Massachusetts gaben die bereits vorhandenen Unterwerke den Ausschlag, die Hochspannung in für Haushalte konsumierbare Energie umwandeln. 1200 Megawatt aus einer Offshore-Windfarm gehen jetzt durch die Brayton Point Power Station, die als Kohlekraftwerk mit 1600 Megawatt Leistung bis 2017 die Umgebung versorgte.

Das grösste in Illinois geplante neue Kraftwerk, eine Solarfarm mit 190‘000 Panels und 68 Megawatt Leistung, soll nach dem Umbau 14‘000 bis 34‘000 Haushalte versorgen.

Frust über die Langsamkeit der Behörden

Bis 2030 könnte nach einer Studie aus Berkeley 80 Prozent der Energie in den USA aus sauberen Energieträgern produziert werden –  wenn jedes bisher eingereichte Projekt auch genehmigt würde, sagt der Hauptautor Joe Rand gegenüber der «New York Times».

So manches Projekt steckt in der Behördenschleife fest. Der Vistra-CEO Curtis Morgan beklagt sich gegenüber der «New York Times» über Genehmigungsstau und ist damit vermutlich nicht der einzige.

In den letzten Jahren hat die Zahl der Anträge für «Green-Energy»-Projekte stark zugenommen. Die zuständigen Gremien in den USA sitzen auf Bergen von Anträgen, die sie kaum bewältigen können. Nicht viel anders als diesseits des Atlantiks: «Der Spiegel» berichtete kürzlich, wie die deutsche Bürokratie die Energiewende ausbremst (Video).

Für weniger Kohle gibt’s Kohle vom Staat

Ganz allein müssen Unternehmen wie Vistra die Kosten für die Umbauten nicht tragen – für den Umbau von Kohlekraftwerken zu Solarfarmen oder Batteriespeichern gibt es einen Beitrag vom Staat. Denn der Umbau nütze nicht nur die bestehende Infrastruktur, er nütze auch den Gemeinden, die bei der Stillegung von Kraftwerken Arbeitsplätze verlieren, sagt Sylvia Garcia, die Direktorin des Illinois Department of Commerce and Economic Opportunity, welches das Kohle-zu-Solar-Programm beaufsichtigt.

Wenn die Bauarbeiten einmal beendet sind, kann von den Arbeitsplätzen aber nur ein kleiner Teil erhalten werden. Das grösste von Vistra für den Umbau vorgesehene Werk in Baldwin, Illinois, beschäftigte laut der «New York Times» einmal 105 Vollzeitangestellte, nach anderen Quellen waren es 130 Angestellte.

Für alle neun umgebauten Kraftwerke im Bundesstaat seien zukünftig schätzungsweise 29 Stellen jährlich geplant, liess Vistra auf Anfrage der «New York Times» wissen. Nützen dürfte der Umbau den Gemeinden aber dennoch – Land, auf dem ehemalige Kraftwerke verfallen würden, kann so weiter genutzt werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

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