Wiederkehrende Blasenentzündung: Cranberry-Präparate nützen
Wer die Antwort auf eine medizinische Frage sucht, kann sich in Deutschland ans «Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen» (IQWIG) wenden. Eine Bürgerin wollte wissen: Gibt es für Frauen mit unkomplizierten wiederkehrenden Blasenentzündungen eine Alternative zur Behandlung mit Antibiotika?
Ja, antworteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber nur bei länger dauernder Einnahme. Die vorbeugende Einnahme von Cranberry-Präparaten könne «bei Frauen mit unkomplizierter wiederkehrender Blasenentzündung sinnvoll sein». Im Vergleich zu Placebo gebe es aufgrund mehrerer Studien einen Hinweis, dass Cranberry-Präparate die Anzahl der Rückfälle senken würden, und es dauere auch länger, bis es zu einem Rückfall komme.
In den Studien hatten von den Frauen, die ein Placebo einnahmen, etwa 8 von 100 innerhalb von drei Monaten mindestens eine Blasenentzündung. Die Cranberry-Präparate verhinderten dies bei etwa 3 von 100 Frauen.
Frühere Studien hatten den Cranberries keine Wirkung zugesprochen. Die «Gesundheitstechnologie-Bewertung» des IQWIG kam nun zu einem anderen Schluss, weist aber auch darauf hin, dass die Wirkung nur so lange anhalte, wie die Präparate eingenommen werden. Die Wissenschaftler stützen sich auf insgesamt 15 sogenannte randomisierte Studien, bei denen die Teilnehmenden einer Versuchsgruppe zugelost wurden.
Löwenzahn und Bärentraubenblätter
Nebst den Cranberry-Präparaten lieferte in diesen Studien auch ein Präparat aus Bärentraubenblättern und Löwenzahn Anhaltspunkte für einen Nutzen. Ein anderes Präparat aus Liebstöckelwurzel, Rosmarinblättern und Tausendgüldenkraut schien in der Kombination mit Antibiotika einen Mehrwert zu bieten, schreibt das IQWIG. Für verlässliche Aussagen brauchte es aber noch weitere Studien. Auch zu etwaigen Nebenwirkungen gab es nur wenige Daten.
Etwa jede zehnte Frau hat laut dem IQWIG mindestens einmal jährlich eine unkomplizierte Blasenentzündung, etwa jede zwanzigste zweimal jährlich. «Unkompliziert» bedeutet: Die Frau hat weder Fieber noch ist sie schwanger oder hat andere Risikofaktoren, die ein Voranschreiten in Richtung Nierenbeckenentzündung begünstigen. Blasenentzündungen bei Männern gelten per se als «kompliziert». Bei komplizierten Harnwegsinfekten wird immer die antibiotische Behandlung empfohlen.
Dem IQWIG zufolge heilt eine unkomplizierte Blasenentzündung bei 30 bis 50 von 100 Frauen auch ohne Antibiotika innerhalb einer Woche ab. Je nach Studie kam es ohne Antibiotika-Behandlung bei maximal fünf Prozent der Frauen zu einer Nierenbeckenentzündung.
Um Rückfälle zu vermeiden, sollten je nach Patientin auch nicht-medikamentöse Methoden wie Meditation, Entspannungsübungen, Stressreduktion, Sport, Hitze- und Kältebehandlung oder Physiotherapie «grosszügig eingesetzt werden», empfahl eine Gruppe aus Schweizer Infektiologen und Komplementärmedizinerinnen in der Fachzeitschrift «Primary and Hospital Care» 2020.
Meerrettich, Zistrose und Eukalyptusöl
Hilfreich bei der akuten, nicht antibiotisch behandelten, unkomplizierten Blasenentzündung sei es, über den Tag verteilt möglichst 2,5 bis drei Liter Tee oder Wasser zu trinken und so die Bakterien aus der Harnblase zu spülen, sich zu schonen, dazu eine warme Bettflasche und bei Bedarf Schmerzmittel. Ein Trick, um mehr zu trinken, ist, sich eine Wasserflasche auf den Tisch zu stellen und diese bis zur nächsten Mahlzeit auszutrinken.
Der Fachartikel enthält viele praktische Tipps, zum Beispiel: «Nicht ständig auf die Toilette gehen, um den Spüleffekt zu verbessern», einen Esslöffel frisch geriebenen Meerrettich pro Tag essen, dreimal täglich D-Mannose für etwa zehn bis 14 Tage einnehmen oder Präparate mit Bärentrauben, Kapuzinerkresse oder Meerrettich und bei starken Blasenschmerzen zum Beispiel ein Sitzbad mit Zistrose machen oder den Unterbauch mit Eukalyptusöl einreiben.
Von fixer, dreimal täglicher Schmerzmittel-Einnahme rät die Gruppe ab, weil aufkommendes Fieber oder Flankenschmerzen als Hinweis auf eine Nierenbeckentzündung von der Patientin sonst womöglich nicht bemerkt würden. Ausserdem empfiehlt sie, Kontakt mit der Ärztin oder dem Arzt herzustellen, wenn die Beschwerden schlimmer werden oder nach zwei bis drei Tagen nicht bessern.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Cranberry-Saft zur Vorbeugung und Behandlung von leichten, unkomplizierten Blasenentzündungen wirksam ist. Er muss mit Trinken von mindestens 1,5 Liter pro Tag kombiniert werden. Er wirkt also auch bei Männern.
An heissen Tagen muss man allerdings noch mehr trinken, um den Flüssigkeitsumsatz durch die Blase auf seinem Niveau der kälteren Tage zu halten, da das Schwitzen parallel auch viel Flüssigkeit für sich beansprucht.
Mir gesagt wurde, dass der Cranberry-Saft das Einnisten von Bakterien an Schleimhäuten verhindert oder mindestens reduziert, was ihre Vermehrung bremst. Mir scheint diese Erläuterung realistisch, da sie ähnlich ist wie bei der Vermehrung der Legionellen im Biofilm an Wänden von Warmwasser-Speichern und -Verteilleitungen, einen Fachbereich, den ich gut kenne.
Hinweis:
Bei Männern mit Blasenentzündung wird nicht zu Hausmitteln geraten, sondern zur Arztkonsultation. Wie im Text erwähnt, gelten Blasenentzündungen bei Männern als «kompliziert».
Bin etwas erstaunt, dass D-Mannose nicht prominenter beschrieben wird im Artikel.
Hatte nach der ersten Blasenentzündung Antibiotika verschrieben bekommen – danach hatte ich alle paar Monate eine, bei der dritten stellte man dann eine Bactrim-Resistenz fest (danke den Tonnen von Antibiotika die den Tieren reingekippt werden in der „Landwirtschaft“ – ich war in den 26% die 2012 so eine Resistenz hatten im Kanton BE), und sowieso hat Antibiotika meine Blasenentzündungen chronisch gemacht. Ich habe also recherchiert und bin auf D-Mannose gestossen. Ich musste es vor 10 Jahren noch in D bestellen, hab‘s hier nirgends gefunden – mittlerweile gibt‘s das aber hier!
Es wirkt folgendermassen: D-Mannose ist ein unverwertbarer Einfachzucker dessen Moleküle in der Blase landen. Dort verlassen die Bakterien die die Entzündung auslösen dann die Blasenwand und stürzen sich auf die Zuckermoleküle. Während dem die Bakterien an den Zuckermolekülen hängen, uriniert man.
Ich bin eine von diesen <5% Frauen, die Harnwegsinfektionen sogar mehr als zwei Mal im Jahr haben, glücklicherweise ohne grosse Schmerzen. Den Tipp mit den Cranberrys habe ich natürlich auch schon gehört. Etwas verwundert lese ich hier aber nichts zu den eigentlichen Früchten, sondern nur zu (teuren) Präparaten aus der Apotheke, die die Krankenkassen selbstredend nicht erstatten.
Absicht? Wer steht hinter den erwähnten Studien und wie ist die Bindung (auch Ihre, Frau Frei) zur Pharmaindustrie?
Tipp: Meine persönliche Erfahrung spricht übrigens von einer guten Wirkung von Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), angesetzt in Alkohol und bei möglichst jedem Toilettengang äusserlich angewendet. Nützt's nüt, schadt's nüt, vielleicht ist es auch nur der Effekt der Bauchmassage.
@ Fr. Usch: Mit ihrer Frage suggerieren sie, ich hätte Bindungen zu den Herstellern von Cranberry-Präparaten. Bei Infosperber ist es üblich, dass jeder Autor Interessenskonflikte deklariert, falls welche bestehen. Siehe unten am Artikel.
Mir hilft jeweils Kapuzinerkresse-Urtinktur. Und konsequentes Vermeiden von Kälte im Blasenbereich oder gar spezielles Warmhalten. Ja, das ist schwierig in der Badesaison.