«Nato sollte an Beitritts-Option der Ukraine nicht festhalten»
Der Verzicht auf einen Nato-Beitritt der Ukraine müsse Teil eines Kompromisses sein, damit eine diplomatische Lösung überhaupt möglich werde. Doch wer solches vorschlage und Kompromisse suche, werde heute «beschuldigt, wie ein Russe zu argumentieren», bedauert Stephen Wertheim in einem grossen Interview, das der «Tages-Anzeiger» und andere Tamedia-Zeitungen am 12. Februar veröffentlichten.
Der Historiker Stephen Wertheim arbeitet für das «Carnegie Center» in Washington, ist Mitbegründer des «Quincy Institute of Responsible Statecraft» und Autor des Buches «Tomorrow the World – The Birth of U.S. Global Supremacy».
Die USA sollen keine unipolare Weltherrschaft mehr anstreben
Spätestens nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei es ein Fehler gewesen, dass die USA die dominierende Macht auf dem Planeten bleiben wollten: «Viele Kommentatoren und Kongressmitglieder haben die Tatsache noch nicht akzeptiert, dass die Zeiten der unipolaren Welt längst vorbei sind», meint Wertheim. Die USA [und deren militärisch-industrieller Komplex] müssten den Anspruch der Weltherrschaft aufgeben und einen kompromissbereiten Weg einschlagen:
«Das würde es ermöglichen, sich auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren, die lädierte Demokratie zu reparieren und mehr für den Klimawandel und gegen künftige Pandemien zu unternehmen. Diese Bedrohungen betreffen die Amerikaner mehr als jeden anderen Staat, China inklusive.»
Der Westen müsse sich eingestehen, dass er mit autoritären Herrschern leben und zusammenarbeiten müsse. China sei für die USA noch lange weder eine militärische noch sonst eine Gefahr, sagte Wertheim vor gut einem Jahr in einem Interview. Im «Tages-Anzeiger» erklärte er:
«Die Kommunistische Partei Chinas hat noch riesige demografische und wirtschaftliche Herausforderungen vor sich. Wir sollten deshalb nicht so pessimistisch gegenüber unserem eigenen liberaldemokratischen Modell sein, sondern durch unsere Beispiele zeigen, dass es attraktiv ist.»
Allerdings seien die demokratischen Werte weltweit und in den USA selber in Misskredit geraten, «weil sie mit der hegemonialen Anwendung von Gewalt durch die USA und ihre Alliierten in Verbindung gebracht wurden». Die demokratischen Werte dürften nicht noch weiter untergraben werden. Vielmehr müssten geopolitische Konflikte entschärft und Fremdenfeindlichkeit minimiert werden.
Eine Sicherheitsarchitektur schaffen
Eine Kompromisslosigkeit gegenüber Russland [in der Nato-Frage] und erst recht noch härtere Sanktionen würden nur dazu führen, dass «sich Russland und China einander annähern». Europa solle sich über die Bündnistreue der USA keine Illusionen machen:
«Russland und die USA sind einander nuklear ebenbürtig, ein Krieg hätte erhebliche Folgen. Ich mache mir grosse Sorgen, ob die USA beispielsweise die baltischen Staaten wirklich verteidigen würden, vor allem wenn China weiter aufsteigt und sich international stärker einmischt.»
Das Fazit von Stephen Wertheim:
Wir müssen nach vorne schauen und eine gerechtere und dauerhaftere europäische Sicherheitsarchitektur schaffen.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Die reine Wahrheit, eine neutrale Ukraine und ein klares Statement, dass die Ukraine als neutrales Land wie die Schweiz, nie der Nato beitreten wird.
Und die Nato wird obsolet werden, wenn die USA endlich von ihrem hegemonialen Weltanspruch zurücktritt, aus eigenem Interesse. Ansonsten wird China schon dafür sorgen. Russland gehört zu Europa und Europa braucht Russland auch wirtschaftlich!
Die USA werden nie von ihrem Anspruch zurücktreten. Obsolet wird die NATO erst dann, wenn die Mitgliedstaaten sich gegenüber der USA emanzipieren.
Es wäre vielleicht für den Mann im Weissen Haus und die jetzige Garde der europäischen Spitzepolitiker ratsam, sich einmal mit der Geschichte zu befassen. Der Hitler-Stalin-Pakt war das Desaster für die ganze Welt. Und Stalin war nur wegen Hitler möglich. Ohne Hitler kein Stalin.
Der Hegemon USA glaubt noch immer alles befehlen zu können. Schon Napoleon wie auch Hitler waren schliesslich bei der Eroberung Russlands gescheitert. Die USA werden auch ihre Lehren aus all ihren verlorenen Kriegen gezogen haben.
Während NATO-Staaten und andere dem Westen folgende Staaten ihren Mitbürgern raten, die Ukraine dringend zu verlassen, Kanada und Australien sogar ihre Botschaften dort schließen, fordert der ukrainische Präsident den Westen und seine Nachrichtendienste auf, Beweise für den am 16. Februar angeblich anstehenden Krieg zu liefern, da die Ukraine und ihr Geheimdienst dazu keine Erkenntnisse hätten. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums kommentiert die beispiellose westliche Provokationskampagne: „Seit zwei Monaten verhöhnen sie den common sense der ukrainischen Bevölkerung“. Scott Ritter, ehemaliger Offizier für Aufklärung der US-Marineinfanterie schreibt hier: https://de.rt.com/nordamerika/131432-biden-hat-nur-noch-drei-optionen-in-der-ukraine-krise-keine-davon-angenehm/ „Wenn USA und EU die Aussicht auf einen kostspieligen und möglicherweise verheerenden militärischen Konflikt mit Russland vermeiden wollen, muss die Möglichkeit einer Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO auf Dauer ausgeschlossen werden.“ Nach russischem Verständnis wird das Prinzip der unteilbaren Sicherheit in Europa durch das Prinzip der Bündniswahlfreiheit ausgehöhlt. Die NATO sei ein „Verteidigungsbündnis“ wurde durch die Kriege gegen Jugoslawien, Irak, Libyen oder Unterstützung von Terroristen bspw. in Syrien gründlich widerlegt. Russland wird von den USA und der NATO ausdrücklich als „Gegner“ bezeichnet. Die Expansion der NATO in Richtung Russland setzt die Sicherheit Europas aufs Spiel.
Nato-Beitritt der Ukraine
Dem «Westen» und im Wesentlichen der USA werden hier ziemlich oft alle möglichen Vorhaltungen gemacht. Es kann nicht im Sinne «des Westens» sein, der Ukraine zu sagen ob, wann und überhaupt die NATO für sie in Frage kommt. Die Ukraine wäre m.E. gut beraten würde sie sich selber entscheiden weder Anhängsel von Putin noch von der Nato sein zu wollen.
Dass der kleine Mann eines grossen Landes Minderwertigkeitsprobleme hat oder sich nicht genug wertgeschätzt sieht, darf nicht zu noch mehr Toten führen, wie der Blödsinn mit dem Donbass, der derart verrottet scheint, dass dort niemand investieren wird.
Habe viel zu bemerken. Aber nur eines: Putin ist 170 cm gross, also nicht klein. Mit seiner Grösse irgendetwas erklären zu wollen, disqualifiziert nicht Putin.
Diese kunterbunte Sammlung von Ratschlägen geben keine Rückschlüsse auf eine neue «Strategie der Kompromisse», welche die USA offenbar befolgen soll. Man müsste wissen, ob Russland jetzt explizit als «Pol» anerkannt werden soll. Wäre die Türkei ein weiterer «Pol»? Das würde sich die jetzige Regierung sicher wünschen – das Osmanische Reich war schliesslich auch mal eine Weltmacht. Welche Ansprüche sollte man den verschiedenen Polen dann zugestehen? Welche kleinere Länder müssen, womöglich auch gegen ihren Willen, «über die Klinge springen» und sich einem bestimmtem Machtbereich zuordnen lassen? Es tönt leider wirklich nach einem neuen Yalta. Der Frieden, der das bringen soll, dürfte eher eine Grabesruhe sein. Da scheint mir ein dynamisches Weiterwursteln für den Moment noch immer versprechender.
Danke für den Artikel.
Es ist schon so, mit mehr Abstand und weniger Bedienen von Feindbildern käme man zu einer differenzierteren Ansicht.
Man stelle sich vor, Russland würde an der Grenze zur USA irgendwelche Militärs installieren. Würden die USA dann auch einfach so zuschauen und sagen, dass dieses Grenzland ein eigener Staat ist und deswegen auch darüber entscheiden darf, welchem Sicherheitsbündnis es beitreten wolle?
Moment mal, da war doch was mit Kuba und russischen Raketen. Wir hatten dieses Situation auch schon. Wie hat sich die USA denn dazumals verhalten? Hat die USA das einfach hingenommen, weil Cuba ist ja ein souveränder Staat oder hat die USA da militärisch interveniert?
Der russische Schwarzmeer-Kriegshafen befindet sich seit dem 18. Jahrhundert bei Sebastopol auf der Krim. Den eigenen Kriegshafen im Ausland zu haben, ist schon ein Witz. Wenn nun aber die Ukraine sogar noch in die NATO eintritt, so wird es ein Bündnisfall, wenn Russland in seinen Kriegshafen will.
Folglich besetzte Russland vor acht Jahren die Krim. Das war nicht rechtmässig, aber verständlich. Und der Versuch, mit Luhansk und Donetsk einen Korridor zur Krim zu bekommen, ist aggressiver Unsinn. Unsinn ist es, weil nicht nötig. Wenn auf der anderen Seite der Westen nun bloss als Sicherheitsgarant für die Ukraine auftritt, trägt das nichts zur Problemlösung bei. Wenn der Westen darüber hinaus das Feuer immer mehr schürt, sogar ungeachtet des ukrainischen Präsidenten, der zur Mässigung mahnt, so ist das extrem kontraproduktiv. Und weil die Leute nicht dumm sind, bleibt nur übrig, dass sie das genau so wollen.
Mein Traum ist, dass die UNO Frau Merkel beauftragt, eine Lösung zu finden.
Die USA sehen sich selber wie immer als Polizisten der Welt. Präsident Biden widmet sich der Ukraine Krise zu nicht nur um seine Flop-artige innere Politik zu vertäuschen, sondern weil Kriege gehören angeblich im DNA der USA. Fünf Länder waren seit 1946 am häufigsten an Kriegen oder Konflikten beteiligt: Frankreich (28), GB (27), USA (24), Russland (25) und Indien (17), wobei die ersten drei auch NATO-Mitglieder sind. Die Nato hat als Ziel, die eigene Sicherheit und die weltweite Stabilität zu fördern: mit drei Kriegstreiber ein Märchen, oder?
Giovanni Coda