Sprachlupe: Die geschlechtervereinenden Arbeitgebenden
Neue Arbeit für die Dudenredaktion, nur weiss sie es vielleicht noch nicht: Wenn sie mit der Geschlechtertrennung fertig ist, kommt die Geschlechtervereinigung auf sie zu. Die Trennung, online vermutlich abgeschlossen, ging so: Bei 12 000 Personenbezeichnungen wurde die jeweilige weibliche Form ganz verselbständigt, also von Hinweisen auf die männliche Form befreit. Letztere erhielt eine Definition, die ausschliesslich für Männer gilt. Dabei schob die Redaktion, nachdem sie Kritik geerntet hatte, jedes Mal ein Kästchen ein, wonach zuweilen «Personen aller Geschlechter» gemeint sein könnten. Das sei aber «sprachlich nicht immer eindeutig».
Klickt man im Kästchen «Alternativen» an, findet man an erster Stelle die Doppelnennung und Kurzformen – allesamt mit dem «Nachteil, dass sie keine ‹dritte Option› enthalten». Dazu passt die Beobachtung, «dass sich die Variante mit Genderstern in der Schreibpraxis immer mehr durchsetzt», besonders wenn «die Möglichkeit weiterer Kategorien angezeigt werden soll». Ferner erwähnt die Duden-Website die substantivierten Partizipien, die aber nur im Plural «geschlechterneutral» seien, siehe etwa «der Studierende und die Studierende». Unerwähnt lässt die Redaktion den oft gehörten, etwas besserwisserischen Einwand, die Studierenden studierten nicht ständig, wie es dem Partizip entspräche.
Wie schreib ich’s meinem Kinde?
Weil nun auch zusammengesetzte Partizipien zunehmend im Umlauf sind, stellt sich die erwähnte neue Aufgabe: Wie schreibt man die Verben, die da zugrunde liegen müssen? Aufgefallen sind mir in letzter Zeit etwa Schauspielende, Seelsorgende, Freidenkende, Telefonanbietende, Hinweisgebende. Was tue ich da? Ich schauspiele (wie: bauchpinsle) oder ich spiele Schau (wie: fahre Rad) oder ich spiele schau (wie: laufe eis)? Ich seelsorge, freidenke, telefonanbiete, hinweisgebe? Oder für jedes neu supponierte Verb eine eigene Regelung, möglichst logisch und unmissverständlich? Schliesslich denken alle frei oder meinen es wenigstens, ohne unbedingt Freidenker (jedweden Geschlechts) zu sein. Und irgendeinen Hinweis haben alle schon einmal gegeben, ohne gleich Whistleblower (englisch geschlechtsneutral) zu sein.
Da der Duden nach eigenem Anspruch den allgemeinen Sprachgebrauch wiedergibt, wird er um die häufigsten der neu gebildeten Partizipien nicht herumkommen. Aber aus demselben Grund wird er Verben wie «schauspielen» kaum aufnehmen, weil sie eben nicht in Gebrauch sind. (Wohlbekannt ist «schauspielern», nur findet das besser nicht in einem Theater statt.) Wird z. B. «Seelsorgende» als selbständiges Wort aufgenommen, dann wohl ohne Verweis auf ein Verb «seelsorgen», von dem es ein substantiviertes Partizip Präsens wäre. Bei «Fahrende» sieht der Online-Duden kein Partizip, sondern ein Adjektiv: «fahrend» («nicht sesshaft»). Ein fahrender Eisverkäufer ist aber vermutlich durchaus sesshaft; da muss «fahrend» ein Partizip sein, auch wenn der Mann an den Verkaufspunkten just nicht fährt.
Fährt er für jemand anders, so wirkt die Dudenredaktion sozialaufklärend, wenn sie das Wort «Arbeitgebende» aufnimmt. Soll man das Ursprungsverb wie «Rad fahren» schreiben, also «Arbeit geben», so zeigt das den Widersinn des Begriffs besonders gut. Die Einsicht wird schier unvermeidlich, dass die «Arbeitgebenden» nicht «Arbeit geben», sondern nur die Gelegenheit dazu. Wer als «Arbeitnehmender» Glace verkauft, gibt ja seine Arbeit der Person oder Firma, die ihn angestellt hat und damit seine Arbeit entgegennimmt. Es braucht keine Revoluzzenden mehr, um darauf hinzuweisen: Hellhörige reichen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Dieses ganze mühevolle, plumpe und verballhornende Ummodeln auf das Partizip geht von der falschen Annahme aus, dass ein Plural mehrere Geschlechter, sozial, biologisch oder einfach frei behauptet, abbilden muss, d.h. dass die bisherige Pluralbildung mit dem grammatikalischen maskulinen Genus dies nicht tut. Das ist aber bloße Behauptung, die von Zeit zu Zeit mit Assoziationstests untermauert wird. In Wirlichkeit handelt es sich hier nicht um Wissenschaft, sondern um eine Ideologie – was ja auch in Ordnung wäre, wenn sie uns nicht mit dem Hinweis auf eine angebliche größere Gerechtigkeit aufgezwungen würde. Ich sehe es genau anders herum: der herkömmliche Plural mit dem maskulinen Genus schließt alle ein und keinen aus. Da alle in dieser Menge vorhanden sind, muss es auch keine extra Bezeichnungen für neue Identitäten geben. Darin besteht die Einfachheit und Eleganz des generischen Maskulinums. Es erlaubt eben keine eindeutige Zuschreibung auf des Sexus; alle Sexii sind gemeint.
Lieber Herr Goldstein
Auf diese Fragestellung bin ich noch nicht gekommen, finde ich aber interessant. Klar ist, dass diese Partizipien nicht von Verben abgeleitet sind wie «Arbeitende» von «arbeiten», sondern in einem Parallelismus zu diesen herkömmlichen Partizipien vom entsprechenden Nomen Agentis: «Arbeiter» / «Arbeitender» // «Seelsorger» / «Seelsorgender»: eine neue Variante der Gendersprache. Ob das unserer Srprache gut tut? Da gibt es allerdings viele Schattierungen. Hier alle einzelnen Beispiele und Möglichkeiten auszuloten wäre eine knifflige Arbeit (wie nur schon das Beispiel «schauspielern» zeigt).
Um es zu Beginn ganz deutlich zu sagen: Ich lehne die «Genderisierung» der deutschen Sprache eher ab. Mein liebsten Beispiele sind: «Fussgänger- und Fussgängerinnen-Streifen» oder «Bergsteiger- und Bergsteigerinnen-Ausbildung» oder Schafhirt und Schafhirtinnen. Irgendwann wird so die deutsche Sprache kompliziert und mühsam. Klar, sind diese Beispiele überspitzt, aber genau das ist die «Genderisierung» eben auch. Ich bin ein grosser Liebhaber des Schauspiels. Genderisierung in schriftlicher Form mag ja noch einigermassen hinkommen, aber in der gesprochenen Sprache, vor allem auf der Bühne, kann ich mir das einfach nicht vorstellen.
Ich war heilfroh, als ich vor etwa 25 Jahren – wann war es genau? – von einem Bürger zu einer Bürgerin wurde. Ich war als Bürger nicht mitgemeint. Das war nicht ich. Ich war und bin kein Bürger!
Ich finde, man kann auch ohne die Sprache zu verhunzen von Studierenden und Lehrkräften (oder auch Lehrerinnen und Lehrern) sprechen. Im Zweifelsfall, der Sprache zuliebe, die traditionell männliche Form, wie bei Fussgängerstreifen. Da fällt einem kein Stein aus der Krone.
Keinesfalls *Gendersternchen und andere die Sprache verhunzende Formen. Man muss halt ein wenig denken und die Sprache im Ohr haben.