Blockierter Uno-Sicherheitsrat erlebt eine böse Premiere
Schon mehrfach in der fast 77-jährigen Uno-Geschichte hat der aus 15 Staaten bestehende Sicherheitsrat in New York auf einer Dringlichkeitssitzung in den Tagen und Stunden vor einem drohenden Krieg diesen noch zu verhindern versucht. Zuletzt und vergeblich geschah das unmittelbar vor Beginn des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges der USA und Grossbritanniens am 20. März 2003.
Doch am Mittwochabend erlebte der Rat eine böse Premiere. Zumindest 14 der 15 Botschafter wurden von der Realität überholt: Noch während ihrer bereits zweiten Dringlichkeitssitzung in dieser Woche zum Ukraine-Konflikt kündigte Wladimir Putin in Moskau den Beginn der Angriffe der russischen Streitkräfte auf die Ukraine an. Vergeblich blieb der Appell, den Uno-Generalsekretär Antonio Guterres zur Eröffnung der Sitzung an Putin gerichtet hatte: «Halten Sie Ihre Truppen davon ab, die Ukraine anzugreifen, geben Sie dem Frieden eine Chance, viele Menschen sind bereits gestorben.»
Scharfe Wortgefechte
Russlands Uno-Botschafter Wassili Nebensja reagierte auf den Appell mit der Rechtfertigung der Angriffe und ihrer Verharmlosung. Es handle sich dabei «nicht um einen Krieg», sondern lediglich um «eine spezielle militärische Operation». Es folgten ungewöhnlich scharfe Wortgefechte. Der ukrainische Botschafter Serhij Kyslyzja erklärte in Richtung seines russischen Amtskollegen: «Wir verurteilen die Aggression, die Sie gegen mein Volk verüben. Es gibt kein Fegefeuer für Kriegsverbrecher. Sie fahren direkt zur Hölle, Botschafter.»
US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield kritisierte die «Missachtung» des Sicherheitsrates durch sein ständiges Mitglied Russland. In Berlin bezeichnete auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, der sich in der Vergangenheit immer intensiv für eine Deeskalation des Konflikts mit Russland engagiert hatte, Putin als Kriegsverbrecher. Russland, so Mützenich, habe «sein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat moralisch und politisch verwirkt.»
Dennoch will Russland dieses Vetorecht wahrnehmen gegen den Resolutionsentwurf, dessen Vorlage die USA und andere Staaten noch für den gestrigen Donnerstag angekündigt hatten. Auf Basis von Kapitel 6 der Uno-Charta zur «friedlichen Beilegung von Streitigkeiten» wird in dem Entwurf ein «Verstoss» Russlands gegen die Charta sowie eine Ratsresolution zum Ukrainekonflikt von 2015 festgestellt und die Regierung Putin aufgefordert, sich umgehend wieder an diese Resolution und an das Völkerrecht zu halten.
An die Massgabe aus Artikel 27 der Uno-Charta, der besagt, dass sich bei Beschlüssen auf Basis von Kapitel 6 die Streitparteien der Stimme enthalten sollen, dürfte sich Russland genauso wenig halten wie die anderen vier ständigen, vetoberechtigten Ratsmitglieder in der Vergangenheit. Laut Charta ist der Sicherheitsrat zuständig, um bei einer Bedrohung oder dem Bruch des Friedens Massnahmen zu ergreifen «zur Wiederherstellung des Friedens und der internationalen Sicherheit».
Ein Fall für die Generalversammlung?
Wird die Handlungsfähigkeit des Rates aber durch das Veto eines (oder mehrerer) seiner fünf ständigen Mitglieder blockiert, kann die Generalversammlung diese Zuständigkeit an sich ziehen. Das geschah zum ersten Mal zu Beginn des Koreakrieges im Jahre 1950. Nachdem der Rat durch eine Vetodrohung der Sowjetunion über sechs Monate blockiert gewesen war, verabschiedete die Generalversammlung die Notstandsresolution «Uniting for Peace». Das erfolgte seitdem in neun weiteren Fällen. Auf einer Sitzung der Generalversammlung am Mittwoch kritisierten zwar mehrere Dutzend Länder das Vorgehen Russlands. Aber eine Initiative für eine Notstandsresolution zeichnete sich zunächst noch nicht ab.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Willkommen im Club der Kriegsverbrecher!
Vorab: Jede Gewalt, egal ob Krieg oder militärische Aktion ist menschenrechtswidrig und daher abzulehnen. Man kann aber andere nur zur Rechenschaft ziehen, wenn man selbst keine völkerrechtswidrige Krieg geführt hat. Das hat der Westen aber in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen getan. Unter dem gleichen Vorwand – einen Genozid an der Bevölkerung zu verhindern – ist jetzt auch Putin einmarschiert. Es ist also geschichtsvergessen, wenn unser Bundeskanzler jetzt sagt, das sei seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr passiert.
Und das ist das Grundproblem: Was man selbst macht, ist notwendig und gut, was Russland und China macht, ist grundsätzlich zu «verteufeln».
Die UNO hätte doch jetzt lange genug Zeit gehabt, deeskalierend zu wirken. Man hat während der ganzen Entwicklung seit dem Maidan den Westmächten das Handeln kritiklos überlassen. Seit dem letzten Dezember haben sich die USA und die NATO um ernsthafte Verhandlungen mit Russland foutiert. Sowohl Putin wie Lawrow waren stets für Verhandlungen bereit. Die haben darum gebeten. Und jetzt wo das Haus brennt reissen alle heuchlerisch die Augen auf?
Langsam zweifle ich wirklich an diesem Gebilde. Nicht zuletzt deshalb (Fokus auf Kanada), weil in Kanada UN-Flz eingetroffen sind mit «Ordnungskräften», die die kanadischen Sicherheitskräfte unterstützen sollen. Da habe ich mir die Augen gerieben.
Diese Taube ist wohl ein «pigeon».