Die Folgen des Neins zum Medien-Hilfspaket
Nach einem von den Gegnern des Mediengesetzes ziemlich populistisch geführten Abstimmungskampf war ein deutliches Nein absehbar. Was bedeutet das für die Medienbranche?
Strukturwandel läuft so oder so weiter: Es gibt keine verlässlichen Daten zum Jahresumsatz der Schweizer Presse. Grob geschätzt, hätte das vorgesehene Hilfspaket fünf Prozent des Budgets der Zeitungen ausgemacht. Das Ausbleiben des staatlichen Zustupfs werden die Verlage spüren, aber das ist für sie verkraftbar – für die grösseren wohl besser als für die kleineren. Der Strukturwandel, den keine staatliche Unterstützung aufhalten kann, wird sich mit einem leicht höheren Tempo fortsetzen. Mit einer Einschränkung des Angebots und noch weniger Vielfalt ist zu rechnen. Für Kleinverlage wird ein selbständiger Kurs noch anspruchsvoller.
Wie lange noch Tageszeitungen? Wegen des sinkenden Verkaufs von Zeitungen verteuert sich deren Vertrieb zusehends. Ohne zusätzlichen staatlichen Support werden die Verlage schneller vor der Frage stehen, ob sich die tägliche Zustellung von Zeitungen noch lohnt. Würde ein grosser Anbieter wie Tamedia als erster aussteigen, müssten die kleineren Anbieter wohl nachziehen. Denn ohne Tamedia würde der Vertrieb von Zeitungen bedeutend teurer. Das heisst letztlich auch, dass die Verlage unter noch höherem Druck stehen, möglichst bald eine grosse Menge an Kunden vom Wert digitaler Abonnements überzeugen zu können.
Für alternative Online-Stimmen bleibt es garstig: In den vergangenen zehn Jahren konnten sich im Online-Bereich etliche alternative Stimmen etablieren. Die Vielfalt an neuen Organen ist grösser, als manche Kritiker der zunehmenden Medienkonzentration denken. Einige Initianten – etwa Branchenportale, die «Republik» oder der «Infosperber» – konnten Fuss fassen. Der Grossteil muss aber mit sehr bescheidenen Mitteln zurechtkommen, und das Informationsangebot dieser Akteure ist öfters ungenügend. Man findet eine beträchtliche Vielfalt an alternativen Meinungen, während redaktionell seriös aufbereitete Informationen Mangelware bleiben.
Vorteil für Zeitungsverleger: Wenn es keine Online-Fördergelder gibt, ist das ein Vorteil für die Online-Angebote der Zeitungshäuser, weil die Konkurrenz der kleinen Anbieter schwächer bleibt. CH-Media ist schon in der Offensive. Einerseits steuert das von der Wanner-Familie und der NZZ-Gruppe kontrollierte Medienhaus digitale Ableger seiner Regionalblätter, anderseits baut es mit «Today» ein Online-Netzwerk auf, das Gratisinformationen vertreibt und dabei die Ressourcen seiner teilweise gebührenfinanzierten Lokalsender nutzen kann – CH-Media hat quasi den Fünfer und das Weggli. Es ist jetzt schon so: Nicht nur die SRG beeinflusst den Online-Newsmarkt mit Hilfe von Geldern aus der Mediensteuer.
Schlecht für den Presserat: Für das Selbstkontrollorgan der Medien, den Schweizer Presserat, ist das Volks-Nein eine schlechte Nachricht. Der Presserat kämpft seit Jahren mit finanziellen Problemen. Eine brancheninterne Lösung konnte bisher nicht gefunden werden. Die Probleme des Gremiums spiegeln die schwierigen Zustände im Mediensektor und sind kein gutes Zeichen für die Reformkraft der Branche. Ohne die mit dem Medienpaket in Aussicht gestellte Entlastung (in Höhe von vielleicht 200’000 Franken) läuft das Organ Gefahr, seine Leistungen abbauen zu müssen. Die Effizienz der Behandlung von Beschwerden aus dem Publikum ist mangels Ressourcen ebenfalls gefährdet.
Weitere Stressphase für die SRG: Der Kampf der Branchenexponenten um das Hilfspaket führte auch zu einem Burgfrieden mit der SRG. Um das Förderprojekt nicht zu gefährden und Misstöne zu vermeiden, verzichtete man seit einiger Zeit auf Angriffe gegen den gebührenfinanzierten Senderverbund. Die Ruhephase wird mit der Volksabstimmung enden. Nach dem Nein wird die SRG umso mehr zum Streitobjekt. Diskussionen wird es insbesondere um den Spielraum der SRG auf dem Online-Markt geben. Zudem wird ein Nein jene animieren, welche die Mittel der SRG halbieren wollen. Eine entsprechende Initiative dürfte wohl scheitern, doch muss die SRG wieder mit einer Senkung des Beitrags aus der Mediensteuer rechnen, und dies bei weiter sinkenden Werbeeinnahmen. Der Reformdruck beim öffentlichen Senderverbund bleibt also hoch, mit negativen Auswirkungen auf die Stimmung im Personal. Aber da unterscheidet sich die SRG kaum von der Lage bei den privaten Medien.
Neuer Hoffnungsschimmer für die Verlage: Für die führenden Medienanbieter geht also die Welt nach dem Nein des Volks nicht unter. Dies umso weniger, als die Lobbyisten eine weitere Geldquelle ins Auge fassen. Sie wollen nämlich die amerikanischen Techno-Konzerne anzapfen. Das Losungswort dazu heisst Leistungsschutzrecht. Darüber diskutiert man bereits seit mehr als einem Jahrzehnt. Demnach sollen Facebook und Google die Informationsanbieter bzw. die Zeitungen für sogenannte Snippets eine Entschädigung entrichten. Snippets sind Titel und kurze Textausschnitte von Artikeln, mit welchen die Redaktionen auf den Plattformen der Netzwerke das Publikum anlocken wollen.
Die sachliche Legitimität des Leistungsschutzrechts ist höchst fragwürdig, doch dank der guten Verankerung der Zeitungsbranche in der Politik dürften sich entsprechende Gesetze europaweit durchsetzen. Die Schweizer Verleger können hier einen Trend nutzen. Bundesrätin Keller-Suter sagte in diesem Zusammenhang, es sei so, wie wenn derzeit die US-Konzerne mit gestohlenen Velos herumfahren würden.
Das ist eine krasse Fehlzeichnung des Sachverhalts, und das ausgerechnet durch eine Justizministerin. Es geht hier gar nicht um die Frage einer Verletzung des (unbestrittenen) Urheberrechts, sondern um die Interpretation eines digitalen Tauschgeschäfts zwischen den US-Plattformen und den Verlagen. Letztere stellen bereits hohe Forderungen. Man verlangt zehn Prozent des Umsatzes. In der Schweiz wären das gemäss Schätzungen von Lobbyisten 100 Millionen Franken, die in die Medienkassen flössen.
Eine andere Art von Medienförderung: Der jahrelange politische Druck und die öfters interessegeleiteten Skandalberichte über die US-Technogiganten haben diese in zahlreichen Ländern an den Verhandlungstisch gezwungen. Man strebt private Deals an, um absehbaren Streitigkeiten ums Leistungsschutzrecht vorzubeugen. Es gibt bereits Vereinbarungen mit einigen Medienhäusern, wobei die Inhalte geheim bleiben. Das wiederum erschwert die Verhandlungsposition der Kleinen. Der britische Branchendienst PressGazette versuchte kürzlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen. In Australien soll es dabei um 100 Millionen Dollar gehen.
Kurz und gut: Mit einem Leistungschutzrecht verschaffen sich die Medienhäuser die Legitimität für einen Zugriff auf kontinuierliche Einnahmen, die den Anschein einer privatwirtschaftlichen Lösung haben, faktisch aber eine intransparente Art Medienförderung sind, welche die Staaten ein paar amerikanischen Grosskonzernen aufzwingen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
An meinem Beruf ist der Wandel der Zeit und die Digitalisierung genau so wenig vorbei gegangen wie bei der Presse.
Uns hilf keiner, das heisst, schaffe ich es am Ball zu bleiben bin ich noch dabei, ansonsten macht das Geschäft ein anderer.
Mir und meiner ganzen Branche wäre es nie in den Sinn gekommen beim Staat anzuklopfen um Steuergelder zu uns umzulenken. Gleich verhält sich ein grosser Teil der Handwerker.
Warum in aller Welt brauchen gerade die Staatliche Hilfe, die für alles eine Erklärung liefern ob sie stimmt oder leider immer öfter nicht mehr.
Genau wie wir Handwerker sollen die am Ball bleiben und das machen was noch Machbar ist.
Den Steuerzahler eine Zeitung machen lassen die Politiker Hofiert und gegen die Zahlenden ist, sicher nicht.
Also, Vorausschauend das machen was noch geht und das andere lassen wie bei uns, wer nicht am Ball bleibt verliert ihn so einfach ist das.
Genau – nehmen wir den Telecom Markt, insbesondere die Telerfonie: wo ist Ascom, Siemens, Alcatel etc? Hat einer Staatshilfe bekommen? Die linke Medienbranche tut sich natürlich ohne Verstaatlichung immer schwer
Wie gross wäre die finazielle Unterstützung für infosperber gewesen, wenn das Gesetz angenommen worden wäre?
Wie sieht die Ökobilanz für online Medien (Betrieb von Servern, Übermittlung der Daten und Stromverbrauch der Endgeräte), ohne Streaming, aus, im Vergleich zu den Printmedien (Herstellung und Zustellung)?
Einen Nauanlauf für ein neuese Mediengesetz sollte nicht nur die Medienvielfalt fördern, sondern auch eine gute Öko-, insbesondere Klimabilanz, belohnen.
Mir tut es leid, dass mein Nein dazu beigetragen hat, dass auch solche Medien, die noch nach alter Journalistenkunst berichten, das Nachsehen haben.
Mein Nein ist jedoch nicht die Folge der von Rechts stammenden Kampagne gegen das Medien-Hilfspaket. Mein Nein kommt daher, dass ich es satt habe, von den Leit- und ihnen folgenden Medien so einseitig informiert zu werden. Und dass diese Medien nicht nur zuschauen, wie sich unsere Gesellschaft spaltet, sondern dies auch noch aktiv fördern. Ich möchte verhindern, dass es Belohnungen gibt für die Zugehörigkeit zu bzw. das Gutheissen einer «Public Media Alliance» und «Trusted News Initiative», der viele weitere bedeutende Medien mit massgeblichem Einfluss weltweit angehören. Wer diese Medien (mit)finanziert, lässt sich auch ganz einfach googlen, wenn man möchte. Zum Beispiel Stichwort: Jahresbericht BBC 2020-2021 «Donors». Auch bei den sogenannten Factcheckern findet man online ganz einfach interessante Informationen zu deren finanziellen Background.
«nicht die Folge der von Rechts stammenden Kampagne…»
Das ist leider eine Aussage die nicht zutrifft. Wir von der Freiheitsbewegung / Massnahmenkritiker distanzieren uns explizit von Rechts. Wir sehen uns als eine Sammlung von Links bis Rechts bis Oben und unten.
Zudem erlebte ich vor allem ehemalige Links/Grüne die Unterschriften gesammelt haben, aus Wut über die beschämende Berichterstattung der Mainstreammedien.
Was ist verwerflich «rechts» d.h. damit nach gängigem Verständnis gegen staatliche Eingriffe, hohe Abgaben und für Eigenverantwortung zu sein? Ist nur eine linke Meinung gut, und alle anderen Ansichten sind unanständig?
Für mich, die ich mich immer eher im links-grünen Spektrum wiedergefunden habe, war es noch bis vor Kurzem unvorstellbar, dass ich irgendeiner von Rechts stammenden Meinung zustimmen könnte. Vermutlich klingt das aus meinen Zeilen heraus. Mit verwerflich hat das nichts zu tun, es erstaunt mich einfach. Man lebt und lernt.
Wir müssen aufhören auf rechts und links zu schauen, wir müssen wieder anfangen die Sache als solches anzuschauen, Kommt eine gutes Sache müssen wir dafür sein egal aus welcher Ecke und umgekehrt, diese Grösse fehlt vielen heute, vor allem in Grün-Linken Ecke. Das gleiche gilt natürlich auch für eine schlechte Sache, die kann auch aus jeder Ecke kommen!
In der Medienbranche sind nicht zuerst neue Lösungen gefragt. Wenn im lokalen Bereich alle Berichterstattungen aus den Gemeinden, zu allgemeinen Themen und der Kultur aufgegeben werden, dreht sich die Abwärtsspirale schneller. Denn das Lokale ist das Fleisch am Knochen einer Medienexistenz. Dass beispielsweise die Todesanzeigen quasi unter dem Strich entsorgt werden und die Nekrologe zum Abgang von beliebten oder prominenten Lokalgrössen verschwunden sind, hat zwar kurzfristig zu einem Aufschrei unter der Leserschaft geführt, aber gefruchtet hat es nichts. Oder doch: zu einem Verlust der Leserakzeptanz, dem allerwertvollsten Gut einer Lokalzeitung.
Schon im ersten Satz des Artikels eine Wertung «populistisch». Da ist meine Lust zum weiterlesen bereits stark gedämpft.
Wieso könnt ihr nicht einfach euren Job machen und anständig informieren. Kein wunder, dass das Gesetz (auch von mir) abgelehnt wurde.
Ich verstehe die Beweggründe für ein Nein sehr gut. Trotzdem haben «wir» uns ins eigene Bein geschossen mit diesem Nein. Schade, dass negative Stimmung, Neid, Frustration immer mehr Abstimmungen in die falsche Richtung lenkt. Verlieren werden wir alle, ausser die Stimmen am rechten Rand.