Kommentar
Abstimmende erteilen Tabak-Lobbyisten im Parlament eine Lektion
Bisher durften Tabakkonzerne ihre tödlichen Produkte in der Schweiz so breit bewerben wie fast in keinem anderen Land. Deshalb gehört die Schweiz weltweit zu den wenigen Ländern, welche die Tabakkonvention der WHO noch immer nicht ratifiziert haben. Dank dem umfassenden Werbeverbot, welches die Abstimmenden nun gegen den Willen des Parlaments und des Bundesrats angenommen haben, kann die Schweiz zum 181. Land werden, das die Konvention ratifiziert und umsetzt.
Es blieb bis heute ein Schandfleck der Schweizer Gesundheitspolitik: Neben der Schweiz haben nur noch Argentinien, Kuba, Haiti, Marokko, Mosambik und die USA die WHO-Konvention zwar unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. In den USA besteht das Problem darin, dass Werbung als von der Verfassung garantierte Meinungsäusserungsfreiheit behandelt wird. Die Konvention nicht einmal unterschrieben haben Andorra, die Dominikanische Republik, Eritrea, Indonesien, Lichtenstein, Malawi, Monaco, Somalia und Südsudan. Die vollständige Liste ist hier veröffentlicht.
In seiner Botschaft zum schwachen Gegenvorschlag zur Volksinitiative hatte der Bundesrat festgestellt, dass der Tabakkonsum in der Schweiz jedes Jahr 9500 Todesfälle verursacht. Das sind fast 15 Prozent aller Todesfälle. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 sind nach Angaben des Bundesamts für Statistik rund 11’000 Personen an oder mit Corona gestorben, im Jahr 2021 rund 5300.
Trotzdem beugte sich die Mehrheit der Bundesparlamentarier den Interessen der Lobby der Tabakkonzerne, welche in der Schweiz einen grossen Einfluss hat, und unterstützte den schwachen Gegenvorschlag.
- SVP-Nationalrat Gregor Rutz vertritt in dieser Sache nicht das Volk, sondern bezieht Geld von der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels.
- Mitte-Nationalrat Alois Gmür vertritt in dieser Sache nicht das Volk, sondern ist Mitglied der «Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik», zu deren Mitgliedern zwei Tabakverbände gehören und die von «Swiss Cigarette» unterstützt wird.
- Verschiedene Tabakkonzerne und -Organisationen unterstützen bürgerliche Parteien finanziell.
Finanziell entschädigt vom Schweizerischen Gewerbeverband, der die Volksinitiative bekämpfte, werden SVP-Nationalrat Thomas de Courten, Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi, FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger, FDP-Nationalrat Kurt Fluri und FDP-Nationalrat Henrique Schneider.
Dies nur, um die Hauptdrahtzieher zu nennen, welche die Volksinitiative bekämpften. Bisher war die Lobby-Arbeit der Tabakwirtschaft und dem Helfershelfer Gewerbeverband stets von Erfolg gekrönt:
- Im Jahr 2012 verwarfen die Stimmberechtigten eine Volksinitiative zum Schutz vor Passivrauchen mit einer Zweidrittelsmehrheit.
- Im Jahr 1993 scheiterten Zwillingsinitiativen für ein Verbot der Tabak- und Alkoholwerbung mit einem Nein-Anteil von 75 Prozent.
Umso denkwürdiger ist die Lektion, welche eine Mehrheit von 57 Prozent der Abstimmenden dieses Mal den Tabak-Lobbyisten im Parlament erteilt haben.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Wofür bitte, werden die, im Beitrag erwähnten, Nationalratspersonen durch den Schweiz. Gewerbeverband entschädigt? Weil ihnen durch diese Entscheidung irgendwelche «Vorteile» entgehen? Schon interessant wie Mensch tickt und doch felsenfest behaupten kann, nicht beeinflussbar zu sein, in der Ausführung von Tätigkeiten, welche die Allgemeinheit angeht.
Die genannten Personen erbringen (Teilzeit-)Leistungen für den Schweizerischen Gewerbeverband (Funktionen in Organen oder Geschäftsleitung). Durch die Arbeits- oder Auftragsverträge sind sie verpflichtet, die Interessen des Gewerbeverbandes zu vertreten und den Interessen des Gewerbeverbandes auf keinen Fall zu schaden.
Es wird so sein, dass ohne Werbung weniger Tabak konsumiert wird. Zwar hat auch die damalige massive Erhöhung der Tabaksteuer in mehreren Schritten kaum den erhofften Nutzen gebracht. Dass verschiedene Länder die Tabak-Konvention der WHO weder ratifiziert noch unterschrieben haben, ist durchaus verständlich, sind es doch zT wichtige Wirtschaftszweige, die Einkommen generieren.
Dieses Abstimmungsresultat mag hinsichtlich der Senkung von Raucherkrankheiten ok sein. Ich persönlich würde jedoch eher auf Eigenverantwortung setzen. Am Schluss schreibt man mir nämlich noch vor, was ich zu essen und zu trinken habe. Erste Anzeichen bestehen bereits – zB weniger Fleisch, Produkte aus dem Bioreaktor, usw.